Inselbahn Wangerooge

Inselbahn Wangerooge
Wangerooger Inselbahn
Inselbahn nahe dem Westanleger
Inselbahn nahe dem Westanleger
Kursbuchstrecke (DB): 10007
Streckennummer: 1542 (Wangerooge–Westanleger)
1543 (Saline–Westen)[1]
1545 (Wangerooge–Ostanleger)
Streckenlänge: 5,9 km
Spurweite: 1000 mm (Meterspur)
Höchstgeschwindigkeit: 20[1] km/h
Legende
Ostanleger
Bahnhof alt
ehem. Ortsdurchfahrt
Bahnhof neu
zur Müllpressstation
Saline
Westen
Steindamm
(West-)Anleger

Die eingleisige Wangerooger Inselbahn ist eine nicht elektrifizierte Schmalspurbahn[1] mit einer Spurweite von 1000 mm auf der Ostfriesischen Insel Wangerooge. Sie ist das wichtigste Verkehrsmittel der Insel und heute die einzige von der Deutschen Bahn betriebene Schmalspurbahn.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

1897–1920

Die Wangerooger Inselbahn wurde 1897 in der heutigen Spurweite von 1000 mm eröffnet. Betreiberin war die Großherzoglich Oldenburgische Eisenbahn (GOE). Der Betrieb wurde von Beginn an mit Dampflokomotiven, nicht als Pferdebahn wie auf einigen benachbarten Inseln, durchgeführt. Die Strecke führte vom neu erbauten Anleger im Südwesten der Insel in das Zentrum des Inseldorfs in der Inselmitte. Für die 3,5 Kilometer lange Strecke brauchte ein Zug etwa 20 Minuten bei einer Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h. Diese Zeiten sind auch heute noch gültig, wenn sich auch die Trasse mehrfach geändert hat. 1901 wurde eine 1,9 Kilometer lange Stichstrecke von der auf halber Strecke liegenden Saline in den Westen der Insel von der Marine erbaut, um dort militärische Stützpunkte anzuschließen.

1905 wurde als zweiter Anleger der Ostanleger errichtet und durch eine 5,4 Kilometer lange Schienenverbindung mit dem Bahnhof im Inseldorf verbunden. Um den wachsenden Verkehrsströmen gerecht werden zu können, wurde 1906 ein neuer, groß dimensionierter Bahnhof am damaligen Südrand des Dorfes erbaut. Die zwei Gleise wurden von einer Bahnhofshalle überspannt. Dieser Bahnhof besteht im Wesentlichen auch heute noch.

1912 wurde ein neuer Westanleger, der etwas östlich des alten Westanlegers lag, in Betrieb genommen. Er wurde durch eine neue, etwa parallel zur bisherigen Strecke verlaufende Trasse mit dem Abzweig Saline verbunden. Der andere Anleger im Südwesten wurde außer Betrieb genommen und die zugehörige Bahnstrecke abgebaut. Der Zweck dieser Maßnahme war ein Ausbau Wangerooges als Festung mit einem leistungsfähigen Bahnnetz. Im Verlauf des Ersten Weltkriegs wurden dazu zahlreiche Anschlussgleise zu militärischen Einrichtungen gelegt. Es gab auf der kleinen Insel bis zu vier Abschnitte der Inselbahn mit maximal 24 Anschlussgleisen.

1920–1945

1920 kam die Inselbahn im Zuge der Zusammenfassung der Länderbahnen zur Deutschen Reichsbahn.

Dort wurden die zuvor als Oldenburgische B bezeichneten Dampflokomotiven als Baureihe 99 geführt, eine Sammelbezeichnung für Schmalspurdampflokomotiven. Mitte der 1920er Jahre wurde an der Saline ein Gleisdreieck eingerichtet, das wiederum vor allem militärische Zwecke hatte, beispielsweise den schnelleren Transport von Geschützen. Dieses Gleisdreieck wurde mehrfach umtrassiert und schließlich 1969 abgebaut. Ebenfalls Mitte der 1920er Jahre wurden die ersten vierachsigen Personenwagen angeschafft, und zweimal pro Woche fuhr ein Kaffeezug vom Dorfbahnhof zum Bahnhof Westen und zurück.

Die Zahl der Kurgäste (und damit Fahrgäste) stagnierte um 1930 auf niedrigem Niveau, stieg aber bis 1939 auf das Sechsfache (65.500), von denen zwei Drittel über den Ostanleger anreisten.

