Jenseits

Jenseits
Nahtoderfahrungen beschreiben häufig einen Tunnel mit Licht, von dem die Seele magisch angezogen wird.

Jenseits (als Substantiv) ist ein etwa seit dem Beginn der Moderne im Deutschen geläufiger Begriff zur Bezeichnung des „anderen Bereichs“, der sich nach mythischen, religiösen und esoterischen Vorstellungen jenseits der normalerweise wahrnehmbaren Welt befindet. Den Gegensatz dazu bildet das „Diesseits“ als Gesamtheit der Phänomene, die normaler Wahrnehmung zugänglich sind und im Rahmen der bislang bekannten Naturgesetze beschrieben werden können. Das Jenseits wird mitunter auch zum Bereich des „Übernatürlichen“ gezählt. Damit wird ein Unterschied zwischen „Natur“ und „Übernatur“ angenommen, wobei der mehrdeutige Begriff „natürlich“ als Synonym von „diesseitig“ verwendet wird.

Inhaltsverzeichnis

Lokalisierung

„Jenseits“ kann in einem örtlichen Sinn verstanden werden (etwa als ein bestimmter Ort, an dem Götter oder die Seelen Verstorbener leben) oder auch zeitliche Bedeutung haben. Zeitlich aufgefasst bedeutet es „jenseits des (irdischen) Lebens“ (Leben nach dem Tod) oder „jenseits der Zeit“ (Ewigkeit, zeitlose Existenz).

Der Bereich des Jenseits wird in den verschiedenen Mythen und Religionen unterschiedlich lokalisiert. Es kann sich um bestimmte unzugängliche oder schwer zugängliche Orte auf der Erde handeln (als heilig betrachtete Berge, Höhlen, Wälder oder auch andere Tabu-Bezirke und Heiligtümer). Nach manchen Traditionen befindet sich das Jenseits oder ein Teil davon unter der Erde in einer Unterwelt, einem unterirdischen Totenreich, nach anderen im Himmel, wobei der Begriff „Himmel“ konkret oder metaphorisch aufgefasst werden kann. In manchen Lehren wird darauf hingewiesen, dass das Jenseits im Inneren des Menschen oder der Seele erfahrbar sei (metaphorisch ausgedrückt im „Herzen“) und sich daher dort befinde. Damit wird die räumliche Jenseitsvorstellung durch eine andere ergänzt oder ersetzt, der zufolge das Jenseits eher einen seelischen Zustand darstellt.

Religiöse Jenseitsvorstellungen

Vorgeschichtliche Zeit und Naturreligionen

Die ältesten archäologisch nachweisbaren oder zumindest aufgrund der archäologischen Befunde wahrscheinlichen Jenseitsvorstellungen zeigen sich in der Bestattungskultur. Grabbeigaben (Waffen, Lebensmittel, Schmuck) deuten darauf, dass man mit einem Fortleben des Bestatteten in einem Jenseits rechnete, in welchem er weiterhin irdische Bedürfnisse hätte. Der Aufwand, der mancherorts schon in vorgeschichtlicher Zeit bei der Grabausstattung getrieben wurde, lässt erkennen, dass die Jenseitsvorstellungen und Erwartungen eines Lebens nach dem Tod in der damaligen Gedankenwelt eine bedeutende Rolle spielten.

Quellen für die Jenseitsvorstellungen in Naturreligionen sind unter anderem Berichte über schamanische Jenseitsreisen.

