Amerikanisierung

Amerikanisierung
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Amerikanisierung bezeichnet Kulturtransfer in einem sehr weit gespannten Verständnis. Gegenstand dieses Transfers sind Amerikanismen, das heißt Institutionen, Normen, Werte, Gebräuche, Verhaltensweisen und Verfahrensformen, aber auch Symbole, “icons“ und Bilder, die vermeintlich oder tatsächlich aus den USA übernommen, auf jeden Fall aber als amerikanisch empfunden werden. Eines ist dabei entscheidend: Der als Amerikanisierung bezeichnete Kulturtransfer verläuft nur in einer Richtung, nämlich von den USA in andere Teile der Welt.

Amerikanisierung vollzieht sich nach Auffassung von Philipp Gassert unabhängig von den Epochen der politischen und politisch-ideologischen Entwicklungen in den Staatenbeziehungen. Sie ist eng an den faktisch gegebenen Status der USA als Weltmacht und an die damit zusammenhängende Dynamik der Gesellschaft gebunden.[1]

Inhaltsverzeichnis

Begriff

Amerikanisierung bezeichnet keine Wechselwirkung, wie es der Begriff der Westernisierung nahelegt, sondern einen einseitigen Kulturtransfer von den USA in andere Staaten. In der US-amerikanischen sowie in der europäischen Geschichtswissenschaft wird der Begriff der Amerikanisierung heute zunehmend vorsichtig gebraucht und bezüglich der Gesamtentwicklung zunehmend das Konzept der Westernisierung favorisiert. Es wird geltend gemacht, dass ein Kulturtransfer als „Einbahnstraße“ nur sehr schwer vorstellbar ist. Vielmehr spielen die „Empfänger“ eine ebenso große Rolle, besonders bezüglich der Tatsache, dass das jeweilige materielle oder ideelle Produkt zum Zeitpunkt der Aufnahme in das eigene Weltbild integriert wird, was nicht ohne Veränderungen oder Verzerrungen des ursprünglichen Produktes geschehen kann.

Es stellt sich also die Frage, ob es sich bei scheinbar US-amerikanischen Ikonen etwa in Europa nicht vielmehr um das handelt, was der Historiker Rob Kroes „empty signifier“ nennt.[2] Oft wurde und wird die Aufnahme auch komplett abgelehnt. Als Beispiel nennt Anselm Doering-Manteuffel das US-amerikanische High-School-System, das nach dem Krieg in Deutschland eingeführt werden sollte, was aber am Widerstand der Deutschen scheiterte.[3]

Der alternative, von Doering-Manteuffel entwickelte Begriff der Westernisierung soll im Unterschied dazu einen mehrere hundert Jahre dauernden kulturellen Austausch im weitesten Sinne beschreiben, so dass der Fokus vom 20. Jahrhundert auf die internationale bzw. globale Entwicklung seit Ende des 18. Jahrhunderts ausgedehnt wird. Folgt man diesem Gedanken, dann sind unterschiedliche Phasen mit unterschiedlichen kulturellen Dominanzen und Transferrichtungen erkennbar. Aus historischer Sicht entscheidend ist dann, dass es sich um einen anhaltenden Kreislauf politischer, sozialökonomischer und kultureller Ordnungsvorstellungen in dem Raum handelt, der allgemein als „der Westen“ beschrieben wird.

Geschichte der Amerikanisierung in Deutschland

Seit dem Ende des Ersten Weltkriegs sind die USA fest und herausfordernd im Blickfeld der Weltgemeinschaft etabliert. Durch den Krieg hatten sich die wirtschaftliche und technische Überlegenheit der USA erwiesen. Dadurch wurde auch ihr ideologisches Selbstverständnis international zur Geltung gebracht, spätestens durch das 14-Punkte-Programm von Woodrow Wilson, in dem er die liberale Mission der USA und das Selbstbestimmungsrecht der Völker propagierte: Freiheit erfordere Selbstbestimmung, für jedes Individuum ebenso wie für jede Nation, woraus sich als Handlungsmuster Marktwirtschaft, Parlamentarische Demokratie und die zwischenstaatliche Unabhängigkeit nationaler politischer Einheiten ableitete. Die propagandistische Grundaussage des „Wilsonianismus“ – “to make the world safe for democracy” – war auch als Gegenentwurf gegen das ideologische Selbstverständnis der Deutschen konzipiert, welches zu Beginn des Ersten Weltkriegs seinen Höhepunkt in den Ideen von 1914 gefunden hatte, in denen sich namhafte deutsche Intellektuelle scharf gegen westliche Staaten und Gesellschaften abgrenzten und einen deutschen Sonderstatus propagierten.

