Ignatianische Exerzitien

Ignatianische Exerzitien

Ignatius von Loyola, der wichtigste Mitbegründer und Gestalter des Jesuitenordens, erlebte durch einen Unfall bei der Belagerung von Pamplona eine Bekehrung zu Christus. Aus der Erfahrung der damit verbundenen inneren Bewegungen begann er, die „geistlichen Übungen“ niederzuschreiben. Sie sind auf den Evangelien aufgebaut und führen durch vier Wochen anhand von Betrachtungen des Lebens Jesu zu einer radikalen Entscheidung für die Nachfolge Christi und die immer nach Größerem drängende Liebe, das „Magis“ zum immer größeren Gott.

Diese Exerzitien bilden eine geistesgeschichtliche Wende in der christlichen Spiritualitätsgeschichte. Sie beziehen erstmals ausdrücklich die Evangelien auf den Leser und führen in einen unmittelbaren Dialog zwischen Gott und Mensch. Theologiegeschichtlich ist dies mit der „Wende zum Subjekt“ vergleichbar. Ignatius verwendete die geistlichen Übungen, um sie Menschen in Not und auf der Suche „zu geben“. Auf diese Weise gewann er Freunde, die seine Gefährten wurden. Mit einigen dieser ersten Gefährten kam es zur Ordensgründung der Gesellschaft Jesu.

Gegenwart

Die ignatianischen Exerzitien waren jahrhundertelang in Vergessenheit geraten. Sie wurden im 20. Jahrhundert wiederentdeckt und werden seither von zahlreichen Ordensgemeinschaften und LaientheologInnen an andere vermittelt. Sie dienen als besonderes Werkzeug der Pastoral und der spirituellen Vertiefung. Häufig werden sie in einer an die konkreten Lebensumstände angepassten Form vermittelt, beispielsweise in Form von Exerzitien im Alltag. Diese bestehen in einer täglichen Betrachtung eines durch die Begleitperson vorgegebenen Evangelientext und einem wöchentliches Gespräch zur Reflexion der mit den Texten gemachten Erfahrungen. Dieser Prozess kann über mehrere Monate ausgedehnt werden.

Die klassische Form sind die 30-tägigen Exerzitien, die in Abgeschiedenheit mit täglich 4 oder 5 über den Tag verteilten Betrachtungszeiten von je einer Stunde gemacht werden.

Eine im Alltag eher praktikable Kurzform sind 8- oder 10-tägige Exerzitien, wie sie häufig in katholischen Bildungshäusern angeboten werden. In den letzten Jahren wurde im Kontext von interreligiösem Austausch die Möglichkeit der ignatianischen Exerzitien für Nicht-Christen entwickelt. Die Vermittlung an evangelische oder orthodoxe Christen ist bereits Praxis, wird aber seitens der orthodoxen Amtskirchen oft kritisch gesehen, weil die Exerzitien zu einer großen inneren Unabhängigkeit von menschlicher Autorität führen, insofern sie die Freiheit des Gewissens stärken.

Aus der Spiritualität der ignatianischen Exerzitien entstanden zahlreiche religiöse Ordensgemeinschaften: zuerst die Jesuiten, aber auch Frauenorden wie die Congregatio Jesu und die Missionarinnen Christi sowie vielfältige Laienbewegungen wie vor allem die Gemeinschaft Christlichen Lebens und die Ignatianischen Assoziierten.

Zeitschriften

Theologie und Praxis der Ignatianischen Exerzitien in der jesuitischen Tradition werden in Deutschland insbesondere durch zwei Zeitschriften weitervermittelt und vertieft: die „Korrespondenz zur Spiritualität der Exerzitien“ (Augsburg), hrsg. von der „Gemeinschaft Christlichen Lebens“ (GCL), und „Geist und Leben. Zeitschrift für christliche Spiritualität“ (Köln), hrsg. von der Deutschen Provinz der Jesuiten. Weitere Promotoren Ignatianischer Exerzitienpraxis sind: „Manresa. Revista de Espiritualidad Ignaciana“ (Madrid), „The Way. Review of Christian Spirituality“ (Oxford) und „Christus“ (Paris), alle drei werden vom Jesuitenorden herausgegeben.

Literatur

  • Andreas Schönfeld, Bibliographie zur Mystikgeschichte (Exerzitien: Nr. 4-14), in: Ders. (Hrsg.), Spiritualität im Wandel. Leben aus Gottes Geist. FS zum 75. Jahrgang von "Geist und Leben" - Zeitschrift für christliche Spiritualität. Echter Verlag, Würzburg 2002 [S. 445], ISBN 3-429-02473-0
  • Peter Köster/Hans Adriessen, Sein Leben ordnen. Anleitung zu den Exerzitien des Ignatius von Loyola. Herder Verlag, Freiburg, Basel, Wien 1991, ISBN 3-451-22327-9
  • Hans Zollner, Bibliographie, in: Ders., Trost - Zunahme an Hoffnung, Glaube und Liebe. Zum theologischen Ferment der ignatianischen "Unterscheidung der Geister". Verlagsanstalt Tyrolia, Innsbruck, Wien 2004 (= Innsbrucker theologische Studien; Bd. 68), 305-336, ISBN 3-7022-2607-9
  • Hans Zollner, Zunahme an geistlicher Tröstung (EB 316). Wesen und Kriterien der ignatianischen „Unterscheidung der Geister“, in: Geist und Leben 78 (2005), 264-279

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