Irénée-Jules Bienaymé

Irénée-Jules Bienaymé
Irénée-Jules Bienaymé

Irénée-Jules Bienaymé (* 28. August 1796 in Paris; † 19. Oktober 1878 ebenda) war ein französischer Wahrscheinlichkeitstheoretiker und Statistiker. In Fortsetzung des Werks von Laplace, dessen Methode der kleinsten Quadrate er verallgemeinerte, leistete er Beiträge zur Wahrscheinlichkeitstheorie, Statistik und zu deren Anwendung auf Finanzrechnung, Demographie und Sozialstatistik. Insbesondere hat er die Tschebyschow-Ungleichung im Hinblick auf das Gesetz der großen Zahlen ausgesprochen (1869).

Inhaltsverzeichnis

Biographie

Mit Bienaymé läuft die Folge der großen französischen Wahrscheinlichkeitstheoretiker aus, die mit Pascal und Fermat beginnt und zu Laplace und Poisson führt. Nach ihm muss man nach England und Russland blicken, um die Fortschritte des Fachs zu verfolgen.

Trotz seiner zahlreichen Beiträge ist Bienaymé nur ein blasses Abbild seiner Vorgänger. Sein Privatleben war von einer Folge von Schicksalsschlägen geprägt. Er besuchte das Lyzeum von Brügge, dann das Lycée Louis-le-Grand in Paris, und nachdem er 1814 an der Verteidigung von Paris beteiligt war, bezieht er 1815 die École polytechnique, doch als einer jenes Jahrganges, der insgesamt schon im Folgejahr wegen seiner bonapartistischen Sympathien von Ludwig XVIII. von der Hochschule ausgeschlossen wird.

1818 wird er Dozent für Mathematik an der Militärschule Saint-Cyr, tritt jedoch zwei Jahre später in die Finanzverwaltung ein. Schnell zum Finanzinspektor befördert und 1834 zum Generalfinanzinspektor, entlässt ihn die Republik 1848 wegen Mangels an republikanischer Gesinnung. Nachdem er Professor für Wahrscheinlichkeitstheorie an der Sorbonne geworden ist, verliert er seine Stellung 1851. In der Folge wirkt er als Berater und wird Statistikexperte für die Regierung Napoleons III.

Nach dem Eintritt 1852 in die Académie des sciences ist Bienaymé 23 Jahre lang Prüfer für die Vergabe des Preises für Statistik. Als Gründungsmitglied der Société mathématique de France steht er ihr 1875 vor.

Werk

Bienaymé hat nur 23 Artikel veröffentlicht, von denen die Hälfte unter obskuren Umständen erschienen. Seine ersten Arbeiten behandeln Demographie und Sterbetafeln. Er forscht insbesondere über das Aussterben geschlossener Familienkreise (etwa der des Hochadels), die sich im Niedergang befinden, obwohl doch die Bevölkerung Frankreichs wächst, was ein bisschen an das Schicksal der französischen Schule der Wahrscheinlichkeitstheorie seiner Zeit denken lässt.

Als Schüler Laplaces und unter dem Einfluss von dessen Analytischer Theorie der Wahrscheinlichkeiten (1812) verteidigt er dessen Auffassungen in einem Streit mit Poisson über die Größe der Geschworenenbank und die für eine Verurteilung erforderliche Mehrheit. Er verallgemeinert die Methode der kleinsten Quadrate.

Er versucht mit seinem Freund Antoine Augustin Cournot in einer Wahrscheinlichkeitsrechnung aufzuräumen, die nicht mehr vom großen Atem seiner Vorgänger lebt. Nach den Hoffnungen auf eine probabilistische Weltbeschreibung vermöge einiger universeller Gesetze, wie sie Jakob Bernoulli, Laplace und Poisson noch hegten, ist nun der Zauber verflogen:

„Die grenzenlose Vielfalt, die die Natur hervorbringt, um auf einfachste Weise sehr komplexe Wirkungen hervorzubringen, lässt vermuten, dass man spezielle Sätze entdecken wird, die für einige Sonderfälle gelten werden. Es hat aber nicht den Anschein, dass eine Formel ähnlich der Jakob Bernoullis alle möglichen Umstände abdecken könnte.“

Als französischer Übersetzer der Arbeiten seines Freunds, des russischen Mathematikers Pafnuti Lwowitsch Tschebyschow, veröffentlicht er die Tschebyschow-Ungleichung, die einen einfachen und exakten Beweis des Gesetzes der großen Zahlen liefert.