Der kollektive Hass auf Wilson, der Deutschland nach 1918 erfasste, war zum einen mit dem harten Friedensvertrag von Versailles verbunden, aber auch mit einer allgemeinen Ablehnung der liberalen Demokratie als zentralem Punkt in Wilsons ideellem System. Dieser Hass bildete die Unterströmung der Beschäftigung mit den USA in der Weimarer Republik. An der Oberfläche wurden andere Erscheinungen sichtbar, wie etwa die „Krise der klassischen Moderne“ in den 1920er Jahren, die in Deutschland und Europa gleichermaßen wie in den USA Gegenstand großer Auseinandersetzungen war. Dieses Geschehen förderte eine deutliche Polarisierung von Befürwortern und Gegners des Modernisierungsgeschehens und eng verknüpft mit der Diskussion um die USA, dessen Lebensformen als Anschauung und Modell der Moderne galten und in positiver wie negativer Hinsicht eine Parteinahme herausforderten. Es kann klar festgestellt werden, dass für die Weimarer Republik insgesamt keinesfalls von einer Westernisierung der deutschen Gesellschaft gesprochen werden kann. Eine erste Amerikanisierungswelle fand höchstens in kulturellen Teilbereichen statt; so begann die US-Filmindustrie schon in den 1920er Jahren ihren Siegeszug. Zu groß aber waren insgesamt die Widerstände, zum Beispiel im Bereich der Wirtschaft, die sich vehement gegen das amerikanische Modell wehrte. In der Rationalisierungsdebatte ab 1924 wurde eine breite Front gegen die verankerte Vision des Amerikanismus mit der eingängigen Lehre von Produktivität, Expertentum und Optimierung ökonomischer und sozialer Prozesse sichtbar. Hierbei rückte die Diskussion um den Fordismus in den Mittelpunkt, eine Lehre, die nach der sogenannten Machtergreifung durch die Nationalsozialisten ein Modell für die deutsche Wirtschaft wurde.

Unter dem NS-Regime wurden die Kontakte in die USA zunächst massiv ausgebaut, wirtschaftliche Theorien aus den USA bestimmten maßgeblich die Wirtschaftspolitik der Nationalsozialisten. Wettbewerb mit den USA wurde bewusst forciert mit dem Ziel, Deutschland auf Augenhöhe mit den USA zu präsentieren. Allerdings wurde von Beginn an auch der Versuch unternommen, US-amerikanische Modelle und Produkte zu „germanisieren“ und sie so für das Regime zu vereinnahmen. Nach Kriegsbeginn fand kein Austausch mehr statt, und ein „Wettbewerb“ dann ab 1941 nur noch in militärischer Hinsicht.

„Die Wucht des Kriegsendes löste die deutsche Gesellschaft vollends aus ihrer Verankerung.“[3] Angesichts der moralischen Katastrophe waren Sinnangebote gefragt, die der Neuordnung der Gesellschaft eine Richtung zu geben vermochten. Der erste Kontakt mit Amerikanern nach dem Krieg fand durch deren Soldaten statt, und mit deren Einmarsch fing die Amerikanisierung der (west-)deutschen Gesellschaft an. Zwar würden die bekannten Phänomene des Amerikanisierungsgeschehens, wie etwa die Popkultur (Jazz, Rock 'n' Roll), Kleidung (Blue Jeans) und ein völlig neu geordnetes Warenangebot (z. B. Supermarkt) erst Jahre später ihre Wirkungen im Alltagsleben entfalten, aber der erste Kontakt mit den Besatzern hatte bereits prägenden Charakter. Sie wurden von der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung in Verbindung gebracht mit überlegener Technik, Nahrung im Überfluss und Wohlstand, zudem als ein Musterbild der Humanität. Die Lebensformen der amerikanischen Soldaten in den deutschen Städten, besonders nach Aufhebung des Fraternisierungsverbots, hatte besonderen Einfluss auf die Jugend, die zum Träger der Westernisierung (West-)Deutschlands werden sollte. Die Abweichung von den kulturellen Normen der Weimarer Republik war bereits wenige Jahre nach Kriegsende deutlich absehbar. Ende der 1960er Jahre wurde dann erkennbar, mit welcher Intensität sich das soziale Verhalten und die Normen und Werte verändert hatten. Aus dem alten Antiamerikanismus wurde in dialektischer Verbindung mit der kulturellen Amerikanisierung eine ideologisch begründete Abwehrhaltung gegenüber den USA, die es erlaubte, Woodstock mitzuvollziehen und gleichzeitig die Aversion der Väter gegen die Vereinigten Staaten fortzuführen.

