Hügelgräber im Illertal

Hügelgräber im Illertal

Die Hügelgräber im Illertal bei Tannheim sind eine Gruppe von über vierzig an vier Fundorten lokalisierten Hügelgräbern aus der jüngeren Hallstattzeit, rund 500 v. Chr. in Tannheim im Landkreis Biberach in Oberschwaben.

Inhaltsverzeichnis

Gräberfeld

Lageplan

Zwischen 1904 und 1909 wurden an dreiundzwanzig Hügelgräbern im Waldgebiet Härdtle Ausgrabungen vorgenommen. Initiiert wurden die Grabungen vom Gräflichen Haus von Schaesberg, auf dessen Grund die Hügelgräber auch heute noch liegen. Die Durchführung der Grabung und Auswertung übernahmen Max Geyr von Schweppenburg und Peter Goessler. Teile der Funde sind im Rathaus von Tannheim, der überwiegende Teil der Sammlung ist im Landesmuseum Württemberg in Stuttgart ausgestellt.

Die Ausrichtung und Lage der eisenzeitlichen Hügel zueinander ist unbestimmt und folgt keinem kosmischen oder wie auch immer gearteten religiösem, kultischem Schema. Eine astronomische Nutzung konnte nicht nachgewiesen werden. Einzelne Gruppen von Gräbern gehören durch ihre räumliche Nähe zusammen. Es besteht kein Zusammenhang zwischen der Größe des Grabes und der Anzahl der Grabbeigaben. Bei fünf Hügelgräbern handelt es sich um Wagengräber. Die gefundenen Wagen können nicht als Streitwägen oder einer sonstigen militärischen Verwendung zugeordnet werden. Sie waren reine eben nun als Wagengrab verwendete Gebrauchsgegenstände. Beim gut erhaltenen Wagen aus Hügel VIII ist es zweifelhaft, ob er eine Achse aus Eisen hatte oder sonstige Beschläge verwendet wurden. Der feuchte Grund nahe den Altarmen und dem alten Hauptbett der Iller taten ein übriges für den Zersetzungsvorgang an den Eisenteilen. Die Gegenstände sind vor allem Gebrauchsgegenstände, die dem Toten, auf seiner Reise ins Jenseits mitgegeben wurden. Die gefundenen Gefäße aus Bronze und das Zaumzeug aus Bronze weisen erhebliche Gebrauchsspuren auf. In Hügel IX fand sich eine eiserne Pflugschar. Bei zwei Toten fehlte der Kopf. In Hügel XII wurde eine Sitzbestattung durchgeführt. Dies ist schon rein äußerlich erkennbar, da das Grab höher ist. Eine einheitliche Positionierung der gefundenen Skelette, etwa in Nord-Süd Richtung, ist in der Nekropole nicht durchgehend erfolgt.

Das Fundgebiet liegt im Bereich der Westhallstattkultur. Man kann davon ausgehen, dass das Gräberfeld der schriftlosen Kultur der Kelten zuzuordnen ist. Zu Zeiten des römischen Reiches gehörte das Gebiet zwischen Alpen und Donau zu der römischen Provinz Raetia. Einige der dort unterworfenen Völker wurden von den Römern als Vindelici, andere als Raeter benannt. Die Vindeliker waren ein keltisches Volk, das von den Römern unterworfen wurde. Später in der Völkerwanderungszeit während der alemannischen Besiedlung verlieren sich ihre Spuren.

Bestattung

Position des Toten im Wagengrab

Die Bestattung der Toten erfolgte durchgehend unverbrannt und in voller Kleidung. Es wurden keine Skelette von Kindern gefunden. Ein Kultplatz an dem Menschen- oder Tieropfer dargebracht wurden ist nicht nachweisbar. In Hügel X und XX wurden Mehrfachbestattungen vorgenommen. In den restlichen dreiundzwanzig untersuchten Hügeln erfolgten Alleinbelegungen mit dem Toten. Vorbereitend wurde der Boden des Grabes mit Lehm bedeckt und hartgestampft (in acht Gräbern nachgewiesen) oder gebrannt (in fünf Gräbern nachgewiesen). Der Tote wurde nicht unter die Erde vergraben, sondern auf der Höhe des den Hügel umgebenden Niveaus beigesetzt. Die Toten wurden nach erfolgter Positionierung von einer lockeren Aufschüttungen bis höchstens vierzig Zentimeter bedeckt. Fünfmal wurde die Leiche in Südost-Nordwest-Richtung, einmal von Westen nach Osten, einmal von Südwesten nach Nordosten ausgerichtet. In Hügel XII saß der Tote von Nordnordost nach SüdSüdwest blickend. Bei den übrigen Gräbern konnte keine eindeutige Himmelsausrichtung festgestellt werden. Durchgehend lag die Leiche innerhalb des Hügels auf der Westseite, die Grabbeigaben standen in der Ostseite des Grabes. In acht Fällen lag der Tote auf einem Brett. In Hügel II, XIII und XI fand man ein gebrochenes Steingewölbe für den Toten vor. Im Hügel V lag der Tote in einem Holzsarg.