Hinduismus

Der Hinduismus enthält ein hochkomplexes Jenseitsbild. Die vedische Religion hatte ein Paradies (Land der Väter) bereit, das allen Opfernden bereitstand. Da Wohlhabende mehr Mittel für Opfergaben hatten, konnten sich diese mehr Opfer leisten und erhielten damit einen besseren Platz im Jenseits. Die sozialen Unterschiede des Diesseits wurden somit im Land der Väter aufrechterhalten.[1] Später setzte man neben die Götterwelt der Unsterblichen eine dem Kreislauf der Reinkarnationen unterworfene Väterwelt der Unsterblichen. Zahlreiche Höllen lösten einander ab, die das wahre Jenseits zum fernen Endziel machten. Hindus sehen Moksha, die Erlösung aus dem Kreislauf der Wiedergeburten (Samsara), als Endziel an. Zwar gibt es auch Vorstellungen vom Himmel, den eine Person mit gutem Karma nach dem Tod des Körpers genießen kann, dieser ist jedoch nur vorübergehend. Auch beschreiben die Mythen verschiedene Höllen für Übeltäter, jedoch geht man davon aus, dass keine noch so schwere Verfehlung ewige Wirkung haben könnte. Das Individuum komme unweigerlich auf die Erde zurück und der Kreislauf von Geburt zu Geburt gehe weiter, bis zur endgültigen Erlösung.

Buddhismus

Der Buddhismus nimmt die im indischen Raum vorherrschende Glaubensvorstellung der Wiedergeburt auf und sieht somit sein Endziel nicht im Erreichen einer göttlichen Welt oder eines Paradieses, in welches das Individuum nach dem Ableben eintreten könnte. Der Grund dafür ist, dass jegliche bedingte Daseinsform, so genussvoll sie auch sein mag, als letzten Endes vergänglich betrachtet wird und somit keine absolute Erfüllung schenken kann. Vielmehr wird eine Loslösung aus dem Kreislauf des bedingten Entstehens (pratityasamutpada) von Geburt und Tod angestrebt. Diese Befreiung ist das Nirvāna, das als Ende allen Leids beschrieben wird.

Die direkte Ursache der Wiedergeburt im Daseinskreislauf (samsara) ist ein von Begierde, von Durst getriebener Geist. Die Grundlage für das Entstehen von Begierde ist Unwissenheit, d. h. das Nicht-Wissen um die tatsächliche Beschaffenheit der Welt, bzw. der Gegebenheiten (Pali: dhammas). Solange diese „Befleckungen“ den Geist konditionieren, erfolgt daraus eine letztlich von Leid, bzw. der Unmöglichkeit, letztendliche Erfüllung zu finden (Pali: dukkha), gekennzeichnete Wiedergeburt. Zum Unterschied zu anderen im indischen Subkontinent verbreiteten Vorstellungen, verzichtet der Buddhismus allerdings auf metaphysische Spekulationen bezüglich einer wie auch immer gearteten Seele oder einer dem Menschen (bzw. den Lebewesen im Allgemeinen) innewohnenden nicht-materiellen Substanz, die von Wiedergeburt zu Wiedergeburt fortdauern würde, um schließlich Erlösung zu erlangen. In den frühen Schriften des Pali-Kanon vermeidet der Buddha das Formulieren derartiger Philosophien mit der Begründung, sie würden seine Zuhörer bloß in ein Netz von Gedankenkonstrukten verwickeln, was für die Befreiung nicht zuträglich sei. Weder das Anhaften an die Idee eines Selbst, noch das geistige Greifen nach der Vorstellung eines Nicht-Selbst könne dem Menschen den ersehnten Frieden schenken. Es gilt, sich von Gedankenkonstrukten über die Beschaffenheit der Welt zu lösen, um die Dinge so zu sehen, wie sie sind: vergänglich (anicca), nicht das Selbst (anatta) und letztlich nicht erfüllend (bzw. leidhaft – dukkha). Was das „Selbst“ nicht ist, erläutert der Buddha aber unermüdlich, um falsche Vorstellungen diesbezüglich aufzulösen, nämlich alle empirisch erfassbaren Gegebenheiten und Phänomene, inklusive der die menschliche Erfahrung konstituierenden Aggregate (Sanskrit: skandha, Pali: khandha).

