Ambra

Ambra

Die Ambra oder der Amber (arab.) ist eine graue, wachsartige Substanz aus dem Verdauungstrakt von Pottwalen. Sie wurde früher bei der Parfümherstellung verwendet. Heute ist sie von synthetischen Substanzen weitgehend verdrängt und wird nur noch in wenigen teuren Parfüms verwendet.

Inhaltsverzeichnis

Entstehung

Historische Zeichnung eines Klumpens Ambra aus dem Jahr 1753
Echte Ambra eines Pottwals

Ambra entsteht bei der Nahrungsaufnahme von Pottwalen. Die unverdaulichen Teile wie Schnäbel oder Hornkiefer von Tintenfischen und Kraken werden im Ambra eingebettet. Über die genaue Ursache der Entstehung besteht Unklarheit. Möglicherweise liegt eine Stoffwechselkrankheit des Pottwals vor, wenn er Ambra bildet. Einer anderen Theorie zufolge dient der Stoff dem Wundverschluss bei Verletzungen der Darmwand.

Frühere Vorstellungen über die Entstehung

Über die Entstehung der Ambra wurde schon im 10. Jahrhundert spekuliert. Der arabische Reisende Al-Masudi gab Berichte von Händlern und Seeleuten wieder, die behaupteten, Ambra wachse wie Pilze auf dem Meeresboden. Sie würde bei Stürmen aufgewirbelt und so an die Küsten gespült. Ambra käme in zwei unterschiedlichen Formen, einer weißen und einer schwarzen, vor. Al-Masudi berichtete auch davon, dass an einer Stelle der arabischen Küste am Indischen Ozean die Bewohner ihre Kamele auf die Suche nach Ambra abgerichtet hätten.

Al-Masudis Theorie über die Herkunft der Ambra wurde auch sechs Jahrhunderte später noch vertreten, etwa von Adam Lonitzer. Das ein halbes Jahrhundert später erschienene Allgemeine Lexikon der Künste und Wissenschaften hielt Ambra für „erd-pech“, das durch die Flut angeschwemmt und durch Luft und Meerwasser gehärtet würde.

Aus Arabien stammt auch die Vorstellung, dass Ambra aus Quellen floss, die sich nahe der Meeresküste befanden. In der Märchenerzählung „Tausendundeine Nacht“ strandete Sindbad, nachdem er Schiffbruch erlitten hatte, auf einer Wüsteninsel, auf der er eine Quelle mit stinkendem, rohem Ambra entdeckte. Die Substanz floss wie Wachs in das Meer, wo sie von riesigen Fischen erst verschluckt und dann wieder in Gestalt wohlriechender Klumpen erbrochen wurde, die an den Strand trieben. Auch im antiken Griechenland, wo Ambra wegen seiner angeblich die Alkoholwirkung verstärkenden Eigenschaft Wein beigemischt wurde, nahm man eine Quelle in Meeresnähe als Ursprungsort der Ambra an.

Bis etwa 1.000 n. Chr. bezeichnete man in China Ambra als lung sien hiang (Lóngxiánxiāng 龍涎香), als das „Speichelparfum der Drachen“, da man glaubte, dass die Substanz aus dem Geifer von Drachen stammt, die auf Felsen am Rande des Meeres schliefen. Im Orient ist Ambra noch heute unter diesem Namen bekannt und wird als Aphrodisiakum und als Gewürz für Nahrungsmittel und Weine verwendet.

In weiten Teil des antiken und frühmittalterlichen Europa nahm man an, dass echter Bernstein (gelber Bernstein oder Ostsee-Bernstein, im antiken Rom als Succinum und in Griechenland als ἤλεκτρον (Elektron) bezeichnet) und Ambra gleichen oder zumindest ähnlichen Ursprungs sind. Vermutlich geht diese Vorstellung auf die Übereinstimmungen dieser beiden Substanzen im Wohlgeruch, der Seltenheit und des Wertes, sowie im äußeren Erscheinungsbild und der Fundsituation (an Meeresküsten) zurück. In frühen Chroniken wird allerdings schon ein Unterschied zwischen Ambra und Bernstein konzidiert. Ambra wurde danach entweder als Sperma von Fischen oder Walen angesehen, als Kot unbekannter Seevögel (vermutlich aus einer fehlerhaften Deutung der in der Ambra enthaltenen Tintenfischschnäbel) oder als große Bienenstöcke aus Küstengebieten, so beispielsweise beim Schiffsarzt Exquemelin, der im 17. Jhdt. mit dem Piraten Kpt. Morgan bei Guatemala kreuzte und berichtet:

