Hüstener Gewerkschaft

Hüstener Gewerkschaft

Die Hüstener Gewerkschaft ist ein ehemaliges schwerindustrielles Unternehmen im Sauerland (1839-1966). Der Hauptbetrieb lag in Hüsten (Walzwerk, Koks- und Stahlerzeugung), Tochterbetriebe in Bruchhausen (Stadt Arnsberg) (Walzwerk, Holzverkohlung), Brilon-Wald (Holzverkohlung), Soest (Walzwerk)

Geschichte und Entwicklung

Angezogen von ausreichend vorhandener Wasserkraft, einer relativ günstigen verkehrsgeografischen Lage sowie niedrigen Lohnkosten war unter der Firma Joseph Cosack & Co. 1839 ein Puddelwerk entstanden, das sich jedoch nicht lange halten konnte. Die Nachfolgegründung Hüstener Gewerkschaft im Jahr 1846 war wirtschaftlich erfolgreicher.

Beide Gründungen wurden getragen von Unternehmern und Investoren aus der Region und aus angrenzenden Gebieten (märkisches Sauerland und Ruhrgebiet). Dazu zählten zeitweise oder auf Dauer der Dortmunder Unternehmer Wilhelm Overbeck, die Neheimer Friedrich Wilhelm Brökelmann, Josef Cosack und das Iserlohner Unternehmen Kissing & Möllmann. Die Mehrheit der Anteile hielt seit den 1840er Jahren die Firma von Ferdinand Möllmann. Bis in die 1880er Jahre lag die eigentliche Leitung des Unternehmens in Iserlohn.

In einer ersten Wachstumsphase wurden dem Puddelwerk ein Walzwerk, ein Hammerwerk, eine Maschinenfabrik und weitere Betriebsteile angegliedert. Zu Beginn beschäftigte das Unternehmen etwa 80 Arbeiter, die Zahl stieg bis 1851 auf 335 Mann an.

Gegen die Standortvorteile der Industrie im Ruhrgebiet (Nähe der Steinkohlen-Bergwerke) konnte die Hüstener Gewerkschaft Mitte des 19. Jahrhunderts in ihrer bisherigen Form nicht konkurrieren. Die Zahl der Beschäftigten sank von 280 (1855) auf 98 (1863) ab.

Positiv wirkte sich in den folgenden Jahren nicht zuletzt der Anschluss an die Ruhrtalbahn (1870) aus. Das Mutterwerk wurde ausgebaut, es kamen Tochterbetriebe in Bruchhausen und Brilon-Wald hinzu. Im Jahr 1886 waren bereits 550 und 1895 750 Arbeiter beschäftigt. Im Vergleich mit den inzwischen zu Konzernen angewachsenen Unternehmen im Ruhrgebiet war das zwar eine bescheidene Beschäftigtenzahl, aber auf dem Gebiet des heutigen Hochsauerlandkreises gehörte das Unternehmen zu den größten Betrieben.

Hüstener Gewerkschaft (ehemaliges Kontorgebäude)

Aus vielfältigen Gründen endete die Wachstumsphase in den 1890er Jahren; die Belegschaftsentwicklung stagnierte. Nach der Jahrhundertwende begann ab 1905 eine neue Expansionsphase. Ähnlich wie die Ruhrgebietsunternehmen wurde die Hüstener Gewerkschaft zu einem gemischten montanindustriellen Großbetrieb ausgebaut. Man pachtete im oberen Sauerland Eisengruben, errichtete eine Kokerei, Hochöfen und errichtete einen Siemens-Martin-Ofen. Auch das Block- und Blechwalzwerk wurde ausgebaut. Die Belegschaftszahlen stiegen sprunghaft auf 1800 Mann (1911).

Der Ausbau erwies sich letztlich als Fehlinvestition. Es gab technische und Qualitätsprobleme sowie Überkapazitäten. Hinzu kam der kostspielige Zukauf des Walzwerks Gabriel & Bergenthal in Soest. Das als Aktiengesellschaft geführte Unternehmen war überschuldet und konnte nur mit Mühe saniert werden. Dazu diente u.a. der Verkauf der rentablen chemischen Holzverkohlungbetriebe in Bruchhausen und Brilon-Wald.

Im Ersten Weltkrieg profitierte das Unternehmen von der kriegsbedingten Nachfrage nach Produkten der Montanindustrie. Die Gewinne waren erheblich und die Belegschaftszahlen stiegen erneut an. Allerdings weckte dies auch die Begehrlichkeit einiger Ruhrgebietskonzerne, die bereits vor dem Krieg die meisten Walzwerke im Raum Olpe erworben hatten. Seit 1915 waren auch in Hüsten Verhandlungen der Unternehmensleitung mit Emil Kirdorf von der Gelsenkirchener Bergwerks-AG (GBAG) im Gang. Durch einen Aktientausch ging das Unternehmen 1916 in den Besitz der GBAG über. Seither war das Unternehmen nur noch ein Teilbetrieb in einem der größten deutschen Industriekonglomerate. Bereits in dieser Phase plante der neue Besitzer die Stilllegung nicht profitabler Betriebsteile und die Konzentration auf die Blechproduktion.

Dazu kam es zunächst freilich nicht. Vielmehr sorgte die Inflationskonjunktur in den ersten Jahren der Weimarer Republik ebenso wie die Einführung der 40-Stunden-Woche für einen erheblichen Anstieg der Belegschaftszahlen. Im Jahr 1922 waren schließlich über 3000 Mann beschäftigt. Nach der Stabilisierung der Währung zeigte sich bald, dass die bisherige Struktur der Hüstener Gewerkschaft kaum noch konkurrenzfähig war. Bereits 1925 wurden 400 Arbeiter entlassen.

Entscheidend für das Schicksal des Betriebes war allerdings die Fusion der GBAG mit einigen anderen Montanunternehmen zur Vereinigte Stahlwerke AG zu Beginn des Jahres 1926. Damit verbunden waren tiefgreifende Umstrukturierungs- und Rationalisierungsmaßnahmen. Im Zuge dieser Entwicklung wurde die bisherige Betriebsstruktur zerschlagen, zahlreiche Betriebsteile abgebrochen und die Produktion auf die Blechherstellung konzentriert. Damit sank auch die Zahl der Beschäftigten erheblich ab und lag im Jahr 1927 mit 1400 bei weniger als der Hälfte des Jahres 1922.

Im Jahr 1933 wurde der Betrieb dem Verbund der Siegener Hüttenwerke (im Besitz der Dortmund-Hörder Hüttenunion AG bzw. der Hoesch AG) angeschlossen. Im Zuge des montanindustriellen Strukturwandels nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Betrieb zunehmend unprofitabel und stellte 1966 den Betrieb ein.

Quellen und Literatur

Archivalische Quellen finden sich vor allem im Bestand des Westfälischen Wirtschaftsarchivs in Dortmund (WWA F65). Daneben auch im Archiv der Thyssen-Krupp AG in Duisburg.

  • Emmy Marke: Die Geschichte des Werkes Hüsten der Hüttenwerke Siegerland AG. Siegen 1949.
  • Walter Lwowski: Untersuchungen über das Schicksal der Hüstener Gewerkschaft. Dissertation, Berlin 1921.
  • Jens Hahnwald: Die Hüstener Gewerkschaft. Werk, Belegschaft und Gemeinde 1839–1926. In: Hüsten – 1200 Jahre. Beiträge zu Geschichte und Gegenwart. Arnsberg 2002, ISBN 3-930264-41-2, S. 239-251.

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