Von 1939 bis 1952 fuhr eine Kastendampflok 99 081 auf Wangerooge, die wegen der Hitzeentwicklung im Führerstand vom Personal „Treibhaus“ genannt wurde.

Während des Zweiten Weltkriegs war Wangerooge erneut von hoher strategischer Bedeutung, da die Insel im Mündungsbereich der Weser und in der Nähe der damals kriegswichtigen Stadt Wilhelmshaven liegt (siehe: Militärische Geschichte Wangerooges). Am 25. April 1945 kam es zu einem schweren Luftangriff auf Wangerooge mit erheblichen Bombardierungen. Dabei wurden auch die Strecke zwischen Saline und Dorf, die Bahnhofshalle sowie zahlreiche Personen- und Güterwagen zerstört.

Seit 1945

Die zerstörte Strecke wurde nach Kriegsende wieder aufgebaut. 1952 begann die nunmehr federführende Deutsche Bundesbahn mit der Einführung von Diesellokomotiven. Erste Diesellok war eine Gmeinder-Lok. 1957 war der Traktionswechsel abgeschlossen. 1955 wurde auch eine kleinbusartige Draisine beschafft.

329 502 im Jahr 1983 am Anleger Wangerooge

Die Zahl der Passagiere, die am Ostanleger ankamen und die östliche Inselbahnstrecke befuhren, war nach dem Zweiten Weltkrieg sehr hoch. Grund war, dass die beliebte Ausflugsinsel Helgoland noch britisch besetzt war. Nach 1952 wurde Helgoland für Deutsche wieder zugänglich, so dass der Verkehr über den Ostanleger stark zurückging. 1958 wurden er und damit auch der östliche Abschnitt der Inselbahn abgebaut. Im Dorf liegen die Gleise heute noch etwa 200 Meter Richtung Osten und dienen als Auszieh- und Anschlussgleis.

Aus einem Umbauprogramm erwarb man 1959 auf Wangerooge vierachsige Personenwagen, die den damals häufigen Umbau-Wagen der Normalspur glichen. Sie waren dunkelgrün lackiert, erhielten aber ab 1972 Werbelackierungen.

Zwischen 1952 und 1971 wurden insgesamt vier Diesellokomotiven der DB-Baureihe 329 beschafft. 1977 wurde die Draisine durch ein neueres Modell ersetzt. 1981 kamen ein Triebwagen der Baureihe 699 sowie einige Wagen hinzu, die zuvor auf der Nachbarinsel Spiekeroog bis zur Stilllegung der dortigen Inselbahn im Einsatz gewesen waren.

1990 wurden weitere zwei Diesellokomotiven beschafft, diesmal aus Ostdeutschland vom ehemaligen Mansfeld-Kombinat. In den Folgejahren kamen 14 neue Personenwagen aus dem Reichsbahnausbesserungswerk (Raw) Wittenberge hinzu, die in Hellblau/Weiß, ähnlich dem Farbschema der Interregio-Züge, lackiert waren und die bisherigen Personenwagen vollständig ersetzten.

Zum 1. Januar 1992, zwei Jahre vor Gründung der Deutschen Bahn (DB), wurden die Lokomotiven der Baureihe 329 in Baureihe 399.1 umgenummert. 1995/96 wurden die Gleise komplett erneuert.

Von 1997 an gab es für einige Jahre jeweils im Sommer einen musealen Dampflokbetrieb auf Wangerooge. Dazu wurde die Lok „Franzburg“ des DEV vom Festland auf die Insel gebracht.

1999 beschaffte die DB AG zwei neue Diesellokomotiven der Firma Schöma (399 107 und 108), die seitdem vor allem im Personenzugdienst eingesetzt werden. In der Folge konnten die vier ältesten Dieselloks (399 101–104) abgestellt und die Einsätze der schadanfälligen rumänischen Loks (399 105 und 106) reduziert werden.

Aktueller Betrieb

Die Strecke ist die einzige von der DB betriebene Schmalspurstrecke. Sie gehört seit 2002 zum Geschäftsbereich DB AutoZug, wo Nahverkehrsangebote wie das Schönes-Wochenende-Ticket nicht gültig sind. Der Fahrpreis wird im Regelfall für eine Fahrt mit Fähre und Bahn erhoben. Das (größere) Reisegepäck muss aufgegeben werden. Es gibt aber auch einen Binnentarif. Einen nennenswerten Binnenverkehr auf der Insel gibt es jedoch nicht. Insgesamt wird die Bahn von rund 200.000 Fahrgästen jährlich benutzt, an Spitzentagen bis zu 1.500 in jeder Richtung.