„In diesen Landschaften gibt es ja auch viele Bienen, die an den Waldbäumen ihren Honig machen, und so passiert es denn nicht selten, dass durch heftige Stürme das Wachs zusamt dem an den Bäumen hängenden Honig dem Meere zugetrieben wird. (...) Was wohl recht glaubhaft ist, denn dieses Ambra ist, wenn man es findet, noch weich und riecht wie Wachs.“[1]

Marco Polo war der erste Chronist der Alten Welt, der Ambra zutreffend als eine körpereigene Substanz von Pottwalen erkannte, nachdem er Pottwale vor den Sokotra-Inseln im Indischen Ozean bei der Jagd auf Tintenfische beobachten konnte. Aber auch er vermutete, dass es sich bei der Ambra um in den Tiefen des Meeres Erbrochenes dieser Wale handelte.

Im Jahre 1783 legte der Botaniker Joseph Banks eine Arbeit des in London lebenden deutschen Arztes Franz Xaver Schwediauer vor, in der dieser die in Westeuropa vorherrschenden Irrtümer über Ambra und den Ursprung dieser Substanz beschrieb. Er identifizierte Ambra als ein Erzeugnis des oft unnatürlich aufgeblähten Darms kranker Pottwale und brachte die Produktion von Ambra mit den Schnäbeln von Tintenfischen, der Hauptnahrung der Pottwale, in Verbindung.

Zwei französische Chemiker, Joseph Bienaimé Caventou und Pierre Joseph Pelletier, waren die ersten, die Ambrein, das den Duftstoff enthaltende Substrat in der Ambra, isolierten, charakterisierten und so benannten.

Verwendung

Die frische Ambra ist weich und riecht abstoßend, sie erhält erst durch den über Jahre oder Jahrzehnte währenden Kontakt mit Luft, Licht und Salzwasser ihre feste Konsistenz und ihren angenehmen Duft.

Der grauen und schwarzen Ambra kam bei der Herstellung von Parfüm erhebliche Bedeutung zu. Aufgrund der Synthetisierung dieser Substanz und des Handelsverbots von Pottwalprodukten gemäß dem Washingtoner Artenschutz-Übereinkommen wird Ambra heutzutage jedoch kein Wert mehr beigemessen, wenngleich es noch in der Homöopathie Anwendung findet.

Ambra wird auf dem Meer treibend gefunden in Klumpen von bis zu 10 Kilogramm, in Einzelfällen aber auch über 100 Kilogramm. Erst später entdeckte man bei der Schlachtung von Pottwalen die frische Ambra im Darm vereinzelter Tiere; es können bis zu 400 Kilogramm enthalten sein. Solche Mengen führen jedoch gehäuft zu Darmverschluss und letztendlich zum Tod dieser Tiere.

Der Duftstoff der Ambra ist Ambrein, ein Alkohol, der durch Luft und Licht in die eigentlichen Duftstoffe, u. a. Ambrox, aufgespalten wird. Die Duftnote liegt zwischen holzig, trocken, balsamisch, etwas tabakartig bis bouquethaft mit aphrodisierendem Einschlag. Ambra, bzw. seine synthetische Form, wird typischerweise als Basisnote in Duftkompositionen eingesetzt.

Bereits im 15. Jahrhundert wurde Ambra in Europa gehandelt und mit Gold aufgewogen, wenngleich diese Funde nur in seltenen Fällen den höchsten Qualitätsansprüchen genügten. Leo Africanus schrieb im 16. Jahrhundert, dass der Preis für Ambra in Fès bei 60 Dukaten pro Pfund liege (im Vergleich dazu kostete ein Sklave 20, ein Eunuch 40 und ein Kamel 50 Dukaten). Damit war es ein sehr kostbarer Stoff, noch teurer als Gold und Edelsteine.

Jan Huygen van Linschoten schrieb in seinen Reiseberichten über die Ambra:[2]

„[Sie wird] in vielen schönen Dingen mit Moschus, Zibet, Benzoin und anderen süßen Sachen gemischt verwendet, und aus den Mischungen werden schöne Äpfel und Birnen hergestellt und in Silber und Gold gefasst, welche die Leute [in den Händen] tragen, um daran zu riechen.“

Adam Lonitzer gab in seinem Kreüterbuch mit folgenden Worten eine Ersatzrezeptur für echte Ambra an:

„… Ambra factitia, das ist … gemachte Ambra, so an statt der natürlichen Ambrae bey vielen (doch viel geringer an Krafft) wird gebraucht, wird von Muscatnuß, … Nägelin, Spicanardi, Bisem und Rosenwasser gemacht und zu einer Massa … bereitet. Etliche bereiten ihn auf eine andere Weiß, doch muß allwegen Bisem oder Zibett darbey seyn.“

Ambra wurde früher auch zur Zubereitung besonders exklusiver Speisen verwendet.[3]

Etymologie

Ambra oder Amber ist ebenfalls die lateinische, englische und altdeutsche Bezeichnung für Bernstein.