Amerikanisierungen fanden in der gesamten Einflusssphäre der USA nach dem Zweiten Weltkrieg statt, und auch darüber hinaus; allerdings bedingte der Status der USA als Besatzungsmacht in Westdeutschland nationale Besonderheiten, vor allem im Hinblick auf den engen Bezug zur Ebene des staatlichen Handelns und des Wiederaufbaus. Wesentliche Elemente aus dem New Deal wurden für den sogenannten Marshallplan herangezogen, der den Wiederaufbau Europas und vor allem Westdeutschlands formen sollte. Dabei waren durchaus stark expansive und hegemoniale Interessen der privaten Wirtschaft im Spiel, die in Washington politisch gebündelt und in die BRD übertragen wurden. Daneben spielten regierungsunabhängige Kontakte zwischen Verbänden, Interessengruppen und kleineren Expertenzirkeln eine entscheidende Rolle, die auf deutscher Seite überproportional durch ehemalige Mitglieder des deutschen Exils geprägt waren. Die Rolle dieser informellen Zirkel kann bei der Betrachtung der Amerikanisierung und Westernisierung der westdeutschen Gesellschaft kaum überbewertet werden.[4]

Die ideelle Westintegration der BRD in die atlantisch-westeuropäische Wertegemeinschaft erfolgte erst viele Jahre nach der Besatzung. Unmittelbar wahrzunehmen sind allerdings die Einflüsse, die in der „Modernisierung im Wiederaufbau“[5] deutlich werden. Dabei fand teils eine intensive, teils aber auch gar keine Amerikanisierung statt. Oft spielten auch Ideen aus anderen europäischen Ländern eine wichtigere Rolle als Ideen aus den USA. So lässt sich für sozialökonomische und verfassungspolitische Richtungsentscheidungen ein starker US-amerikanischer Einfluss konstatieren, wobei aber keinesfalls ein eindeutig diagnostizierbarer Kulturtransfer im Sinne einer „Einbahnstraße“ von den USA nach Deutschland stattgefunden hat. So wurde beispielsweise der Rahmen für die neue Wirtschaftsordnung nach keynesianischem Denkmuster klar von den USA gesetzt, sozialpolitische Errungenschaften aus der deutschen Vergangenheit aber gegen den Willen der USA beibehalten. Im Bereich der Bildungspolitik, um ein weiteres Beispiel zu nennen, widersetzte sich Deutschland komplett den Versuchen der USA, ein High school System nach US-amerikanischem Vorbild in Deutschland zu installieren. Allgemein handelten die Amerikaner nach dem Grundsatz, dass eine freiwillige und überzeugte Mitarbeit der Deutschen unausweichlich war, um in Westdeutschland ein dauerhaft stabiles und im Wesen integriertes System zu errichten. Dieser Grundsatz öffnete Gestaltungsmöglichkeiten für die deutsche Seite bei der Neugestaltung ihres Landes.