Die Aufschüttung wurde dann mit einer Schicht Lehm überzogen, unter der der Tote mit seinen Gebrauchsgegenständen und Kultusgegenständen lag. Auf dieser Schicht wurde ein Feuer entzündet, das den Lehm brannte. In sechs Gräbern fehlt diese gebrannte Lehmschicht. In Hügel VII, VIII und XIV bildeten Steine die Aufschüttung, in Hügel XXIII eine Schicht Holzkohle. Bei zwei Hügeln fehlte diese Schichten. In acht Gräbern wurde auf den Lehm eine Kiesschicht aufgeschüttet.

Kult und Sonstiges

Hügel XXII (Sitzbestattung)

Teilweise wurden die gefunden Grabbeigaben aus kultischen Gründen vor der Beerdigung zerschlagen. Fast immer finden sich drei Steine unter den Urnen, dessen kultisch-religiöse Bedeutung sich aber unserer heutigen Kenntnis entzieht. In den meisten Urnen wurden Reste von Getreidekörnern gefunden. Die keramischen Urnen wurden ohne Schutz der Erde anvertraut. Bronzegefäße standen eingehüllt in ein Geflecht und mit einem Brett zugedeckt. Die Grabhügel zeichnen sich durch eine Seltenheit an Waffen aus. Es ist die Periode des eisernen Langschwerts und der polychromen Keramik. Nadeln und Filbeln als Schmuck fehlen fast vollständig. Zahlreich ist der Pferdeschmuck und sonstige Gebrauchskeramik. Eine Kanne mit Stierkopf sticht hervor. Sie ist in ähnlicher Form bei den Hügelgräberfunden in Salem und in Hallstatt selbst nachgewiesen.

In den letzten einhundert Jahren wurden laufend weitere Funde aus noch älterer oder jüngerer Zeit gemacht. 1913 wurden in der Nähe der Viereckschanze römische Münzen gefunden. Von 1917 bis 1927 während des Baus des Illerkanals und des Stausees Tannheim stieß man auf Funde aus der Stein- und Bronzezeit. Ein aus Quarzitgestein gefertigter Stichel, verschiedene Beile und Nadeln konnten der Mittleren Steinzeit zugeordnet werden. In den Jahren 1885, 1910 und 1937 wurden während Bauarbeiten im Ortskern von Tannheim im Bereich der Hindenburg- und der parallel verlaufenden Alemannenstraße sowie im zuletzt 1997 ausgewiesenen Neubaugebiet Lech- Memminger Straße jüngere den Alamannen zugeordnete Reihengräber entdeckt. Während die im Baugebiet Am Egelseer Weg gemachten Funde (ein Messer, ein Kurzschwert, ein Schildbuckel usw.) auf die Zeit um 600 n. Chr. datiert werden konnten, stammte ein in der Hindenburgstraße aufgedecktes Grab einer Frau mit vielfältigen Beigaben (Perlen, Bronzeringe, Bügelfibel, Armspange, Beinkamm, Eisenschlüssel und -haken, Kristallkugel usw.) aus der Zeit um 680 bis 700 n. Chr.

Von den drei 1937 im Bereich der Alemannenstraße entdeckten Gräbern war dem männlichen Bestatteten neben zahlreichen Waffen ein vollständig eingezäumtes Pferd mit ins Grab gegeben worden.

Fundtabelle

Gegenstände I II III IV V VI VII VIII IX Hügel X XI XII XIII XIV XV XVI XVII XVIII XIX XX XXI XXII XXIII Summe
Bronzegefäße 5 2 5
Tongefäße 4 8 2 5 2 4 14 2 7 6 1 2 12 17 86
Schwerter 1 1 1 3
Ortband 1 1
Dolche 1 1
Messer 1 1 2
Lanzen 1 1 1 3
Gürtel 1 1 2 1 1 6
Gürtelschließen 1 1 1 3
Gürtelringe 1 2 3
Halsringe 1 1
Ohrringe 4 4
Haarringe 1 1
Bronzearmringe 4 2 9 4 2 5 2 2 30
Eisenarmringe 1 1
Lignitringe 1 1 2 2 6
Bronzefingerringe 2 2
Eisenfingerringe 2 2
Fußringe
Nadeln 1 2 3
Bernsteinperlen 5 5 27 5 42
Eisentrensen
Bronzetrensen 2 2 4
Geschirrknöpfe 7 31 5 6 1 50
Geschirrringe
Bronzezierstangen 4 4
Wagen 1 1 1 1 1 5
Pflugschar 1 1
Summe 6

Literatur

  • Karl Heinz Henning: Ausgrabungen in der Grabhügelgruppe zwischen Volkratshofen und Brunnen bei Memmingen: In: Memminger Geschichtsblätter Jahresheft 1973
  • Hilde Freifrau von Lupin: Randbemerkungen zu den Hallstattgräbern von Volkratshofen und Brunnen. In: Memminger Geschichtsblätter Jahresheft 1973
  • Wocher-Nestler: Das Gräberfeld von Tannheim und seine Stellung in der Hallstattkultur Südwestdeutschlands. ungedruckte Dissertation Tübingen 1966
  • Max Geyr von Schweppenburg, Peter Goessler: Hügelgräber im Illertal bei Tannheim. Neff, Esslingen a. N. (1910)

Weblinks

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