Indie-Film

Indie-Film

Ein Independentfilm (auch: Indie oder Indie-Film) war ursprünglich ein Film, der außerhalb des US-amerikanischen Studiosystems produziert wurde, also ohne Finanzierung oder Vertriebsunterstützung durch eines der großen Hollywood-Studios 20th Century Fox, The Walt Disney Company, Viacom, Sony, Time Warner und NBC Universal. Der Independentfilm war also zunächst ein rein amerikanisches Phänomen, das mittlerweile aber auch in anderen Ländern Verbreitung gefunden hat.

Independentfilme sind zumeist „kleine“ Filme: Sie sind mit geringem Geldeinsatz und unter hohem Zeitdruck hergestellt, dafür gehen sie kreativ mit ihren Geschichten um und erzählen, ohne den Hollywood-Erzählmustern zu folgen.

Er entstand aus einer Unzufriedenheit einiger Filmemacher, die sich von den großen Studios zu sehr gegängelt fühlten und die ihre künstlerischen Ideen verwirklicht sehen wollten. Sie machten sich auf die Suche nach anderen Finanziers und anderen Distributionswegen, um ihre Filme produzieren zu können.

Inhaltsverzeichnis

Entwicklung

Bereits 1919 gründeten Charles Chaplin, D. W. Griffith und einige andere Schauspieler die Filmgesellschaft United Artists, die den Vertrieb unabhängiger Filmproduktionen ermöglichen sollte. Bekannte Regisseure, die ihre künstlerischen Visionen unabhängig vom Einfluss anderer umsetzen wollten, waren Orson Welles, Samuel Fuller und Nicholas Ray. Sie wurden für diese Bemühungen häufig von Hollywood geschnitten und mussten auf Finanziers in Europa zurückgreifen, um ihre Projekte verwirklichen zu können. Welles übernahm auch Rollen in zahlreichen Filmen oder arbeitete seine Schulden ab, indem er etwa Die Lady von Shanghai für Columbia Pictures inszenierte.

Als Vater des modernen Independentfilms gilt John Cassavetes. Er beeinflusste vor allem die Arbeitsweise der Filmemacher während des New Hollywoods in den 1970ern, in dessen Ära sehr viele Filme nach heutigen Maßstäben einem Independentfilm entsprachen.

Eine weitere Inspirationsquelle war das Konzept der sogenannten auteurs in Frankreich, die – wie etwa Jean-Luc Godard – sowohl die Drehbücher verfassten und Regie führten. Ebenfalls beeindruckend erschien den Filmemachern die Kompromisslosigkeit des italienischen Neorealismus, für dessen Vision Regisseure wie Roberto Rossellini auch große finanzielle Folgen hinnahmen. So gründeten Francis Ford Coppola und George Lucas eigene Studios und Firmen, um sich die größtmögliche Unabhängigkeit zu sichern. Während dies Lucas auch gelang und er die Produktion aller Star-Wars-Filme alleine kontrollierte, musste Coppolas American Zoetrope später verkauft werden und der Regisseur sich bis heute mit Auftragsarbeiten über Wasser halten.

Nachdem die Hollywood-Studios durch den Erfolg von Rocky, Der weiße Hai und Krieg der Sterne am Ende der 1970er wieder sicheren Boden unter sich spürten und sich daran machten, mittels Blockbustern, Fortsetzungen und Camp-Filmen ein ganz auf den kommerziellen Erfolg hin ausgerichtetes Kino zu produzieren, erlebte das künstlerisch orientierte New-Hollywood-Kino einen Niedergang. Symbolisch hierfür stehen die kommerziellen Desaster des Boxerfilmes Wie ein wilder Stier – im Gegensatz zum wesentlich glatteren Rocky – sowie des Western Heaven’s Gate, der zum Konkurs von United Artists führte.

Die Indies

Der Begriff Independentfilm entstand erst in den 1980ern, als die nächste Generation junger Regisseure begann, abseits der Studios ihre Filme zu realisieren, die sich als inhaltlich und formal eigenständig erwiesen und eine explizite Gegenbewegung auslösten: John Sayles Die Rückkehr nach Secaucus kostete 1980 60.000 Dollar und erzielte Bruttoeinnahmen von zwei Millionen Dollar. Jim Jarmusch spielte 1984 mit Stranger Than Paradise zweieinhalb Millionen Dollar ein, Spike Lees She's Gotta Have It sogar über sieben Millionen.