Am deutlichsten tritt die Amerikanisierung der deutschen Gesellschaft in der Populär- und Alltagskultur hervor. Musik, Film, Fernsehen, Konsummuster, Kleidungs- und Wohnstile und vieles mehr tragen heute in Deutschland eine stark von der US-amerikanischen Kultur beeinflussten Grundcharakter. Die Geschwindigkeit, mit der dieser Amerikanisierungsprozess fortschritt, war allerdings in den verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen und Institutionen höchst unterschiedlich. So ist im Bereich der Populärkultur festzustellen, dass zuerst die Arbeiterjugend nach dem Krieg US-amerikanische Rollenmuster und Gewohnheiten übernahm und als Halbstarke eine erste Jugendbewegung konstituierten. Die bürgerliche Jugend war zu Beginn wesentlich resistenter gegen amerikanische Einflüsse, nicht zuletzt wegen der zunächst auch sehr ablehnenden Haltung der Eltern. Das konservative Bürgertum war noch Jahrzehnte in elitären Denkmustern gefangen, die die deutsche Kultur als überlegen darzustellen versuchten und im Gegensatz dazu das Bild von einem „kulturlosen“ Amerika zu zeichnen versuchten. Die amerikanischen Konsummuster wurden hingegen sehr viel schneller und ohne Widerstand übernommen.[3]

Die 1960er Jahre gelten als Wendepunkt des Westernisierungsgeschehens in Westdeutschland. Wie bereits erwähnt hatte die sogenannte 68er-Bewegung keinerlei Probleme, ihre massive ideologische Kritik an den USA mit einer ebenso massiven Übernahme US-amerikanischer Kultur- und Verhaltensmuster zu verbinden. Auf institutioneller Ebene tritt besonders die sehr stark von den USA beeinflusste Westernisierung der Arbeiterbewegung hervor. Sowohl die SPD mit dem Godesberger Programm wie auch der DGB mit dem Düsseldorfer Programm akzeptierten nach langem internen Kampf und massiver Einflussnahme durch die Amerikaner die Soziale Marktwirtschaft, die Westbindung sowie die Orientierung an dem angelsächsischen Demokratieverständnis. Der unter anderem an dem New Deal angelehnte Konsenskapitalismus hatte damit auch in der deutschen Arbeiterbewegung seine Verankerung gefunden, was nichts anderes als einen fundamentalen Wandel vom Ziel des Systemwechsels hin zu einer systemkonformen Politik bedeutete.[4] Aber auch hier kann von einer reinen Amerikanisierung der Arbeiterschaft keinesfalls gesprochen werden, trotz des massiven Einflusses der USA. Vielmehr waren auch Einflüsse anderer europäischer Nationen wirksam, und Konzepte wurden generell nicht einfach übernommen, wie es in anderen Bereichen durchaus der Fall war und ist, sondern in einem Aneignungsprozess im Zuge eines interkulturellen Transfers langsam den deutschen Bedingungen und Wünschen angepasst.

Dieses und viele andere Beispiele zeigen, dass eine Amerikanisierung auf bestimmten Ebenen durchaus stattgefunden hat, man aber in gesellschaftlicher Perspektive unter Einbeziehung größerer Entwicklungsstränge insgesamt weniger von Amerikanisierung, als vielmehr von Westernisierung sprechen kann.

Antiamerikanismus in Deutschland und Europa

US-amerikanischer Kulturtransfer trifft in Europa seit dem Ende des 1. Weltkriegs auf faszinierte Nachahmer, kritische Neugier und heftige Ablehnung zugleich. Die Lebensformen in den USA galten so auch in der Weimarer Republik als Anschauung und Modell der Moderne und forderten in positiver wie negativer Hinsicht Parteinahme heraus. Bekannt als zeittypisches Beispiel einer scharfen Ablehnung wurde das Buch von Adolf Halfeld, „Amerika und der Amerikanismus“, erschienen 1927. Sein Weltbild war militaristisch und männerbündisch: er verabscheute angstvoll den zivilen Habitus der USA, die angebliche „Girl-Kultur“ und den „Kulturfeminismus“. Demgegenüber pries er die „deutschen Männer“, und die preußische Armee als „das wundervollste Instrument des deutschen Volkes“. In seiner Kritik am „Kulturfeminismus“ bündelte Halfeld alle Argumente gegen eine moderne Zivilgesellschaft. Im Kern ging es ihm darum, die Gefahr einer modernen, egalitären Massenkultur zu beschwören und einen Zusammenhang herzustellen gegen Egalitarismus und Demokratie.

