Highly Accelerated Life Test

Highly Accelerated Life Test

Ein Highly Accelerated Life Test, (engl. für ‚hoch beschleunigter Lebenszyklustest‘, abgekürzt HALT) bzw. Schnellalterungstest ist ein Verfahren mit dem Ziel, vorzugsweise elektronische und elektromechanische Baugruppen noch im Entwicklungsstadium einer beschleunigten Alterung auszusetzen, um Schwachstellen und Designfehler aufdecken zu können.

Inhaltsverzeichnis

Ziel

Die Zielsetzung eines HALT ist in erster Linie das Aufdecken von Schwachstellen im Gerätedesign und Herstellungsprozess innerhalb kürzester Zeit und mittels einer kleinen Anzahl von Prototypen. Dies wird mittels einer extremen Beschleunigung des Alterungs- und Schädigungsprozesses durch Temperatur und Vibration erreicht, wodurch Ausfälle frühzeitig auftreten und Schwachstellen erkenntlich gemacht werden. Der thermische und mechanische Stress reicht hierbei weit über die spezifizierten Grenzen des zu prüfenden Produktes hinaus. Es wird davon ausgegangen, dass die im HALT auftretenden Fehlerbilder die gleichen sind, wie sie später im Feld beobachtet werden. Jede so aufgedeckte Schwachstelle bietet so die Möglichkeit, das Gerätedesign oder den Produktionsprozess zu verbessern. Hierdurch wird die Robustheit des Produktes erhöht und somit auch dessen Zuverlässigkeit. Des Weiteren wird durch den HALT die Entwicklungszeit verkürzt und letztlich die Kosten gesenkt.

Equipment

Tabelle 1: Technische Parameter der Prüfkammer Vötsch Sigma 500-24 [1]
Parameter Größe
Temperaturbereich -100 .. +200 °C
Heizgeschwindigkeit 2 .. 80 K/min
Kühlgeschwindigkeit 2 .. 80 K/min
Tischabmessungen 50 cm × 50 cm
Vibrations Bandbreite (fest) 10 .. 10.000 Hz
Vibrations Bandbreite (grms) 2 .. 100
Kammerabmessung (B×H×T) 75 cm × 90 cm × 75 cm

Für einen HALT-Test werden spezielle HALT-Kammern verwendet, in denen der Prüfling auf einen Vibrationstisch fixiert werden kann. Der Prüftisch kann mittels druckluftbetriebener Hämmer in sechs Freiheitsgraden angeregt werden. Die Kammern haben einen Temperaturbereich von -100 bis +250 °C, mit möglichen Temperaturgradienten von 2 bis 80 K/min. Dies wird mit starken elektrischen Heizelementen und einer Stickstoffkühlung erreicht. Damit die thermische Energie möglichst effektiv auf den Prüfling einwirken kann, wird diese mittels Luftleitschläuchen geleitet. In der Tabelle 1 sind typische technische Parameter einer HALT-Kammer angegeben.

Prüflinge

Die Prüflinge, die im HALT verwendet werden sollen, müssen vor dem Test so vorbereitet werden, dass deren Betrieb und Funktionsüberwachung von außerhalb der HALT-Kammer möglich ist. Zusätzlich können Temperatur- und Beschleunigungssensoren an den verwendeten Prototypen angebracht werden, um den einwirkenden Stress dokumentieren zu können. In den Prüflingen implementierte Schutzmechanismen müssen für den HALT ggf. außer Funktion gesetzt werden, weil sich ansonsten die Prüflinge selber schützen und Fehlerbilder nicht angeregt werden können.

Vorgehensweise

Im Folgenden werden die einzelnen Prüfungen des HALT beschrieben. Während der Tests auftretende Schäden sind zu dokumentieren und zu beheben, so dass der Test fortgeführt werden kann. Ein Defekt ist kein Beendigungskriterium, sondern stellt ein gewünschtes Zwischenergebnis dar.

Kältestufen-Prüfung

Der HALT wird mit der Kältestufen-Prüfung begonnen, weil diese sich gewöhnlich am wenigsten zerstörend auf den Prüfling auswirkt. Begonnen wird bei einer Umgebungstemperatur von 20 °C, die in 10 K-Schritten herabgesetzt wird, bis die untere Funktionsgrenze (Lower Operating Limit) für die Temperatur erreicht wird. Danach wird die untere Zerstörungsgrenze (Lower Destruct Limit) bestimmt, wenn dies möglich ist. Die jeweilige Verweilzeit in jeder Stufe beträgt ungefähr 10 Minuten. Diese Zeit wird benötigt, damit sich der Prüfling thermisch einschwingt und die Funktion überprüft werden kann.

