Internationaler Haftbefehl

Internationaler Haftbefehl
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Ein Haftbefehl ist die - meist schriftliche - Anordnung eines staatlichen Organs (meist eines Gerichts), einen Menschen in Haft zu nehmen.

Inhaltsverzeichnis

Rechtslage in Deutschland

In die Freiheit des Menschen darf nach dem deutschen Grundgesetz (Art. 2 ) nur unter bestimmten Voraussetzungen eingriffen werden. Art. 104 Grundgesetz legt fest, dass Freiheitsentziehungen über einen Tag hinaus nur durch den Richter angeordnet werden dürfen. Haftbefehle dienen der Durchsetzung des ordnungsgemäßen Ablaufs etwa im Strafprozessverfahren, aber auch im Zivilprozessrecht und im Verwaltungsrecht und den besonderen Verwaltungsverfahren nach der Abgabenordnung, der Finanzgerichtsordnung oder dem Sozialgerichtsgesetz.

Strafprozessrecht

Im Strafverfahren gibt es mehrere Arten von Haftbefehlen.

Untersuchungshaftbefehl

Der in der Praxis wichtigste Haftbefehl ist der Untersuchungshaftbefehl, dessen Voraussetzungen in den § 112 ff. der Strafprozessordnung geregelt sind.

Danach kann schon vor Abschluss des Hauptverfahrens unter bestimmten Voraussetzungen die Verhaftung des Beschuldigten angeordnet werden. Der Beschuldigte muss einer Straftat dringend verdächtig sein, außerdem muss ein Haftgrund vorliegen.

Haftgründe sind Flucht, Fluchtgefahr, Verdunkelungsgefahr oder - subsidiär, d.h. wenn keiner der zuerst genannten Haftgründe besteht, Wiederholungsgefahr (vgl. § 112a Abs.2 StPO).

Schließlich darf ein Haftbefehl auch nicht unverhältnismäßig sein, das heißt er muss im Verhältnis zu der zu erwartenden Rechtsfolge stehen. Bei bestimmten, schwerwiegenden Straftaten (Mord, Totschlag) erlaubt das Gesetz (§ 112 Abs. 3 StPO) auch ohne Vorliegen eines der vorgenannten Haftgründe die Anordnung von Untersuchungshaft (so genannte absolute Haftgründe).

Das Bundesverfassungsgericht hat jedoch entschieden, dass diese Vorschrift so auszulegen ist, dass einer der vorgenannten Haftgründe - in der Regel Fluchtgefahr - zu prüfen ist, wobei eine Vermutung für deren Vorliegen spricht. Kann die Vermutung entkräftet werden, darf auch bei diesen Delikten keine Untersuchungshaft angeordnet werden.

Die Untersuchungshaft darf grundsätzlich nicht länger als 6 Monate bis zur Hauptverhandlung andauern. Länger darf sie nur unter ganz bestimmten (engen) Voraussetzungen fortdauern (§ 121 StPO). Hierüber hat auf jeden Fall das Oberlandesgericht zu entscheiden.

Der schriftliche Haftbefehl, der stets auf Antrag der Staatsanwaltschaft ergeht, hat den Namen des Beschuldigten, die Straftat, derer er dringend verdächtigt wird, den Haftgrund und bei jugendlichen und heranwachsenden Straftätern Ausführungen zur Verhältnismäßigkeit der Untersuchungshaft zu enthalten. Ein bereits erlassener Haftbefehl ist dem Beschuldigten bei der Verhaftung bekannt zu geben. Danach ist er unverzüglich dem Richter vorzuführen, der darüber entscheidet, ob die Voraussetzungen für den Erlass des Haftbefehls weiterhin vorliegen. Wird der Beschuldigte ergriffen, noch bevor ein Haftbefehl erlassen ist, muss er dem zuständigen Richter vorgeführt werden, der die Voraussetzungen für den Erlass sodann prüft. Kommt er zu dem Ergebnis, dass der Verdacht dringend ist und mindestens einer der oben aufgeführten Haftgründe vorliegt, erlässt er Haftbefehl und verkündet ihn anschließend dem Beschuldigten.

Der Haftbefehl muss nicht unbedingt vollzogen werden, er kann auch außer Vollzug gesetzt werden (§ 116, § 116a StPO). Dabei können dem Beschuldigten bestimmte Auflagen gemacht werden, z.B. sich regelmäßig bei der Polizei zu melden, eine bestimmte Sicherheitsleistung (Kaution) zu hinterlegen, oder den Kontakt zu bestimmten Personen zu meiden.

Unterbringungsbefehl

Ist jemand schuldunfähig und kann deshalb gegen ihn ein Strafverfahren voraussichtlich nicht durchgeführt werden, so kann der Richter gegen ihn die einstweilige Unterbringung gemäß § 126a StPO (sog. Unterbringungsbefehl) in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn es die öffentliche Sicherheit erfordert. Das bedeutet, dass zu erwarten ist, dass er erhebliche weitere Straftaten begeht. Es gelten prinzipiell dieselben Vorschriften wie bei der Untersuchungshaft mit der Ausnahme, dass es keine Beschränkung der Dauer auf 6 Monate gibt.

Haftbefehl in der Hauptverhandlung

Bei (unentschuldigtem) Fernbleiben eines Angeklagten in der Hauptverhandlung kann der Richter einen Haftbefehl erlassen (§ 230 StPO), wenn er sich nicht dazu entscheidet, den Angeklagten zum nächsten Termin vorführen zu lassen. Der Haftbefehl dient nur der Sicherung, der Weiterführung und Beendigung des Strafverfahrens, weshalb er auch gegen einen schuldunfähigen Angeklagten erlassen werden kann.

