Hugo Höppener

Hugo Höppener

Fidus (bürgerlich Hugo Reinhold Karl Johann Höppener[1], * 8. Oktober 1868 in Lübeck; † 23. Februar 1948 in Woltersdorf) war ein deutscher Maler und Illustrator.


Inhaltsverzeichnis

Leben

Hugo Höppener wurde als Sohn eines Konditors in Lübeck geboren. Ostern 1887 wurde er von seinen Eltern auf die Vorschule der Münchner Akademie geschickt. Nach nur drei Monaten verließ er die Akademie und wurde Schüler des Malers und Naturapostels Karl Wilhelm Diefenbach (1851–1913) in Höllriegelskreuth an, von dem er seine stilistische Prägung und den Künstlernamen „Fidus“ (Der Getreue) erhielt. Er verschrieb sich den lebensreformerischen Ideen des Vegetarismus, der Lichtgläubigkeit, der Freikörperkultur und einer naturgemäßen Lebensweise. Anarcho-sozialistische Vorstellungen von Bodenreform und vegetarischer Pazifismus beherrschten die Geisteswelt des jungen Fidus. So war Fidus unter anderen Mitglied der lebensreformerischen Verbände Deutsche Gartenstadtgesellschaft, des Bundes Deutscher Bodenreformer sowie Mitglied im Bund für allseitige Lebensreform des gesamten Deutschtums, im Verein für Körperkultur und im Deutschen Verein für vernünftige Leibeszucht.[2]

1889 setzte Fidus sein Studium an der Münchner Akademie fort. Die Bekanntschaft mit dem Theosophen Wilhelm Hübbe-Schleiden führte zur Mitarbeit als Illustrator der Zeitschrift Sphinx.[1] Fidus vertrat fortan eine mystische Naturreligion und setzte sich für Ideen einer Sexualreform ein. Der spezifische Jugendstil seiner Bilder wurde fortan mit esoterischen Symbolen - Lotosblüten, Eiformen, Kreuzen und Sonnenzeichen - angereichert. Die zyklische Kreisstruktur des Lebens, die Rückkehr des Mannes in den göttlichen Mutterschoß, die Verschmelzung der Geschlechter und die Erlösung durch das Licht waren immer wiederkehrende Bildmotive. Zudem entwarf er Pläne zu gigantischen Tempelanlagen für eine neue Natur- und Lichtreligion, in denen sich das Volk zur Andacht versammeln sollte. Sein berühmtestes Bild wurde das in mehrfacher Ausfertigung, erstmals 1908, entstandene „Lichtgebet“. Es zeigt einen jungen, schlanken, fast androgynen Mann auf einem Berggipfel, die Arme in Form einer Lebensrune spreizend und die Sonne anbetend. Dieses Bild wurde zur Ikone der Jugendbewegung.[3]

Anfang der 1890er-Jahre unternahm Fidus Reisen nach Norwegen, in die Schweiz, Istrien und Italien. 1892 ließ er sich in Berlin nieder und fand dort Kontakt zur literarischen Bohème, etablierte sich als Illustrator und wurde Mitarbeiter der neu entstandenen literarisch-künstlerischen Zeitschriften Pan, Simplicissimus und Jugend.[1] In Berlin trat Fidus auch der Theosophischen Gesellschaft bei und war Mitbegründer einer theosophischen Loge[4] (vermutlich Esoterischer Kreis oder D.T.G.).

Fidus' erste Ausstellung fand 1883 statt.[1] Neben seinen grafischen Arbeiten, die den nackten Menschen ohne die üblichen allegorischen oder mythologischen "Verkleidungen" präsentierten, malte Fidus Landschaftsbilder, in denen er Eindrücke seiner erstmals 1894 unternommenen Nordlandfahrten verarbeitete; seit 1903 veranstaltete er zur Präsentation seiner Bilder Lichtbildvorträge.[1] Um 1900 war Fidus einer der bekanntesten Maler Deutschlands.