Auch mit dem Pionier der Demographie Quételet unterhält er einen Briefwechsel und steht mit Lamé in Verbindung.

Der stets streitbare Bienaymé kritisierte Poissons Gesetz der großen Zahlen und hatte einen Zwist mit Cauchy.

Literatur

  • „Actes de la journée du 21 juin 1996 consacrée à Irénée-Jules Bienaymé“, Cahiers du Centre d'Analyse et de Mathématiques Sociales, Nr. 138, Reihe Histoire du Calcul des Probabilités et de la Statistique, Nr. 28, Paris, E.H.E.S.S.-C.N.R.S

Weblinks

  • Irénée-Jules Bienaymé. In: MacTutor History of Mathematics archive (englisch)
  • Irénée-Jules Bienaymé (1852), Sur les probabilités des erreurs d'après la méthode des moindres carrés, Journal de Mathématiques Pures et Appliquées , Série 1, Tome 17, p. 33–78, digitalisiert als PDF bei Gallica-Math [1]
  • Irénée-Jules Bienaymé (1853), Considérations à l'appui de la découverte de Laplace sur la loi de probabilité dans la méthode des moindres carrés, Comptes rendues de d'Académie des sciences Paris, 37, 5–13; (1867) Journal de Mathématiques Pures et Appliquées , Série 2, Tome 12 , p. 33–78, digitalisiert als PDF bei Gallica-Math [2]

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужна курсовая?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Irenee-Jules Bienayme — Irénée Jules Bienaymé Irénée Jules Bienaymé Irénée Jules Bienaymé, né à Paris le 28 août 1796 et mort à Paris le 19 octobre 1878, est un probabiliste et statisticien français. Continuateur de l œuvre de Laplace dont il généralise la méthode des… …   Wikipédia en Français

  • Irénée-jules bienaymé — Irénée Jules Bienaymé, né à Paris le 28 août 1796 et mort à Paris le 19 octobre 1878, est un probabiliste et statisticien français. Continuateur de l œuvre de Laplace dont il généralise la méthode des moi …   Wikipédia en Français

  • Irénée-Jules Bienaymé — (b. Paris 28 August 1796 d. Paris 19 October 1878), was a French statistician. He built on the legacy of Laplace generalizing his least squares method. He contributed to the fields and probability, and statistics and to their application to… …   Wikipedia

  • Irénée-Jules Bienaymé — Pour les articles homonymes, voir Bienaymé. Irénée Jules Bienaymé Irénée Jules Bienaymé, né à Paris le 28 août …   Wikipédia en Français

  • Bienaymé — ist der Name folgender Personen: Irénée Jules Bienaymé (1796–1878), französischer Wahrscheinlichkeitstheoretiker und Statistiker Pierre François Bienaymé (1737–1806), französischer Bischof und Naturforscher Siehe auch: Bienaimé …   Deutsch Wikipedia

  • Bienaymé-Galton-Watson-Prozess — Der Galton Watson Prozess, benannt nach dem britischen Naturforscher Francis Galton (1822 1911) und seinem Landsmann, dem Mathematiker Henry William Watson (1827 1903), ist ein spezieller stochastischer Prozess, der benutzt wird, um die… …   Deutsch Wikipedia

  • Bienaymé — Cette page d’homonymie répertorie les différents sujets et articles partageant un même nom. Irénée Jules Bienaymé, 1796 1878, probabiliste et statisticien français. Pierre François Bienaymé, 1737 1806, évêque de Metz. Voir aussi Inégalité de… …   Wikipédia en Français

  • Liste der Biografien/Bie — Biografien: A B C D E F G H I J K L M N O P Q …   Deutsch Wikipedia

  • Liste des articles de mathematiques — Projet:Mathématiques/Liste des articles de mathématiques Cette page recense les articles relatifs aux mathématiques, qui sont liés aux portails de mathématiques, géométrie ou probabilités et statistiques via l un des trois bandeaux suivants  …   Wikipédia en Français

  • Projet:Mathématiques/Liste des articles de mathématiques — Cette page n est plus mise à jour depuis l arrêt de DumZiBoT. Pour demander sa remise en service, faire une requête sur WP:RBOT Cette page recense les articles relatifs aux mathématiques, qui sont liés aux portails de mathématiques, géométrie ou… …   Wikipédia en Français

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”