Die Gleise verlaufen, seit einer zwischen 1995 und 2005 an der Stammstrecke durchgeführten Streckensanierung, auf einem Schotterbett, während auf den nebenrangigen Gleisen noch Sand- und Kiesbettung zu finden ist. Die Höchstgeschwindigkeit beträgt nur 20 km/h. Ein Teil der Strecke zwischen (West-)Anleger und Saline führt durch Salzwiesen, die bei höheren Wasserständen überschwemmt sind. Außerdem ist dies ein Brutgebiet für zahlreiche Seevögel, die sich aber an den Zugverkehr gewöhnt haben.

Da die ebenfalls zur DB gehörenden Fährschiffe von Harlesiel aus durch flaches Wattgebiet fahren müssen, ist der Fahrplan von der Tide abhängig. Er liegt aber für die gesamte Fahrplanperiode vorausberechnet vor.

Von der Jugendherberge Westturm aus hat man einen guten Rundblick über die gesamte Strecke. In der Hochsaison kann man regen Betrieb beobachten. So sind oft zwei Züge gleichzeitig unterwegs. Gekreuzt wird direkt vor dem Anleger. Auch gibt es bei Bedarf Fahrten über Saline zum Bahnhof Westen, die nicht für den öffentlichen Verkehr freigegeben sind und meistens der Anbindung der dortigen Schullandheime dienen. Die meisten Züge führen vierachsige Flachwagen zur Gepäckbeförderung mit. Das aufgegebene Reisegepäck wie Koffer und Taschen wird dabei in Rollcontainern befördert. Fahrräder werden ebenfalls auf den Flachwagen befördert. Zur Versorgung der Insel werden auch Lebensmittel und nahezu alle anderen Waren ebenso wie Umzugsgut mit den Flachwagen befördert, meist in kleineren Containern. Diese werden mit dem Gabelstapler am Bahnhof auf Straßenanhänger verladen und mit Elektromobilen zum Empfänger gebracht. An Güterwagen gibt es im Übrigen nur noch einige vierachsige offene Güterwagen.

Ausblick

Die Wangerooger Inselbahn ist Hauptverkehrsmittel der Insel und wird es voraussichtlich noch lange bleiben. Der Fährhafen kann nicht, wie auf benachbarten Inseln, nahe an das Inseldorf verlegt werden. Das rollende Material ist in gutem Zustand, die Trasse ist saniert und die Fahrgäste frequentieren die Bahn, auch aufgrund fehlender Alternativen – der Flugverkehr nimmt nur einen kleinen Teil der Passagiere auf.

Lokomotiven und Waggons

In den über 100 Jahren ihres Bestehens gab es bei der Wangerooger Inselbahn elf Dampflokomotiven, acht Diesellokomotiven, einen Triebwagen sowie zwei Draisinen. Hinzu kommen noch Fahrzeuge der Marine, die bis 1945 auf Wangerooge einen eigenen Fuhrpark besaß, sowie eine Lok und eine Draisine des Wasser- und Schifffahrtsamtes (beide heute nicht mehr vorhanden). Weiterhin gab es zwei- und vierachsige Kesselwagen, offene und gedeckte Güterwagen (zum Teil vierachsig) sowie zwei- und vierachsige Flachwagen.

Die Dampflok 99 211 ist heute noch auf Wangerooge als Denkmal vorhanden.

Siehe auch

Literatur

  • Egbert Nolte: Die Wangerooger Inselbahn. Verlag Kenning, Nordhorn 1999, ISBN 3-933613-07-8.
  • Malte Werning: Wangerooge: Die Inselbahn und ihre Geschichte. Lokrundschau Verlag, Gülzow 1999, ISBN 3-931647-09-9.
  • Hans-W. Rogl: Archiv deutscher Klein– und Privatbahnen: Niedersachsen. transpress, Stuttgart 1996, ISBN 3-344-71022-2.
  • Gerd Wolff: Deutsche Klein– und Privatbahnen. Band 9: Niedersachsen 1. Zwischen Weser und Ems. EK-Verlag, Freiburg 2005, S. 73–93, ISBN 3-88255-668-4.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b c Niedersächsisches Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr: Zustand und Zukunft des Bahnverkehrs in Niedersachsen. Niedersächsischer Landtag, 2. September 2008, S. 19. Abgerufen am 25. September 2008. (PDF)

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