Mit der sogenannten Machtergreifung der Nationalsozialisten siegten 1933 die Anti-Modernisten, obgleich es sich nicht nur bei der Führungsschicht um Leute handelte, die die US-amerikanischen Leistungen in Technik, Massenunterhaltung und Information zutiefst bewunderten. So wurden unter der nationalsozialistischen Diktatur in den ersten Jahren die Reisemöglichkeiten in die USA sowie das Fach Amerikanistik an den Universitäten stark ausgebaut und selbst im Schulunterricht das Fach „Amerikakunde“ eingeführt. Wirtschaft und Technik sahen sich verstärktem Rationalisierungsdruck ausgesetzt; schließlich war Henry Fords Biographie zeitweise Hitlers erklärtes „Lieblingbuch“ und der Fordismus ein von den Nationalsozialisten bewundertes Konzept. Der staatliche Wettbewerb mit den USA wurde gezielt forciert. Die Propaganda wurde darauf ausgerichtet, traditionell mit dem Amerikanismus assoziierte Phänomene allmählich zu „germanisieren“. Es wurde der Versuch unternommen, das Modernisierungsparadigma mit nationalsozialistischen Inhalten zu füllen und international zur Geltung zu bringen. Die ideelle antiwestliche Unterströmung in Teilen der Bevölkerung wurde allerdings dazu genutzt, die nationalsozialistische Kraftentfaltung in einen antagonistischen Bezug zu den USA zu stellen, mit dem Antibolschewismus zu einem Feindbild zu verweben und beide mit einem kruden Antisemitismus zu überwölben.

Nach dem Zweiten Weltkrieg kann zunächst bezüglich der Beharrungstendenzen im konservativen Bürgertum und der Verhaftung in Weimarer Traditionen von einem Antiamerikanismus gesprochen werden. Zudem spielte ein elitärer, eurozentrischer Kulturbegriff zu einer ablehnenden oder abschätzigen Haltung gegenüber den USA. Eine andere Richtung des Antiamerikanismus waren die Proteste der 68er-Bewegung unter anderem gegen den Vietnamkrieg. Ein letzter Höhepunkt ist in den letzten Jahren auszumachen, vor allem bedingt durch eine allgemein als unilateral und imperialistisch empfundene Politik der konservativen Regierung unter dem Präsidenten George W. Bush und in Folge der Weltwirtschaftskrise seit dem Jahr 2008. Dabei wird teils die Politik der Vereinigten Staaten nicht nur als eine wesentliche, sondern als alleinige Ursache der Wirtschaftskrise betrachtet und in vielen europäischen Regierungserklärungen und Medienberichten eine Mitverantwortung europäischer Regierungen ausgeblendet.

Ausblick

Infolge der 2008 einsetzenden Wirtschaftskrise hat die USA an internationaler Glaubwürdigkeit und Ansehen so stark eingebüßt, dass sie auch an außenpolitischer Machtstellung verliert und aus eigener Einsicht unrealistische Zielsetzungen zurücksteckt. Der US-amerikanische Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Krugman erwartet durch die Finanzkrise unmittelbar Folgen für die von den Vereinigten Staaten bislang weltweit ausgeübte Rolle als Vorreiter und Vorbild in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft:[6] “Gone are the days, from Pax Britannica to Pax Americana, when Britain and the United States made the rules that others followed.”[7] Zwar ist er davon überzeugt, dass Europa noch stärker von der Wirtschaftskrise betroffen sein wird als die USA, mahnt allerdings zugleich: „Amerika braucht einen Sozialstaat nach dem Vorbild Europas und ein stark reguliertes Finanzsystem.“[8] Inwieweit und inwiefern diese Ansichten Krugmans eine Veränderung des Paradigmas der Amerikanisierung widerspiegeln, lässt sich noch nicht absehen.

