Hieros Gamos

Hieros Gamos

Bei der Hierogamie (griechisch ιερογαμία, ierogamía, „die heilige Hochzeit“) oder dem Hieros gamos (griechisch ιερός γάμος, ierós gámos, wiederum „die heilige Hochzeit“) handelt es sich um einen religiösen Ritus, der nach Art eines christlichen Sakramentes von zentraler Bedeutung in den Religionen der bronzezeitlichen Kulturen des Orients und Europas war. Dabei bildet die ursprünglich mythologische geschlechtliche Vereinigung eines göttlichen Paares den Hintergrund. Sie wird in der religiösen Sphäre stellvertretend durch die als Gottvertreter auf Erden angesehenen Herrscher und einer Priesterin nachvollzogen.

Die ältesten dieser Vereinigungen sind als die zwischen einem Gott und einer Göttin gedacht. Auch bei den Alten Griechen wurden die Vereinigungen zwischen den Göttern als Hieros gamos bezeichnet, später vor allem die zwischen Göttern (seltener auch Göttinnen) und Sterblichen.

Inhaltsverzeichnis

Verbreitung

In den mesopotamischen Kulturen von Sumer, Assur und Babylon spielte Hierogamie die bedeutendenste Rolle im Kult. Ebenso in Indien, im alten Ägypten und wahrscheinlich auch in China war sie bekannt. In den bronzezeitlichen Kulturen Nordeuropas ist Hierogamie durch Felsritzungen belegt.

Timor

Auch die Urbevölkerung Timors lebt mit der Vorstellung einer heiligen Hochzeit zwischen Himmel und Erde. Näheres siehe Atoin Meto.

Sumer

Die Feier des Hieros gamos in Sumer konnte teilweise nach Keilschrifttafeln rekonstruiert werden. Er stellte als Ritual die angenommene Sicherung des Fortbestandes der Fruchtbarkeit dar und wurde jährlich zu Neujahr wiederholt. Die Inschriften sprechen von einer kosmischen Bedeutung des Rituals. Seine Ursprünge müssen wesentlich älter sein als die Hochkultur der Sumerer. Im Ritual vollzog der Stadtfürst mit der höchsten Priesterin der Zikkurat, die nicht selten seine Ehefrau war, die rituelle Vereinigung auf dem Altar (siehe Bild). Die Priesterin verkörperte hierbei Inanna, die höchste Göttin, und der Fürst Dumuzi, den Frühlings- und Fruchtbarkeitsgott und Inannas Sohngeliebten. Das Ritual wurde mit einem karnevalartigen Fest begangen, an dem die ganze Stadt teilnahm und das von Blumenschmuck und Musikanten und Sängern eingeleitet wurde.

Tempelprostitution

Die aus diesem Kult erwachsende Tempelprostitution bot für Normalsterbliche eine Form der Teilhabe an diesem Ritual.

Jungfräuliche Priesterinnen und Nonnen

Wahrscheinlich gab es in den mediterranen Kulturen der Antike späterhin jungfräuliche Priesterinnen, die als mit der Gottheit verheiratet galten. Diese Auffassung erhielt sich in den Ordensgelübden katholischer Frauenorden. Auch der Habit der Nonnen und Novizinnen weist häufig auf diese Vorstellung hin: Die Kleidung ist oft weiß wie das Brautkleid. Nonnen tragen den Schleier und vielfach auch den Ehering verheirateter Frauen.

Heilige Jungfrauen, eigentlich eine „Entartung“ der auf Fertilität angelegten Vorstellungen im Orient, waren in der Antike die Vestalinnen und die Priesterinnen der Aphrodite. Neben diesem Jungfrauenideal (das die Marienverehrung vorwegnahm) wurde aber auch hier die Tempelprostitution als rituelles Nachvollziehen der geschlechtlichen Vereinigung zwischen Gott und Göttin als die ursprüngliche Form der Hierogamie ausgeübt.

Literatur

  • Helmut Uhlig: Das Leben als kosmisches Fest. Magische Welt des Tantrismus. Bergisch-Gladbach 1998. ISBN 3-7857-0952-8

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