Iwan Tschichold

Iwan Tschichold

Jan Tschichold (geboren als Johannes Tzschichhold, auch Iwan Tschichold, ivan tschichold)) (* 2. April 1902 in Leipzig; † 11. August 1974 in Locarno, Schweiz) war Kalligraf, Typograf, Plakatgestalter, Autor und Lehrer.

Er war einer der Wortführer der Neuen Typografie. Sein bekanntester Schriftentwurf ist die Sabon-Antiqua.

Inhaltsverzeichnis

Biografie

Johannes Tzschichhold wurde 1902 als Sohn eines Schriftenmalers in Leipzig geboren und beschäftigte sich schon früh mit Kalligrafie. 1919 begann er in der Schriftklasse von Hermann Delitsch ein Studium an der Leipziger Akademie der Künste. Aufgrund seiner außergewöhnlichen Leistungen avancierte er bald zum Meisterschüler des Rektors Walter Tiemann – einem Schriftenentwerfer bei der Gebr.-Klingspor-Gießerei – und wurde damit beauftragt, seine Kommilitonen zu unterrichten. Gleichzeitig bekam er die ersten Aufträge im Rahmen der Leipziger Messe und machte sich 1923 als typografischer Berater einer Druckerei selbständig.

Bisher nur mit historischer und traditioneller Typografie befasst, bekam seine Arbeit nach seinem ersten Besuch im Bauhaus eine völlig neue Richtung. Er lernte wichtige Künstler wie Laszlo Moholy-Nagy, El Lissitzky, Kurt Schwitters u.a. kennen, deren Bestreben es war, im Rahmen der Neuen Typografie des Bauhauses die Schemata herkömmlicher Typografie aufzubrechen, neue Ausdrucksweisen zu finden und zu einer weitaus experimentelleren Arbeitsweise zu gelangen. Gleichzeitig aber wollte man standardisieren, vereinfachen und praktischer vorgehen. Tzschichhold übernahm begeistert die neuen Grundsätze, nannte sich sogar aus Sympathie zu den vorwiegend aus dem Osten kommenden Strömungen Iwan und (vereinfacht geschrieben) Tschichold.

Aufgrund seiner Begeisterung und Fachkompetenz wurde er zu einem der bedeutendsten Vertreter der Neuen Typografie. Im Unterschied zu anderen fiel er nicht völlig aus dem historischen und fachlich begründeten Rahmen, sondern machte die avantgardistischen Ideen allgemein gebrauchsfähig. In einem vielgerühmten Sonderheft der Typografischen Mitteilungen von 1925 mit dem Titel Elementare Typografie stellte er die neuen Ansätze in Thesenform zusammen.

Es folgte eine Phase der Anwendung: 1926 wurde er von Paul Renner – dem Schöpfer der Futura – an die Münchener Meisterschule für Typografie berufen. Hier nannte er sich auf Drängen der Behörden Jan Tschichold. Es entstand u. a. eine Plakatreihe für den Münchner Phoebus-Palast. Viele Film-Plakate für diesen größten deutschen Filmpalast prägten den öffentlichen Raum der Stadt: Klare, freigestellte, z. T. fette Schrift. Balken die die Fläche betonen, aber nicht zerteilen, und immer wieder Diagonalen.

1929 entwarf er eine Schrift, die die sprachlichen Laute besser umsetzen sollte als das traditionelle Alphabet, mit teils sehr eigenwilligen Zeichen. 1931 gestaltete er die Schriften Zeus, Transito, und Saskia sowie die Uhertype-Standard-Grotesk für ein frühes Fotosatzsystem.

Von Jan Tschichold gestalteter Bucheinband (1942).

1933 fand die Neue Typografie aufgrund der Machtergreifung durch die Nazis ein jähes Ende, Tschichold selbst wanderte in die Schweiz aus. Hier begann er eine neue, radikal andere und zugleich konservativere Phase seines Schaffens, in der er die Grundsätze der Neuen Typografie vehement ablehnte. Auch wenn diese an allen Stellen seines späteren Werkes noch durchscheinen, schlug er doch einen weitaus traditionalistischeren Weg ein, griff z. B. die Verwendung von älteren Antiqua-Schriften, Ornamentik, symmetrische Anordnung u.a. wieder auf. Er arbeitete für den Basler Birkhäuser Verlag als Buchhersteller und ging 1947 für zwei Jahre nach England, wo er u.a. für Pennrose Annual und die Neugestaltung der Penguin Books und ein Konzept für deren typografische Gestalter erarbeitete. Zurück in der Schweiz wirkte er weiterhin unermüdlich bis zu seinem Tode 1974.

Im Jahr 1964 wurden Arbeiten von ihm auf der documenta III in Kassel in der Abteilung Graphik gezeigt.