Das für den Buddhismus charakteristische Modell des Nicht-Selbst (Sanskrit: anatman; Pali: anatta) in Verbindung mit der Wiedergeburt wird in einem bekannten Lehrgespräch zwischen dem Mönch Nagasena und dem hellenistischen König Menandros anschaulich dargestellt (siehe Milindapañha). Auf die Frage hin, ob ein Wiedergeborener derselbe oder ein anderer sei als der Verstorbene, heißt es: „Weder derselbe noch ein anderer.“ Vielmehr, so Nagasena, verhält es sich bei der Wiedergeburt wie mit dem Licht einer Öllampe, das eine Nacht lang brennt. Man könne weder behaupten, die Flamme am Morgen sei identisch mit der des Vorabends, noch sie wäre eine völlig andere. Es ließe sich lediglich feststellen, dass die am Morgen abhängig von der des Vorabends sei. Das heißt, bedingt durch diese Flamme (bzw. diesen Menschen) kommt die nächste zum Erscheinen (bzw. die Wiedergeburt). Ein Bewusstseins-Moment bedingt den nächsten, ohne dass es in diesem Prozess eine unwandelbare, fortdauernde Substanz geben müsste. Und dies gilt auch für die Wiedergeburt: der letzte Bewusstseins-Moment eines Lebens bedingt den ersten Moment des nächsten.

Im Allgemeinen kennen alle buddhistischen Traditionen die drei-schichtige Welt, die in sechs Daseinsbereiche untergliedert wird, in denen Wesen geboren werden. Die erste dieser drei Schichten wird vor allem durch Begierde gekennzeichnet (kāmadhātu) und beinhaltet die Welten der Höllenwesen, der hungrigen Geister (preta), der Tiere, der Menschen, der Asura-Wesen und einen Teil der Götterwelten. Eine Wiedergeburt in diesen Welten ist bedingt durch einen von Begierde, Zorn und Verblendung konditionierten Geisteszustand. Die zweite Schicht „beherbergt“ Götterwesen, deren Dasein zwar keine Verlangen auftreten lässt, die aber durch eine manifeste Form gekennzeichnet sind (rūpadhātu). In der dritten Schicht, dem Formlosen (arūpadhātu), befinden sich Götterwesen, deren Dasein besonders subtil und somit nicht durch manifeste Formen gekennzeichnet ist. Eine Geburt in die letzten zwei „Schichten“ ist bedingt durch einen Geist, der durch stabile Konzentration und bestimmte Formen der Meditation zwar frei von grobem Verlangen ist, die endgültige Befreiung allerdings nicht erlangen konnte. Da diese Zustände bedingt und somit vergänglich sind, sind sie aus buddhistischer Sicht letztlich nicht erstrebenswert.

Der Mahāyāna-Buddhismus kennt eine Vielzahl an Buddha Gestalten oder Formen, denen jeweils bestimmte Bereiche (siehe Reines Land) zugeordnet sind. Unter ihnen ist besonders der „Bereich der Freude“ von Buddha Amitabha erwähnenswert, da auch gewöhnliche, nicht-erleuchtete Wesen dorthin gelangen können. Voraussetzung dafür ist ein unerschütterlicher Glaube und die geistige Ausrichtung auf diesen Buddha im Augenblick des Todes. Aber auch dieser Bereich ist kein Endziel an sich, wird jedoch sehr wohl als perfektes Umfeld für das schnelle Erlangen der Erleuchtung angesehen. Manche Schulen des Buddhismus richten ihre religiösen Praktiken ausschließlich auf Buddha Amitabha und sein Reines Land aus.

Philosophisch betrachtet stellt die Mahāyāna-Tradition ebenfalls einen Gegensatz zur Theorie des Theravada dar. Die Dualität von Weltenkreislauf (samsara) vs. nirvana wird in der Philosophie des Madhyamaka völlig aufgehoben. Das Freisein vom Bedingten, das Nirvana, welches zunächst das ausgesprochene Ziel der buddhistischen Praxis darstellt, wird nicht mehr jenseits der bedingten Welt, dem samsara, angesiedelt. Vielmehr ist es möglich dieses Ziel zu erreichen, indem man die eigentliche Natur aller Gegebenheiten erkennt. Diese Natur wird als Śūnyatā (Leerheit) bezeichnet, was allerdings nicht mit Nihilismus gleichzusetzen wäre. Es ist vielmehr die Erkenntnis dieser letztendlichen Natur der Dinge, jenseits von begrifflich erfassbaren Kategorien wie Sein oder Nicht-Sein, die zur wahren Befreiung führt.