Sicherungshaftbefehl

Ist ein Angeklagter zu einer Freiheitsstrafe, die zur Bewährung ausgesetzt worden ist, verurteilt worden und bestehen Gründe zur Annahme, dass die Bewährung widerrufen wird, kann gegen ihn ein so genannter Sicherungshaftbefehl erlassen werden (§ 453c StPO), wenn er zum Beispiel flüchtig ist. Damit soll gewährleistet werden, dass die gegen ihn verhängte Strafe auch vollstreckt werden kann.

Vollstreckungshaftbefehl

Rechtsgrundlage: § 457 StPO

Stellt sich jemand trotz Ladung zur Vollstreckung einer gegen ihn verhängten Freiheitsstrafe nicht, oder entzieht er sich der Vollstreckung (z.B. wenn der Verurteilte ohne festen Wohnsitz, flüchtig, beispielsweise aus einer Haftanstalt, ist, und sich verborgen hält) so kann gegen ihn ein Vollstreckungshaftbefehl ergehen. Dies ist der einzige Haftbefehl, den nicht der Richter, sondern die Staatsanwaltschaft, hier der Rechtspfleger erlässt. Grund ist, dass in diesem Fall schon ein Gericht über die Verhängung von Freiheitsstrafe entschieden hat und es hier nur um den Vollzug der gerichtlichen Entscheidung geht. Gleichfalls ist der Erlass eines Vollstreckungshaftbefehls zulässig, wenn ein Verurteilter eine gegen ihn verhängte Geldstrafe nicht durch Zahlung oder gemeinnützige Arbeit (auch: freie Arbeit) begleicht, und der dann folgenden Ladung zum Antritt der Ersatzfreiheitsstrafe nicht Folge leistet.

Internationaler Haftbefehl

Ein internationaler Haftbefehl ist eigentlich kein eigener 'Haftbefehl', sondern ein Untersuchungs-/ Vollstreckungs-Haftbefehl, der in einer bestimmten Form (z.B. keine Abkürzungen) ausgestellt ist und einen Auslieferungsantrag für die Fälle der Festnahme im Ausland beinhaltet (Grundlage: Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen).

Ein europäischer Haftbefehl ist ein Unterfall und eigentlich ebenfalls kein 'Haftbefehl', sondern ein Fahndungsmittel. Er erleichtert und ermöglicht die Auslieferung von Straftätern innerhalb der Europäischen Union. Wenn die Justiz eines anderen EU-Staats einen Tatverdächtigen mit diesem Haftbefehl ergreifen will, müssen die deutschen Polizei- und Justizbehörden bei dessen Suche und Festnahme helfen.

Zivilprozessrecht

Hier gibt es den Haftbefehl zur Erzwingung der Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung (ehem. Offenbarungseid) gegenüber einem Gerichtsvollzieher (§ 901 ZPO). Tatsächlich handelt es sich in Deutschland bei den weitaus meisten Haftbefehlen um solche zur Erzwingung der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung. Diese kann der Gläubiger beantragen, wenn die Vollstreckung aus einem Titel (z.B. einem Urteil oder einem Vollstreckungsbescheid) erfolglos verlaufen ist und der Schuldner einer Ladung zu einem Termin zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung keine Folge geleistet, nur ungenügende Angaben gemacht oder die Abgabe verweigert hat. Voraussetzung zur Verpflichtung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung ist gemäß § 807 ZPO die erfolglose Zwangsvollstreckung und die Grundlosigkeit der Verweigerung (§ 901 ZPO, § 185b Abs. 3 GVGA).

Die Zwangsvollstreckung gilt als erfolglos, wenn entweder der Gerichtsvollzieher kein Bargeld oder pfändbare bzw. pfändungswürdige Gegenstände beim Schuldner gefunden hat oder zweimal keinen Einlass in die Wohnung des Schuldners bekommen hat (davon mindestens einmal nach vorheriger schriftlicher Ankündigung) oder der Schuldner der Wohnungsdurchsuchung zur Auffindung pfändbarer Gegenstände widersprochen hat. Tatsächlich werden Haftbefehle zur Erzwingung der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nur sehr selten vollstreckt. Vielmehr steht es dem Gläubiger frei, ob er den Gerichtsvollzieher erneut damit beauftragt, dem Schuldner die eidesstattliche Versicherung abzunehmen, wobei der Gläubiger hierfür regelmäßig einen Kostenvorschuss zahlen muss. Wenn der Schuldner der Aufforderung erneut nicht Folge leistet, darf der Gerichtsvollzieher ihn verhaften und in eine Haftanstalt bringen, sofern der Schuldner nicht zuvor doch die eidesstattliche Versicherung abgibt. In der Praxis genügt regelmäßig die Drohung des Gerichtsvollziehers mit der Verhaftung, um den Schuldner zu veranlassen (zumeist direkt in seiner Wohnung) die eidesstattliche Versicherung vor dem Gerichtsvollzieher abzugeben. Der Haftbefehl zur Erzwingung der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung wird in das Schuldnerverzeichnis eingetragen. Nur weil jemand nicht in der Lage ist, eine vertragliche Verpflichtung zu erfüllen, darf er nicht in Haft genommen werden (Art.11, 8. Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte, vom 19. Dezember 1966, BGBl. 1973, Teil II, S. 1534),

Verwaltungsrecht

Nach § 62 des Aufenthaltsgesetzes kann der Richter zur Durchsetzung der Abschiebung einen so genannten Abschiebehaftbefehl erlassen.

Siehe auch

Weblinks

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