Beachtliche Kontakte bestanden zum intellektuellen Umfeld dieser Zeit, beispielsweise zu Willy Pastor oder Arthur Moeller van den Bruck, ebenso zum Friedrichshagener Dichterkreis, zu dem Heinrich und Julius Hart sowie Gustav Landauer gehörten. Er hielt zudem engen Kontakt zur Gartenstadt-Bewegung, zur Bodenreform-Bewegung und zum Wandervogel. 1912 gründete er den Sankt-Georgs-Bund, der sich gegen den „Drachen des Materialismus“ wenden sollte.

Fidus illustrierte zahlreiche Bücher. 1905 erschien die Maifestsondernummer der sozialdemokratischen Zeitschrift „Vorwärts“ mit einem von Fidus entworfenen Titelblatt. 1906 erhielt Fidus die finanziellen Mittel zur Errichtung eines selbst entworfenen Ateliers, das in der Woltersdorfer Villenkolonie Schönblick östlich von Berlin erbaut und ab 1908/1909 um einen Wohntrakt erweitert wurde; dort wohnte er mit seiner Frau Elsa, seinen beiden Kindern, der mit Elsa befreundeten Dichterin Gertrud Prellwitz sowie Franz Bernoully.[5] Das Haus "wurde zu einer Art Wallfahrtsort der Reformbewegung."[6]

Als 1914 der erste Weltkrieg ausbrach, hatte sich Fidus durch den Einfluss von Wilhelm Schwaner völkischen Vorstellungen zugewandt. Allerdings sprach er sich gegen den allgemeinen Hurra-Patriotismus aus, forderte statt dessen, dass Deutschland sich von kulturellen Fremdeinflüssen freimachen sollte, um eine moralische Mission für die Welt zu erfüllen. Nach 1918 verlor Fidus an künstlerischem Einfluss, auch materiell ging es ihm schlechter. Er machte für diese Misere den künstlerischen Internationalismus (Expressionismus, Dadaismus und „Neue Sachlichkeit“) und die kapitalistischen Vermarktungstendenzen verantwortlich.

1932–1945

1932 trat Fidus in die NSDAP ein. Doch bereits 1925 hatte er sich in der Schrift „Den Rasse-Raßlern“ gegen die Utopie einer „Reinrassigkeit“ gewandt. Die Deutschen seien demnach historisch ein Mischvolk, und es komme nur auf die seelische Durchsonntheit des Menschen an, nicht auf Rassemerkmale. Trotz Hoffnungen in die neue Staatsführung, trotz Bittbriefen an Hitler und Goebbels, seine Tempelkunst finanziell zu unterstützen, wurde er von den neuen Machthabern weitgehend abgelehnt. Die SS-Zeitung „Das Schwarze Korps“ erwähnte ihn 1936 als Verkitscher nordischer Kunst. Sein Antrag auf Einführung der von ihm entwickelten „Neugermanischen Schrift“ wurde 1936 brüsk abgelehnt. Eine geplante Nürnberger Kunstausstellung zum Reichsparteitag 1936 platzte, weil sich Hitler beim Anblick bereits angetroffener Monumentalportraits so „angewidert“ gezeigt hatte, dass er befahl, sämtliche Werke zurückzuschicken.

1937 wurden Fidus-Mappen beschlagnahmt und der Verkauf von Fidusdrucken verboten. Hitler ließ zudem die Verbreitung seines von Fidus gemalten Porträts auf Postkarten verbieten. Zermürbt kritisierte Fidus die nationalsozialistischen Kulturfunktionäre als „Kulturbonzen“ und „Barbaren“. Stilistisch blieb er seinem unkonventionellen, in der Zeit sehr untypischen „weichen Jugendstil“ treu.

Nach 1945

Auch nach dem zweiten Weltkrieg vertrat er seine „lichtdeutschen“ Gedanken weiterhin. Um einen besseren Zugang zu Lebensmitteln zu gewinnen, malte Fidus im Auftrag der Sowjetunion Bilder von Stalin und Lenin sowie im Auftrag der SED Rudolf Breitscheid.[7] 1946 trat er der freireligiösen Gemeinde in Berlin bei und bekannte sich als Wähler der CDU. 1948 starb Fidus in Woltersdorf an einem Schlaganfall.