Ein entgegengesetzter Trend könnte sein: Nach den durch US-Präsident Obama angekündigten Erleichterungen im Reiseverkehr werden jährlich 3,5 Millionen US-Touristen in Kuba erwartet, dessen Bevölkerung 11 Millionen beträgt. Es wird dadurch auch mit Auswirkungen auf die Kultur des Landes gerechnet.[9]

Phänomene

Alltagskultur

Wirtschafts- und Arbeitskultur

Politische Kultur

  • Parlamentarische Demokratie
  • Der Begriff Amerikanisierung ist in den letzten zehn Jahren in der Politikwissenschaft und Medienwissenschaft sehr populär für die Beschreibung der Modernisierung der Politischen Kommunikation geworden. In diesem Bereich konnte sich der Begriff der Amerikanisierungsthese etablieren, der sich insbesondere auf die Veränderung und Entwicklung des Wahlkampfes bezieht (stärkere Nutzung des Fernsehens, damit einhergehend die Wichtigkeit, dass ein Kandidat „medientauglich“ und fotogen ist; Willy Brandt als „deutscher Kennedy“; TV-Duelle).

Wissenschaft

Nach Einschätzung des Soziologen Friedrich H. Tenbruck[11] kann man von 1945 an nicht mehr von einer „deutschen Soziologie“ sprechen, vielmehr von einer „Soziologie in Deutschland“. Unter dem Einfluss der amerikanischen Soziologie wurde weltweit die Soziologie international ausgerichtet, wobei die USA als Umschlagplatz auch für nicht amerikanische Wissenschaft dient. Eine Anknüpfung an die Tradition der deutschen Soziologie der Vorkriegszeit fand nur in geringem Ausmaße statt, und selbst diese nahm in der Regel den Umweg über die USA.

Insgesamt orientierte sich das deutsche Universitätsmodell seit Ende des Zweiten Weltkriegs am amerikanischen Vorbild. Die Einführung von Studienabschlüssen wie Bachelor und Master sowie von Organisationsformen nach amerikanischen Vorbildern wie Präsidialverfassung, Hochschulräten oder Juniorprofessuren sind lediglich die jüngsten Ausprägungen dieser länger andauernden Tendenz.[12] Neben dem Bologna-Prozess zählt auch die Förderung der Herausbildung von Eliteschulen und -universitäten („Ivy League-Systeme“) zu diesem Komplex.

Literatur

  • Gustav W. Meyer: Die Amerikanisierung Europas. Kritische Beobachtungen und Betrachtungen. Technischer Verlag, Bodenbach/Elbe 1920.
  • Kaspar Maase: BRAVO Amerika. Erkundungen zur Jugendkultur der Bundesrepublik in den fünfziger Jahren. Hamburg 1992.
  • Axel Schildt, Arnold Sywottek (Hrsg.): Modernisierung im Wiederaufbau. Die westdeutsche Gesellschaft der fünfziger Jahre. Dietz, Bonn 1993, ISBN 978-3-80124-091-2.
  • Konrad H. Jarausch, Hannes Siegrist (Hrsg.): Amerikanisierung und Sowjetisierung in Deutschland 1945–1970. Campus, Frankfurt am Main, New York 1997, ISBN 978-3-593-35761-4.
  • Philipp Gassert: Amerikanismus, Antiamerikanismus, Amerikanisierung. Neue Literatur zur Sozial-, Wirtschafts- und Kulturgeschichte des amerikanischen Einflußes in Deutschland und Europa. In: Archiv für Sozialgeschichte. 39, 1999.
  • Anselm Doering-Manteuffel: Wie westlich sind die Deutschen? Amerikanisierung und Westernisierung im 20. Jahrhundert. Vandenhoeck und Ruprecht, Göttingen 1999, ISBN 3-525-34017-6.
  • Heinz-Günter Schmitz: Die Amerikanisierung und Internationalisierung der deutschen Sprache nach dem Zweiten Weltkrieg. Unser Land – Wissenschaftliche Stiftung für Deutschland e. V., Starnberg 1999.
  • Axel Schildt: Sind die Westdeutschen amerikanisiert worden? Zur zeitgeschichtlichen Erforschung kulturellen Transfers und seiner gesellschaftlichen Folgen nach dem Zweiten Weltkrieg. In: Aus Politik und Zeitgeschichte. B50, 2000, S. 3–10.
  • Heide Fehrenbach, Uta G. Poiger (Hrsg.): Transactions, Transgressions, Transformations: American Culture in Western Europe and Japan. Berghahn, New York, Oxford 2000, ISBN 978-1-57181-108-0.
  • Julia Angster: Konsenskapitalismus und Sozialdemokratie. Die Westernisierung von SPD und DGB. Oldenbourg, München 2003, ISBN 3-486-56676-8.
  • Susanne Hilger: „Amerikanisierung“ deutscher Unternehmen. Wettbewerbsstrategien und Unternehmenspolitik bei Henkel, Siemens und Daimler-Benz (1945/49–1975). Steiner, Stuttgart 2004, ISBN 3-515-08283-2. (Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte: Beihefte; Nr. 173).
  • Victoria de Grazia: Irresistible Empire: America's Advance through 20th-Century Europe. Belknap Press, Harvard 2005, ISBN 978-0-674-01672-9.
  • Alexander Stephan, Jochen Vogt (Hrsg.): America on my mind. Zur Amerikanisierung der deutschen Kultur seit 1945. Fink, Paderborn 2006, ISBN 978-3-7705-4329-8.
  • Frank Becker, Elke Reinhardt-Becker (Hrsg.): Mythos USA. „Amerikanisierung“ in Deutschland seit 1900. Campus, Frankfurt am Main, New York 2006, ISBN 978-3-593-37994-4.
  • Lars Koch (Hrsg.): Modernisierung als Amerikanisierung? Entwicklungslinien der westdeutschen Kultur 1945–1960. transcript, Bielefeld 2007, ISBN 978-3-89942-615-1.