Wärmestufen-Prüfung

Die Wärmestufen-Prüfung wird bei 20 °C Umgebungstemperatur begonnen, die in 10 K-Schritten erhöht wird, bis die obere Funktionsgrenze (Upper Operating Limit) der Temperatur erreicht wird. Danach wird die obere Zerstörungsgrenze (Upper Destruct Limit) bestimmt, wenn dies möglich ist. Die jeweilige Verweilzeit in jeder Stufe beträgt ungefähr 10 Minuten. Diese Zeit wird benötigt, damit sich der Prüfling thermisch einschwingt und die Funktion überprüft werden kann.

Temperaturwechselprüfung

Bei der Temperaturwechselprüfung wird zyklisch mit der maximal möglichen Heiz- und Kühlleistung zwischen zwei Ecktemperaturen hin- und hergefahren. Die Ecktemperaturen, die in dieser Prüfung verwendet werden, orientieren sich an den ermittelten Funktionsgrenzen (Lower- and Upper Operating Limit) der Temperaturstufen-Prüfungen. Der Prüfling muss hierbei permanent überwacht und auf Funktion überprüft werden. Zusätzlich kann bei den Ecktemperaturen der Prüfling ab- und angeschaltet werden, um zusätzlichen Stress zu erzeugen.

Vibrationsprüfung

Die Vibrationprüfung beginnt bei ca. 5 Grms und wird pro Schritt um 5 Grms erhöht, bis die Funktions- und Zerstörungsgrenze erreicht wird. Die Funktion des Prüflings muss während der ganzen Prüfung überwacht werden, zusätzlich wird über einen Beschleunigungssensor der einwirkende Vibrationsstress festgehalten. Die Haltezeit beträgt in jeder Stufe ca. 10 Minuten. Wird ein Vibrationslevel von 30 Grms und höher erreicht ohne das ein Fehlerbild aufgetreten ist, sollte die Funktion des Prüflings nochmals bei niedrigeren Stressleveln geprüft werden. Es besteht die Möglichkeit, dass Fehlerbilder, die durch hohe Vibrationslevel verursacht werden, nur bei geringeren Vibrationsleveln detektiert werden können.

Kombinierte Stressprüfung

Nachdem die einzelnen Stressprüfungen abgeschlossen sind, kann die kombinierte Stressprüfung, die sich aus der Überlagerung der Vibrations- und Temperaturwechselprüfung zusammensetzt, durchgeführt werden. Der Grund für die Wichtigkeit dieser kombinierten Stressprüfung liegt darin begründet, dass sich mit der Änderung der Temperatur das Vibrationsverhalten vieler Produkte ändert.


Abbildung 1: Schematische Darstellung der Funktions- und Zerstörungsgrenzen

Testergebnis und Ende

Ein HALT liefert die folgenden Kenngrößen, bezogen auf thermischen und mechanischen Stress, für ein Produkt:

  • Untere Funktionsgrenze (Lower Operating Limit)
  • Obere Funktionsgrenze (Upper Operating Limit)
  • Untere Zerstörungsgrenze (Lower Destruct Limit)
  • Obere Zerstörungsgrenze (Upper Destruct Limit)
  • Fundamentale technologische Grenzen (Fundamental Limit of Technology)


Die Funktions- und Zerstörungsgrenzen sind schematisch in der Abbildung 1 dargestellt. Es ist allerdings nicht immer möglich alle Grenzen zu ermitteln. In so einem Fall muss die Prüfzeit so bemessen sein, dass eventuell vorhandene Schwachstellen hätten ersichtlich werden müssen.

Kritik

  • Es gibt bei diesem Prüfverfahren keine Übereinstimmung zwischen den Testbelastungen und den späteren realen Beanspruchungen der Bauteile.
  • Im Gegensatz zu anderen Prüfverfahren ist diese Prüftechnik nicht normiert, somit sind die Prüfbedingungen nicht unabhängig reproduzierbar.
  • Ein wissenschaftliches Fundament für das Verfahren ist nur bedingt gegeben.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Fraunhofer IZM - Vötsch Sigma 500-24 (HALT/HASS)

Literatur

  • Gregg K. Hobbs: HALT and HASS Accelerated Reliability Engineering, Hobbs Engineering Corporation, Westminster, Colorado 2005, ISBN 0-615-12833-5
  • Harry W. McLean: HALT, HASS, and HASA Explained Accelerated Reliability Techniques, Amer Society for Quality, Revised Edition 2009, ISBN 978-0873897662
  • Arno Meyna, Bernhard Pauli: Zuverlässigkeitstechnik Quantitative Bewertungsverfahren, Carl Hanser Verlag, München 2010, ISBN 978-3-446-41966-7
  • Mark A. Levin, Ted T. Kalal: Improving Product Reliability: Strategies and Implementation, John Whiley & Sons, 2003, ISBN 978-0-470-85449-5
  • H. Anthony Chan: Accelerated Stress Testing Handbook: Guide for Achieving Quality Products, Whiley-IEEE Press, 2001, ISBN 978-0-7803-6025-9

Weblinks


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