Hilde Schramm

Hilde Schramm

Hilde Schramm (* 17. April 1936 in Berlin als Hilde Speer) ist eine deutsche Erziehungswissenschaftlerin, Soziologin, Publizistin und ehemalige Vizepräsidentin des Berliner Abgeordnetenhauses. Sie wurde international bekannt durch ihre Hilfe für Opfer des Nationalsozialismus.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Hilde Speer ist die Tochter von Margret Speer und des in der Zeit des Nationalsozialismus tätigen Architekten und Rüstungs- und Wirtschaftsministers Albert Speer, der beim Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher 1946 als Kriegsverbrecher zu zwanzig Jahren Gefängnis verurteilt wurde. Sie hatte fünf Geschwister, ihr Bruder Albert Speer junior ist Architekt und ein renommierter Stadtplaner. Aufgewachsen ist sie in Heidelberg, wo sie auch das Gymnasium besuchte. Als 16-Jährige erhielt Speer ein Stipendium, um in den USA zu studieren, aber die US-Regierung verweigerte ihr das Einreisevisum. Allerdings wurde diese Entscheidung zurückgenommen angesichts der Reaktion der mobilisierten Öffentlichkeit.[1] Als Speer 1952 als Austauschschülerin in den USA war, saß ihr Vater noch im Kriegsverbrechergefängnis Spandau ein. Von ihrer Familie vorgeschoben erreichte sie in Washington sogar eine Begegnung mit US-Außenminister Dean Acheson, bei der sie sich für eine vorzeitige Haftentlassung einsetzte. Auch fuhr sie 1960 nach London und Paris, um bei Regierungsstellen vorzusprechen. Auch bei Bundespräsident Heinrich Lübke, bei Kanzler Ludwig Erhard und beim Regierenden Bürgermeister von Berlin, Willy Brandt, wurde sie vorstellig. Letztlich scheiterten die Bemühungen ihrer Familie um eine vorzeitige Haftentlassung am Veto der Sowjetunion.

Schramm studierte Erziehungswissenschaften und Soziologie, machte mehrere Abschlüsse und promotivierte an der FU Berlin. An der TU Berlin habilitierte sie als Erziehungswissenschaftlerin. Im Jahr 1968 zog Schramm mit einigen befreundeten Familien in ein großes Haus in Berlin-Lichterfelde. Das herrschende Konzept der Kleinfamilie sollte überwunden werden und auch die strenge Trennung zwischen Beruf und Privatleben. Die Hauskommune funktioniert bis heute. Der Hausgemeinschaft gehört seit 1977 auch der frühere Tiergartener Bürgermeister Jörn Jensen an.

Sie war Mitglied der Alternativen Liste in West-Berlin, für die sie 4 Jahre lang im Berliner Landesparlament saß und dessen Vizepräsidentin sie 1989/90 ein Jahr lang wurde. Zum Eklat kam es, als sie sich weigerte, bei Beginn einer Plenarsitzung die Eröffnungsformel zu sprechen, nach der «die Mauer fallen» müsse. Als die Mauer kurze Zeit später tatsächlich fiel, gründete sie in Brandenburg die "Regionale Arbeitsstelle für Ausländerfragen" und war bis 1999 deren Leiterin. Schramm ist Mitbegründerin der "Stiftung Zurückgeben", die "jüdische Frauen in Kunst und Wissenschaft" fördert. Die Stiftung vergab bisher 30 Arbeitsstipendien und Projektzuschüsse.[2]

Sie ist außerdem aktiv im Behandlungszentrum für Folteropfer e.V. in Berlin-Moabit, einer Organisationen der freien Wohlfahrtspflege und Jugendhilfe. Sie ist Vorsitzende im Kuratorium der Internationalen Liga für Menschenrechte, das die Carl-von-Ossietzky-Medaille verleiht. Und sie unterstützt den Bundesverband Information & Beratung für NS-Verfolgte e.V. Seit Anfang 2004 ist Schramm Vorsitzende des Vereins "Kontakte/Kontakty", der bisher hunderten ehemaliger NS-Zwangsarbeiter und Kriegsgefangener half. Verheiratet war sie mit dem 1999 verstorbenen Ulf Schramm, Germanistikprofessor an der FU Berlin.

Ehrungen

Im Jahr 2004 erhielt Schramm den Moses-Mendelssohn-Preis, eine Auszeichnung zur "Förderung der Toleranz gegenüber Andersdenkenden und zwischen den Völkern, Rassen und Religionen" [3] des Landes Berlin für ihr Lebenswerk, insbesondere in Form der von ihr initiierten und unterstützten Projekte. Das Preisgeld in Höhe von 10.000,-€ gab sie an die Stiftung „Zurückgeben“ und an den Verein „Kontakte – Verein für Kontakte zu Ländern der ehemaligen Sowjetunion“. Die Preisverleihung fand am 6. September in der Französischen Friedrichstadtkirche am Gendarmenmarkt statt. Albert Meyer, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, protestierte gegen die Entscheidung der Jury, den Preis in der Synagoge Rykestraße zu übergeben, als Auftakt zu den Jüdischen Kulturtagen. Die Verdienste von Hilde Schramm seien unbestritten, aber es gebe eben auch Gefühle von Holocaust-Opfern, die zu respektieren seien. Die Preisverleihung erfolgte daraufhin im Französischen Dom am Gendarmenmarkt. Schramm erkannte an, dass in diesem Fall Gefühle vor der Vernunft kämen. Sie kommentierte: „In einer Synagoge ist mein Vater viel präsenter als an einem anderen Ort. Das möchte ich nicht. Es geht ja um meine Arbeit.“

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Freebase
  2. Stiftung Zurückgeben
  3. scienzz ticker 28. Juni 2004

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