1966 entsteht die Sabon – benannt nach dem Garamond-Schüler Jacob Sabon, der die Garamond nach Frankfurt brachte – eine Renaissance-Antiqua im Stil der Garamond, die sich durch ihr rundes, klares Schriftbild mit einer für eine Garamond relativ hohen Mittellänge auszeichnet. Das besondere an diesem Schriftcharakter ist, dass er in allen drei damals vorhandenen Satzsystemen (Handsatz, Zeilenguss- (Linotype) und Buchstabenguss(Monotype)-Maschinensatz) vollkommen gleich aussah, das Schriftbild also nicht durch deren technische Besonderheiten beeinträchtigt wird.

1965 wurde Tschichold für seine Verdienste um die Schrift mit dem Gutenberg-Preis der Stadt Leipzig geehrt.

Schriften

  • Transito (Schriftgiesserei Amsterdam, 1931)
  • Saskia (Schelter & Giesecke, Leipzig 1931)
  • Zeus (1931)
  • Uhertype-Standard-Grotesk (1931)
  • Sabon (1967)

Siehe auch

Werke

  • Die neue Typographie. Ein Handbuch für zeitgemäß Schaffende. Verlag des Bildungsverbandes der Deutschen Buchdrucker, Berlin 1928
  • Typografische Entwurfstechnik. - Akademischer Verlag Dr Fritz Wedekind & Co. Stuttgart, 1932.
  • Ausgewählte Aufsätze über Fragen der Gestalt des Buches und der Typographie. Birkhäuser-Verlag. Basel, 1975, 1987. ISBN 3-7643-1946-1
  • Schatzkammer der Schreibkunst. 2. Auflage, Birkhäuser Verlag, Basel 1949
  • Meisterbuch der Schrift. Ein Lehrbuch mit vorbildlichen Schriften aus Vergangenheit und Gegenwart für Schriftenmaler, Graphiker, Bildhauer, Graveure, Lithographen, Verlagshersteller, Buchdrucker, Architekten und Kunstschulen. 3. unv. Nachdruck der 2. Auflage, Otto Maier-Verlag, Ravensburg 1965 ISBN 3-473-61100-X (englische Ausgabe: „Treasury of Alphabets and Lettering. A handbook of type and lettering“. Norton Books, New York, 1992 ISBN 0-393-70197-2)
  • Erfreuliche Drucksachen durch gute Typografie. - Otto Maier-Verlag. Ravensburg, 1960 [Reprint] Maro-Verlag. Augsburg, 1988. ISBN 3-87512-403-0
  • foto-auge - [zusammen mit Franz Roh] - Akademischer Verlag Dr. Fritz Wedekind & Co. Stuttgart, 1929. - [Reprint] Ernst Wasmuth. Tübingen, 1973.
  • Eine Stunde Druckgestaltung. - Akademischer Verlag Dr. Fritz Wedekind & Co. Stuttgart, 1930.
  • Schriftschreiben für Setzer. - Klimsch & Co. Frankfurt/Main, 1931.
  • Typografische Gestaltung. - Benno Schwabe & Co. Basel, 1935.
  • Chinesischer Farbendruck aus dem Lehrbuch des Senfkorngartens. - Holbein-Verlag. Basel, 1941, 1951.
  • Geschichte der Schrift in Bildern. - Holbein-Verlag. Basel, 1941, 1946. - Hauswedell. Hamburg, 1951, 1961. - An Illustrated History of Lettering and Writing. - (London, 1947).
  • Gute Schriftform. - Lehrmittelverlag des Erziehungsdepartements. Basel, 1941/1942, 1943/1944, 1945/1946.
  • Schriftkunde, Schreibübungen und Skizzieren für Setzer. - Holbein-Verlag. Basel, 1942. - Schriftkunde, Schreibübungen und Skizzieren .- [erweiterte Auflage, 79-109.] Verlag des Druckhauses Tempelhof. Berlin, 1951.
  • Der Holzschneider und Bilddrucker Hu Cheng-yen. - Holbein-Verlag. Basel, 1943, 1952.
  • Chinesische Farbendrucke der Gegenwart. - Holbein-Verlag. Basel, 1944, 1953. Chinese Colour Printing of the present day. - (London, New York, 1953).
  • Chinesisches Gedichtpapier vom Meister der Zehnbambushalle. - Holbein-Verlag. Basel, 1947.
  • Was jemand vom Buchdruck wissen sollte. - Birkhäuser-Verlag. Basel, 1949.
  • Im dienste des buches. - SGM-Bücherei. St. Gallen, 1951.
  • Die Bildersammlung der Zehnbambushalle. - Eugen Rentsch-Verlag. Zürich, Stuttgart, 1970.

Literatur

  • Günter Bose und Erich Brinkmann (Hrsg.): Jan Tschichold: Schriften 1925–1974. (Zwei Bände): Band 1 1925–1947, Band 2 1948–1974, Brinkmann & Bose, Berlin, 1992 ISBN 3-922660-37-1.
  • Martijn F. Le Coultre, Alston W. Purvis: Jan Tschichold. Plakate der Avantgarde. Katalog, 240 Seiten mit 150 Farbabbildungen. Birkhäuser 2007. ISBN 3-7643-7603-1
  • Christopher Burke: Active literature: Jan Tschichold and New Typography. Hyphen Press, London, 2007. ISBN 978-0-907259-32-9

Weblinks



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