Höhere Mädchenschule

Höhere Mädchenschule

Als Höhere Töchterschule, Höhere Mädchenschule und regional auch Lyzeum nach dem griechischem Lykeion bezeichnete man Ende des 19. Jahrhunderts in Deutschland eine Mädchenschule, vergleichbar mit der Sekundarstufe I, also der fünften bis zehnten Klasse des heutigen Schulsystems im deutschsprachigen Raum.

Obwohl August Hermann Francke 1698 die erste höhere Mädchenschule Deutschlands gegründet hatte, blieb die Erziehung von Mädchen eher privaten Bemühungen überlassen. Es gab Privatlehrer, Institute und Pensionate. Inhalte waren unter dem Einfluss der französischen Bildung auch Tanzen, Umgangsformen, Handarbeiten und französische Literatur. Auch Basedow formulierte unter dem Einfluss von Rousseaus „Emile“ die Bestimmung der Frau als Unterstützerin des Manns und Erzieherin der Kinder.

Der Begriff Höhere Töchterschule ist eine Zusammensetzung aus Höhere Schule und Töchter oder Mädchen. Als Höhere Schulen bezeichnete man damals Schulen, deren Unterricht über den der Elementarschule und Volksschulen hinausging und eine allgemeinere „geistige Bildung“ (Brockhaus 1896/1897) zum Ziel hatte. Höhere Töchter- oder Mädchenschulen waren demnach Höhere Schulen für Mädchen, die damals sogenannten „Töchter“.

Der Name Höhere Töchterschule wurde oft missverstanden als Schule für höhere Töchter – ein Missverständnis, das durch die Praxis der Mädchenschulbildung um 1900 allerdings mehr als nahelag. Denn der Besuch einer Höheren Töchterschule war zwar durch die allgemeine Schulpflicht (meist bis zum 14. Lebensjahr) halbwegs garantiert, das veranschlagte Ziel der allgemeineren „geistigen Bildung“ wurde jedoch nicht in allen Höheren Mädchenschulen gleich ausgelegt.

Das Hauptziel war die Vorbereitung der jungen Mädchen auf ihre späteren häuslichen Pflichten als Gattin und Mutter. Wohlhabendere (groß)bürgerliche und adlige Familien, die sich ein Schulgeld leisten konnten und denen es um eine etwas ernster zu nehmende Bildung ihrer Töchter zu tun war, schickten sie deshalb lieber in private Bildungsinstitute oder Mädchenpensionate, die den Anforderungen einer „Höheren Schule“ eher gerecht wurden. Töchter weniger gut gestellter Familien verließen die Höhere Mädchenschule häufig schon vorzeitig, sobald sie ihre Schulpflicht erfüllt hatten, weil andere häusliche Aufgaben auf sie warteten und Bildung in Bezug auf junge Frauen keinen hohen Stellenwert hatte.

Im Unterschied zu Gymnasien, den Höheren Schulen für Knaben, fehlte in den Höheren Mädchenschulen die studiumsvorbereitende Oberstufe, wie sie die heutige Sekundarstufe II bezweckt und der zu einem Hochschulstudium qualifizierende Abschluss des Abiturs. Die Höhere Töchterschule endete etwa mit dem 15. bis 16. Lebensjahr. Der Besuch eines Lehrerinnenseminars war lange Zeit die einzige Möglichkeit einer weiterführenden und berufsqualifizierenden Schulbildung für junge Frauen. Erst in den 1890er Jahren wurden vereinzelt spezielle Mädchengymnasien und -gymnasialkurse eingerichtet, die als Ersatz für die fehlende Oberstufe der Mädchenschule eintreten konnten.

Lyzeum im Ausland

Außerhalb Deutschlands wird der Begriff Lyzeum ebenfalls für Schulen benutzt, wobei es sich um Schulen mit anderen Organisationsformen und Bildungszielen handeln kann. So ist beispielsweise ein Lyzeum in Polen eine Oberschule für beide Geschlechter, die zum Abitur führt.

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