Weblinks

 Commons: Amerikanisierung – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Philipp Gassert: Amerikanismus, Antiamerikanismus, Amerikanisierung. Neue Literatur zur Sozial-, Wirtschafts- und Kulturgeschichte des amerikanischen Einflußes in Deutschland und Europa. In: Archiv für Sozialgeschichte 39, 1999.
  2. Rob Kroes: American Mass Culture and European Youth Culture. in: Axel Schildt und Detlef Siegfried: Between Marx and Coca-Cola. Youth Cultures in Changing European Societies 1960–1980. New York/Oxford 2006, S. 82–105.
  3. a b c Anselm Doering-Manteuffel: Wie westlich sind die Deutschen? Amerikanisierung und Westernisierung im 20. Jahrhundert, Vandenhoeck und Ruprecht, Göttingen 1999, ISBN 3-525-34017-6.
  4. a b Julia Angster: Konsenskapitalismus und Sozialdemokratie. Die Westernisierung von SPD und DGB. Oldenbourg, München 2003, ISBN 3-486-56676-8.
  5. Axel Schildt, Arnold Sywottek (Hrsg.): Modernisierung im Wiederaufbau. Die westdeutsche Gesellschaft der fünfziger Jahre. Dietz, Bonn 1993, ISBN 978-3-80124-091-2.
  6. Paul Krugman: America the Tarnished. In: The New York Times, 29. März 2009.
  7. Helene Cooper: Obama’s Star Turn at Summit Gets Mixed Results. In: The New York Times, 2. April 2009.
  8. Moritz Koch: Wir müssten schon einen neuen Planeten finden. In: Süddeutsche Zeitung, 14. April 2009.
  9. Rory Carroll: Open for business. In: Manchester Guardian, 15. April 2009.
  10. Daniel Schönwitz, Melanie Bergermann (Frankfurt), Martin Gerth, Andreas Henry (New York), (Hauke Reimer) Frankfurt, Christof Schürmann: Die Amerikanisierung der Finanzmärkte und ihre Folgen. wiwo, 2. Juli 2008.
  11. Friedrich H. Tenbruck: Deutsche Soziologie im internationalen Kontext. Ihre Ideengeschichte und ihr Gesellschaftsbezug. In: Günther Lüschen (Hrsg.): Deutsche Soziologie seit 1945. ISBN 3-531-11479-4 (Sonderheft 21/1979 der Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie).
  12. Stefan Paulus: Vorbild USA? Amerikanisierung von Universität und Wissenschaft in Westdeutschland 1945–1976. München 2010, ISBN 978-3-486-59642-7 (Studien zur Zeitgeschichte, Bd. 81).

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