Ab Mitte des Jahrzehnts erhielten die Indies mit Filmen wie Der Kuss der Spinnenfrau, Zimmer mit Aussicht oder Platoon einen regelmäßigen Platz bei den Oscar-Verleihungen. Steven Soderberghs Sex, Lügen und Video lief 1989 als erster Indie-Film in Multiplex-Kinos. Reservoir Dogs öffnete folgend das Independentkino dem Genrekino und zog ein ganz neues Publikum an. Tarantinos Nachfolger Pulp Fiction sorgte mit seinem überraschenden Millionenerfolg dafür, dass die Studios sich für die billigen, aber renommeeträchtigen Indies zu interessieren begannen.

Vermischung mit Hollywood

Nach dem großen künstlerischen und finanziellen Erfolg einiger Independentfilme begannen die großen Hollywoodstudios Anfang der 1990er Jahre, Independentproduktionen aufzukaufen bzw. eigene Abteilungen für die Produktion von Independentfilmen zu gründen. So kaufte The Walt Disney Company 1994 das Independentstudio Miramax auf. Deren umstrittene Gründer Harvey und Bob Weinstein, die mit ihrer auf aggressiver Vermarktung setzende Firmenpolitik die Indie-Szene wesentlich veränderten, verließen ihre eigene Firma mittlerweile und gründeten 2005 das Filmstudio The Weinstein Company. 20th Century Fox gründete das Label Fox Searchlight Pictures. Seit 1999 engagierte sich Metro-Goldwyn-Mayers (MGM) Tochterunternehmen United Artists ebenfalls auf dem Independentfilmmarkt. MGM gehört mittlerweile zu 20 % Sony.

Auf diese Weise verwischte die Grenze zwischen den von den in Hollywood angesiedelten großen Filmstudios und den alternativen Filmproduzenten immer mehr. Gehobene Mainstream-Filme wie Shakespeare in Love und Der englische Patient wurden von Miramax vertrieben. Klassische Indies haben es insbesondere nach dem durch Miramax ausgelösten Boom immer schwerer, unabhängig zu bleiben.

Außerhalb der USA

Inzwischen werden allgemein Filme als Independentfilm bezeichnet, wenn sie versuchen, mit wenig Geld eine künstlerisch ambitionierte Idee umzusetzen, unabhängig davon, aus welchem Land sie kommen und welcher Finanzier hinter der Produktion steht.

In Deutschland begann mit dem Jungen Deutschen Film und dem hiervon inspirierten Oberhausener Manifest ab Beginn der 1960er eine Neuorientierung des Films, die um eine realistische Darstellung der Gegenwart und Gesellschaft bemüht war. Deren Filmemacher bemühten sich um eine finanzielle und geistige Unabhängigkeit und setzten sich bewusst in Gegensatz zum damaligen Mainstream. Hierzu gehören vor allem Rainer Werner Fassbinder, Wim Wenders, Volker Schlöndorff, Werner Herzog, Jean-Marie Straub, Alexander Kluge und Eberhard Fechner. Diese Hochzeit des deutschen Films fand ihr Ende etwa zeitgleich wie ihre amerikanischen (New Hollywood) und britischen (Free Cinema Movement) Pendants.

Zur Zeit bietet Das kleine Fernsehspiel vor allem jungen Filmemachern im Fernsehen eine Plattform für günstige, engagierte Filme. Eine herausragende Rolle für den deutschen Independentfilm spielt der X-Filme Creative Pool, eine deutsche Film- und Fernsehproduktionsfirma, die ursprünglich von den Regisseuren Tom Tykwer, Dani Levy und Wolfgang Becker sowie dem Produzenten Stefan Arndt gegründet wurde. Seit Juni 2007 steht eine von dem deutschen Filmregisseur Thomas Bohn initiierte Webplattform online. Indie-Stars bietet deutschen, österreichischen und schweizer Filmemachern ein Forum für ihre ohne Förderung und Fernsehgelder produzierten Filme. Entsprechend der finanziellen Ausstattung deutscher Filmfestivals konzentrieren sich die meisten auf Indies. Die bekanntesten sind die Internationalen Hofer Filmtage, das Internationale Filmfest Oldenburg sowie das in Saarbrücken beheimatete Filmfestival für Nachwuchsfilmer aus Deutschland, Österreich und der Schweiz, in dessen Rahmen jährlich der renommierte Max-Ophüls-Preis vergeben wird.

Vor allem in skandinavischen Kinos propagierte Dogma 95 ein Kino fernab der auf Effekten bedachten, wirklichkeitsfernen Realitätsfluchten.

Die wichtigsten Festivals für Independentfilme sind das Sundance Festival und das Cannes Film Festival. Als international bedeutendste Filmpreise in diesem Bereich gelten der amerikanische Independent Spirit Award sowie die British Independent Film Awards.

Literatur

  • Peter Biskind: Sex, Lies & Pulp Fiction: Hinter den Kulissen des neuen amerikanischen Films. Rogner & Bernhard, 2005, ISBN 3-8077-1004-3.

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