Humanitär

Humanitär

Menschlichkeit oder Humanität (lat.: humanitas) hat zwei Bedeutungen: Zum einen die neutral-sachliche Sichtweise, die alles was Menschen zugehörig oder eigen ist beinhaltet. Zum anderen wird der Begriff häufig subjektiv-wertend benutzt, um diverse Wertvorstellungen des Humanismus zu umschreiben.

Inhaltsverzeichnis

Neutrale Sichtweise

Menschlichkeit im objektiven, wertfreien Sinn umfasst alles menschliche, also sämtliche – „gute“ sowie „böse“ - menschliche Taten, Sichtweisen, Eigenschaften, etc.Beispielsweise kann ein Haar eines Menschen vom Haar eines Tieres unterschieden werden, oder auch das Sprichwort „Irren ist menschlich“ verdeutlicht die neutrale Sichtweise.

Wertende, humanistische Sichtweise

Theorie einer „humanistischen Menschlichkeit“

Die vielen Philosophen des Humanismus grenzten aus dem allumfassenden und wertfreien Begriff Menschlichkeit anhand verschiedener moralischer Kriterien eine gewisse Teilmenge des menschlichen Verhaltens heraus. Sie nannten ihre selektierte Teilmenge - verwirrenderweise - ebenfalls „Menschlichkeit“.

Das Konstrukt dieser „wünschenswerten“ Menschlichkeit wurde kontrovers diskutiert, es ging um Themen wie „was den Menschen ausmache“ oder wie der Mensch sein solle. Das Ziel war friedvoller, gütiger, kultivierter Umgang. So sprach beispielsweise J. G. Herder davon, dass Menschlichkeit nur teilweise angeboren sei und nach der Geburt erst ausgebildet werden müsse: Die Bildung zu ihr sei „ein Werk, das unablässig fortgesetzt werden muß, oder wir sinken... zur rohen Tierheit, zur Brutalität zurück.“

Den Rang seiner Menschlichkeit könne ein Mensch - der Theorie nach - durch seine jeweiligen Taten verkleinern- oder vergrößern. Die humanistische Theorie zum Begriff Menschlichkeit umfasste „gute“ Ziele wie Taten der Güte, der Menschenliebe, der Nächstenliebe, der Barmherzigkeit und des Mitgefühls. Zum Vergleich: „Sich zu irren“ ist kein wünschenswertes Ziel der humanistischen Menschlichkeit.

Theorie einer angeblichen „Unmenschlichkeit“

Die wertende Theorie der Humanisten definierte also einerseits ein „wünschenswertes Verhalten“, andererseits ergab sich daraus ihr theoretisches Gegenstück: das „unerwünschte Verhalten“, die von Humanisten sogenannte „Unmenschlichkeit“ (lt. Inhumanitas). Beispielsweise stellte M.T. Cicero die Frage „Was macht einen Menschen zum Menschen?“ und antwortete sich “Der rücksichtslose Mensch, der sich für andere Menschen nicht interessiert“ sei „nicht human“, d.h. „unmenschlich“. Diese Zweiteilung in „Menschlichkeit und Unmenschlichkeit“ generierte ihre analogen Begriffe wie „Mensch und Unmensch“, ebenso Anhaltspunkte durch welche „guten bzw. bösen“ Taten man „Menschlichkeit bzw. Unmenschlichkeit“ erreichen könne, zudem die Frage „wer wann einen Mensch zum Unmenschen erklären darf“.

Zur Zeit des Nationalsozialismus führten die Nazis den Begriff „Herrenmenschen“ ein, auch benutzte der Volksmund Ausdrücke wie „Untermenschen“, „Übermenschen“ (z.B. bei sportlichen Leistungen) oder „Gutmenschen“. Im Vergleich zum Begriff „Untermensch“ ist der humanistische Begriff „Unmensch“ derber, da er einen Menschen nicht nur unterordnen möchte, sondern ihm sein Menschsein gänzlich abzusprechen versucht.