Die Engländer nennen Bernstein „Amber“, wobei man annimmt, dass damit eine Ausscheidung (Ambre gris) der Wale gemeint sei, und offiziell leiten die Etymologen den Wortstamm vom arabischen Wort anbar = Ambre gris ab.

Das Wort „Amber“ wird neben dem Englischen und dem Niederländischen auch in weiteren Sprachen verwendet:

  • auf Französisch ambre jaune,
  • auf Italienisch ambra gialla, und
  • auf Spanisch el ámbar.

Im Gegensatz zu den Engländern und den Holländern haben diese Völker früher kaum Kontakt zu Walfängern gehabt und müssten das Wort aus einer gemeinsamen Quelle bezogen haben – vermutlich aus dem lateinischen „amburo“.

Neben dem Bernstein wurde in der alten Literatur auch Walrat, weißer Liquidambar und echter flüssiger Storax als weiße Ambra bezeichnet. al-Kindi gab zudem unter dem Stichwort „Amber“ drei Duftstoffrezepturen an, die nichts mit der Ambra zu tun hatten.

In der deutschen Sprache erscheint das Wort Amber im Flussnamen Amper, im Ammergebirge, Ammersee und im Namen Ammergau. Diese Namen sind Bestandteile einer Bernsteinroute.

Ambra in der Literatur

In der Liebeslyrik wurde häufig die Ambra genannt. In Herman Melvilles Moby Dick heißt es:

„Wer würde wohl denken, dass die feinsten Damen und Herren sich an einem Wohlgeruch laben, den man aus den ruhmlosen Gedärmen eines kranken Pottwals holt! Und doch ist es so. Der graue Amber wird von manchen für die Ursache, von anderen für die Folge mangelhafter Verdauung gehalten, an der Wale mitunter leiden. Wie eine solche Dyspepsie zu kurieren wäre, lässt sich schwer sagen; es sei denn, man gibt dem Patienten drei, vier Bootsladungen Rhabarberpillen ein und verzieht sich dann schleunigst aus der Schusslinie (…).
Ich behaupte: wenn der Pottwal seine Schwanzflosse hochschleudert, verströmt er ebensoviel Wohlgeruch wie eine moschusparfümierte Dame, die in einem warmen Salon ihre Röcke rascheln lässt.“

Literatur

  • Alain Corbin: Pesthauch und Blütenduft: Eine Geschichte des Geruchs (Originaltitel: Le miasme et la jonquille. Aubier Montaigne, Paris 1982. Übersetzt von Grete Osterwald), Wagenbach, Berlin 2005 (Erstausgabe 1984), ISBN 978-3-8031-3618-3.
  • Sabine Krist/Wilfried Grießer: Die Erforschung der chemischen Sinne. Geruchs- und Geschmackstheorien von der Antike bis zur Gegenwart. Lang, Frankfurt am Main / Berlin / Bern / Bruxelles / New York / Oxford / Wien 2006, ISBN 978-3-631-55284-1.
  • Gisela Reinecke, Claudia Pilatus: Parfum - Lexikon der Düfte. Komet, Köln 2006, ISBN 978-3-89836-596-3.
  • Renate Smollich: Der Bisamapfel in Kunst und Wissenschaft. Deutscher Apotheker Verlag, Stuttgart 1983, ISBN 3-7692-0733-5, S. 26–30 (zur Geschichte des Duftstoffs)

Weblinks

 Commons: Ambergris – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Zitatquellen

  1. Alexandre O. Exquemelin, zuletzt dt. als Piraten der Karibik: Ein Augenzeugenbericht aus dem 17. Jahrhundert, Reprint von Die amerikanischen Seeräuber; ein Flibustierbuch (sic!) aus dem XVII. Jahrhundert, Heel Verlag, 2007, hier: S. 99
  2. Übersetzung aus Smollich, S. 28. Nach E. Bovill, Moschus und Ambra, in dragoco report 19.1972, S. 200
  3. Chefs Serve Whale Vomit Dish At Castle Feast

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