Nachlass

Ein Teil des Nachlasses von Fidus befindet sich im Archiv der deutschen Jugendbewegung, das zum Hessischen Staatsarchiv Marburg gehört. Er wurde 2005/2006 erschlossen und die darin enthaltenen Werke zum größten Teil digitalisiert. Ein anderer Teil des Nachlasses wird im Fidus-Archiv der Berlinischen Galerie aufbewahrt. Ein weiterer bereits erschlossener Teilnachlaß befindet sich in der Akademie der Künste in Berlin. Für Fidus interessant sind außerdem die Nachlässe der Fidus-Verleger Fritz Heyder (1882-1941), der sich ebenfalls in der Akademie der Künste befindet, und Max Bruns (1876-1945) im Kommunalarchiv Minden.

Einzelnachweise

  1. a b c d e Marina Schuster: Fidus. In: Handbuch zur "Völkischen Bewegung" 1871 - 1918. Hrsg. von Uwe Puschner, Walter Schmitz und Justus H. Ulbricht. Saur, München u.a. 1996, S. 904-905, hier: S. 904.
  2. Uwe Puschner: Die völkische Bewegung im wilhelminischen Kaiserreich. Sprache - Rasse - Religion, Darmstadt 2001, S. 167, ISBN 3-534-15052-X
  3. Marina Schuster: Fidus - ein Gesinnungskünstler der völkischen Kulturbewegung. In: Handbuch zur "Völkischen Bewegung" 1871 - 1918. Hrsg. von Uwe Puschner, Walter Schmitz und Justus H. Ulbricht. Saur, München u.a. 1996, S. 634-650, hier: S. 642.
  4. Deutsche Biographische Enzyklopädie & Deutscher Biographischer Index. CD-ROM, Saur, München 2001, ISBN 978-3598403606.
  5. Marina Schuster: Fidus - ein Gesinnungskünstler der völkischen Kulturbewegung. In: Handbuch zur "Völkischen Bewegung" 1871 - 1918. Hrsg. von Uwe Puschner, Walter Schmitz und Justus H. Ulbricht. Saur, München u.a. 1996, S. 634-650, hier: S. 641.
  6. Marina Schuster: Fidus. In: Handbuch zur "Völkischen Bewegung" 1871 - 1918. Hrsg. von Uwe Puschner, Walter Schmitz und Justus H. Ulbricht. Saur, München u.a. 1996, S. 904-905, hier: S. 905.
  7. Marina Schuster: Fidus - ein Gesinnungskünstler der völkischen Kulturbewegung. In: Handbuch zur "Völkischen Bewegung" 1871 - 1918. Hrsg. von Uwe Puschner, Walter Schmitz und Justus H. Ulbricht. Saur, München u.a. 1996, S. 634-650, hier: S. 644.

Literatur

  • Wolfgang de Bruyn (Hrsg.): Fidus. Künstler alles Lichtbaren, Berlin 1998
  • Janos Frecot, Johann Friedrich Geist, Diethart Kerbs: Fidus. Zur ästhetischen Praxis bürgerlicher Fluchtbewegungen. Erweiterte Neuauflage, Hamburg 1997
  • Michael Neumann: Fidus - Ikonograph der Jugend. In: Gerhard Ille, Günter Kohler (Hrsg.): Der Wandervogel. Es begann in Steglitz. Berlin 1987
  • Marina Schuster: Fidus - ein Gesinnungskünstler der völkischen Kulturbewegung. In: Handbuch zur "Völkischen Bewegung" 1871 - 1918. Hrsg. von Uwe Puschner, Walter Schmitz und Justus H. Ulbricht. Saur, München u.a. 1996, S. 634-650
  • Manfred Wedemeyer: Fidus - Magnus Weidemann, eine Künstlerfreundschaft 1920–1948. Kiel 1984
  • Claus-Martin Wolfschlag: Der Maler Fidus und die Bewertung seiner Arbeit im Licht der Nachkriegsforschung. In: Jahrbuch zur Konservativen Revolution. Wesseling 1994
  • Rainer Y: Fidus der Tempelkünstler. Phil. Diss., Göppingen 1985 (2 Bände)

Weblinks


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