Zum Humanismus und dessen „Mensch und Unmensch“-Sichtweise, äußerte sich DDR Armeegeneral Erich Mielke, ehemaliger Minister für Staatssicherheit, folgendermaßen: Wir sind nicht davor gefeit, dass wir einmal einen Schuft unter uns haben. Wenn ich das schon jetzt wüsste, würde er ab morgen nicht mehr leben. Kurzer Prozess. Weil ich ein Humanist bin. Deshalb habe ich solche Auffassung. Lieber Millionen Menschen vorm Tode retten als wie einen Banditen leben lassen, der uns dann die Toten bringt, damit ich mal richtig erkläre, warum man so hart sein muss. Das ganze Geschwafel von wegen nicht Hinrichtung und nicht Todesurteil - alles Käse, Genossen. Hinrichten, wenn notwendig auch ohne Gerichtsurteil [1]

Helmuth Plessner kritisierte das Wertekonstrukt des Humanismus folgenderweise: Es habe die „überhebliche Auffassung“ andere Kulturen zu missionieren und „Menschlichkeit erst beibringen“ zu wollen.

Umsetzung humanitärer Grundsätze

Der Gedanke der Humanität umfasst die prinzipielle Gleichheit aller Menschen jeder Herkunft und jeden Geschlechtes, die allgemeine Menschenwürde und den Pazifismus (die Ablehnung des Angriffskrieges). Im weiteren Sinn beinhaltet Humanität auch religiöse und politische Toleranz und Achtung vor dem Mitmenschen und seinen Überzeugungen, im weiteren Sinn dann übertragen auch auf die menschliche Achtung vor Tieren und den menschenwürdigen, achtsamen und schützenden Umgang mit der Natur im allgemeinen.

Humanität ist die Grundlage der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts als Rechtsgrundsatz auf Ebene der Staaten, wie auch der Realisierung des Rechts innerhalb eines Staates. Im Zusammenhang mit den Verbrechen gegen die Menschlichkeit ist er von zentraler Bedeutung. In den Verfassungen der demokratischen Staaten ist die Humanität in den Gesetzen fest verankert (siehe etwa Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Österreichische Verfassung, Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, Verfassung Liechtensteins).

Humanität und das Konzept der Solidarität führt zum Begriff der Hilfsbereitschaft und deren Umsetzung als Hilfe:
Beispiele sind das Engagement in sozialen Einrichtungen wie der Caritas oder der Diakonie, zum Engagement in einer Hilfsorganisation für die Einhaltung der Menschenrechte, der Nachbarschaftshilfe, oder dem intrastaatlichen Prinzip der Hilfsbereitschaft und Nachbarschaftshilfe als Humanitäre Hilfe. Hier äussert sich der Wille zur Menschlichkeit als konkrete Hilfeleistungen wie Hilfsgüter, medizinische Hilfe, etc..

Im Gegensatz dazu ist zum Beispiel die unterlassene Hilfeleistung ein Verstoß gegen die Menschlichkeit. Die Strafgesetzbücher definieren die unterlassene Hilfeleistung als Straftatbestand. Damit drückt es die allgemein gültige Überzeugung einer Pflicht zur Menschlichkeit aus.

Geschichtliche Entwicklung

Für Cicero war es ein Begriff für die ganzheitliche Bildung des Menschen. In diesem Sinne wurden in der Renaissance die studia humanitatis betrieben. Daher wird auch vom Renaissance-Humanismus gesprochen.

Besonders in der Zeit der Aufklärung und der deutschen Klassik (Johann Gottfried Herder, Friedrich Schiller usw.) und nach dem Zweiten Weltkrieg lebte der Gedanke der Humanität neu auf.

Im Christentum und in anderen Religionen ist Nächstenliebe eine religiöse Pflicht. Diese Seite ist sehr ambivalent, da auch im Namen der Religion vermeintlich „gerechte Kriege“ geführt wurden bzw. werden. (Siehe auch: Heiliger Krieg)


Siehe auch

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Joachim Walther: Erich Mielke - ein deutscher Jäger.

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