Hirschhof

Hirschhof

Der Begriff Hirschhof bezeichnet einige der zusammenhängenden Hofanlagen an der Ecke Oderberger Straße und Kastanienallee im Ortsteil Prenzlauer Berg des Berliner Bezirks Pankow. Die Anlage ist auch als Paradiesgarten bekannt.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Vorgeschichte

Der heutige Hirschhof befindet sich dort, wo bis zum Zweiten Weltkrieg das Gelände einer Käserei in der Oderberger Straße zu finden war.[1] Zwar blieb Prenzlauer Berg überwiegend von den Bombenangriffen der Alliierten verschont, die Käserei wurde jedoch zerstört. Der Straßenblock lag zu Zeiten der DDR an einer sensiblen Stelle, da in unmittelbarer Nähe die Berliner Mauer verlief. Die Altbauten waren zunehmend verfallen. Die Behörden planten daher den Abriss des Straßenblocks, um hier Plattenbauten zu errichten. Die Anwohner wehrten sich jedoch erfolgreich gegen diese Pläne.[2]

Entstehung

Auf Initiative der Wohnbezirksausschüsse wurden nun einige Hofabschnitte zusammengelegt. Es entstand 1982 ein kleiner Park, der von den Anwohnern angelegt wurde.[2] Hierzu steuerte der Rat des Stadtbezirks etwa eine Million Ostmark bei. Im Sommer 1985 fand dann die Eröffnung des Hirschhofes statt.[1] Er erlangte bei den Anwohnern bald als Grünfläche inmitten des dichtbebauten Gebiets an der Nahtstelle von Mitte und Prenzlauer Berg große Beliebtheit und galt als Stadtteiltreffpunkt. In der Nähe fanden sich damals kaum Parkanlagen. Der Zeit der Entstehung dieses Paradiesgartens wird in Daniela Dahns bekannter Prenzlauer Berg-Tour (1987) ein eigenes Kapitel gewidmet. Sie schildert darin die Funktion des Hofes als Treffpunkt der Halbstarken.[3]

Treffpunkt des Untergrunds

Ein Hirsch aus Metallschrott ist namensgebend für den Hirschhof

Namensgebend für den Hirschhof wurde eine bunt bemalte Konstruktion aus Metallschrott der Künstler Anatol Erdmann, Hans Scheib und Stefan Reichmann, die einen Hirsch darstellt. Unter ihm führt heute ein Weg hindurch. Weitere Kunstwerke entstanden, darunter eine Sitzgruppe aus Obst und Gemüse, Fliesen, ein Indianerpfahl und Fische. Im Hirschhof gab es zu DDR-Zeiten auch eine Kulturbühne.[2] So entwickelte sich der Hirschhof bald zu einem Treffpunkt der Untergrundkultur Ostberlins, zu der viele Regimegegner gehörten. Die Staatssicherheit führte in der Folge eine Akte „Hirschhof“.[1] Jährlich fand das Hirschhoffest statt. Es gab eine Freiluftbühne mit verschiedenen Aufführungen von Opfern und unentdeckten Mitarbeitern der Stasi. Protegiert wurde das Projekt von Erhard Tapp, dem Vorsitzenden des örtlichen Wohnbezirksausschusses.[4]

Trümmerblöcke

Angeblich aus dem Berliner Stadtschloss stammende Trümmerteile im Jahr 1990; Künstler holten sie von einer Müllhalde im Ahrensfelder Wald
Blick auf den vierten Hinterhof der Kastanienallee 12 im Jahr 1990, der von Künsterln zu einer abenteuerlichen Spielplatz-Oase gestaltet wurde

Im Umfeld des Spielplatzes findet sich auch heute noch eine Reihe von Trümmerblöcken, die in den Spielplatz eingebettet sind. Früher ist davon ausgegangen worden, dass es sich hierbei um Teile des Berliner Stadtschlosses handele, das 1950 von der DDR-Regierung gesprengt wurde. Dieses Gerücht bescherte der Oderberger Straße Touristenströme. Laut der Kunsthistorikerin Gabi Ivan handelt es sich hierbei jedoch um Trümmer des Berliner Doms, die von den Hirschhofinitiatoren aus der Deponie an der Falkenberger Chaussee geholt wurden.[2]

Nachwendezeit

Die Häuser der Straßen um den Hirschhof waren beim Fall der Mauer in einem schlechten Zustand oder waren gar unbewohnbar, wiesen jedoch einen Charakter der Gründerzeit auf. Mit der Zeit fanden sich Investoren, die einige der Häuser nach und nach sanierten. Allerdings stiegen dadurch auch die Mietpreise stark an. Mit der Aktion Wir bleiben alle (WBA) konnte man sich jedoch gegen Luxussanierungspläne wehren, die den Hirschhof womöglich bedroht hätten. Der Bezirk sanierte den Hof für 50.000 Euro.[2]

Lage

Wenn offen verspricht der Zugang über die Kastanienallee 12 den Blick auf charakteristische Innenhöfe

Teile des Hirschhofs sind stets über die Zufahrt neben der Oderberger Straße 19 zugänglich. Von hier kann zumindest eine größere Freifläche des Hirschhofs und von dort auch der Spielplatz betreten werden, auf dem sich auch der namensgebende Hirsch befindet und der den Kern des Hirschhofs ausmacht. Ein Teil der angrenzenden Hinterhöfe ist nicht immer zugänglich, da sie sich zwischen einer unscheinbaren Metalltür am Ende des Spielplatzes und der Eingangstür Kastanienallee 12 befinden. Beide Türen sind häufig für die Öffentlichkeit versperrt. Seltener besteht auch ein Durchgang über das Privatgelände einer Reparaturwerkstatt in der Eberswalder Straße. Zwischen Oktober 2004 und Ostern 2006 war der Hirschhof auf Druck der Hausbesitzer geschlossen worden. Vorher war der Hirschhof auch durch das Haus Oderberger Straße 15 zugänglich.

Im November 2010 war eine Berufungsklage des Bezirksamts Pankow anhängig: die Besitzer der angrenzenden Häuser hatten in erster Instanz erreicht, dass ein Teil des Geländes eingezäunt werden darf; das Bezirksamt hingegen will die Anlage der Allgemeinheit erhalten.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b c Stefan Strauß: Geschlossene Gesellschaft, Berliner Zeitung vom 21. Juli 2005 (Onlineversion).
  2. a b c d e Annette Kuhn: Der geheime Garten, Berliner Morgenpost vom 17. September 2006 (Onlineversion).
  3. Daniela Dahn: Prenzlauer Berg-Tour. Berlin 1987/2001. ISBN 3871344303.
  4. Der Geheime Garten. Geschichte und Zukunft des Hirschhofs, Gespräch in Oya 9/2011 (Onlineversion).
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