Im tibetischen Buddhismus ist darüber hinaus auch häufig von einem sogenannten Zwischenzustand (Bardo) zwischen Ableben und Wiedergeburt die Rede. In diesem Zustand, der in der Regel 49 Tage andauern soll, irrt der Geist der Verstorbenen meistens verwirrt und verängstigt umher, ehe er in einen neuen Mutterschoß eintreten kann. In dieser Zeit werden häufig Rituale für Verstorbene durchgeführt, um ihnen diesen Übergang zu erleichtern. Fortgeschrittene Praktizierende bestimmter Meditationsformen sollen selbst den Augenblick des Todes oder darauffolgende Zustände für ihre Praxis nutzen können, um letztendliche Erleuchtung (Buddhaschaft) zu erlangen. In diesen aus dem tantrischen Buddhismus (Vajrayana) stammenden Übungen, gilt es die zu Lebzeiten eingeübte Meditationen zur Rechten Zeit anzuwenden, um die wahre Natur des eigenen Geistes unverschleiert zu erkennen. Diese Erkenntnis führt sodann unmittelbar zur Befreiung.

Daoismus

Im Daoismus wurden eine Vielzahl von Vorstellungen über jenseitige Gefilde entwickelt. Insbesondere im Shangqing-Daoismus spielen diese auch in der religiösen Praxis eine Rolle.

Judentum

Das Judentum entwickelte nie eine eindeutige Vorstellung über das Geschehen nach dem Tode. Es haben sich vielmehr wesentlich zwei Lehrmeinungen herausgebildet, die sich auf eine unbestimmte Menge von Hinweisen im Tanach beziehen.

  1. Die eine Lehrmeinung nimmt die Auferstehung der Toten an, d. h. die Menschen sterben mit Leib und Seele, aber werden in der messianischen Zeit wiederbelebt und leiblich auferstehen (Daniel 12,2; Sanhedrin 10,1). Die Auffassung von einer Auferstehung der Toten entwickelte sich im nachexilischen Judentum (Diaspora, Babylonisches Exil). In der jüdischen Apokalyptik wurde diese Vorstellung weiter ausgebaut zu einer Auferstehung in Verbindung mit einem Gericht Gottes über die Welt. Mit dieser Auferstehung war nach jüdischen Begriffen eine körperliche Auferstehung gemeint – entweder die körperliche Auferstehung aller Menschen oder die körperliche Auferstehung der Menschen, die im Bund Israels mit Gott eingeschlossen sind. Das Schicksal des einzelnen Menschen trat in dieser kollektiven Sicht zurück, war aber darin eingeschlossen. Das Pharisäertum zur Zeit Jesu bejahte den Glauben an eine Auferstehung; das herrschende Priestertum (vorwiegend aus der Gruppe der Sadduzäer, die mit der römischen Besatzungsmacht kollaborierte) lehnte sie ab.
  2. Die andere jüdische Lehrmeinung nimmt an, dass die reine Seele, unbefleckt durch Geburt, Leben und Tod, wieder rein zu Gott zurückkehrt. Sie geht von der Unsterblichkeit der Seele aus und davon, dass diese nach dem Tod unabhängig vom Körper weiterlebt (Schabbat 152b, Proverbien 12,28). Das herrschende Priestertum (vorwiegend aus der Gruppe der Sadduzäer), kollaborierend mit der römischen Besatzung, zur Zeit Jesu, lehnte die fleischliche Auferstehung ab.
  3. Weiterhin gab es eine Vermengung dieser beiden Lehrmeinungen zur folgenden, dass nämlich die Seele den Tod des Menschen überlebe und bis zur messianischen Zeit weiterlebe und sich schließlich mit dem Körper neu vereinige und leibhaftig auferstehe.

In der Kabbala, der jüdischen Mystik, ist die Wiederverkörperung eine göttliche Strafe. Diese dient dazu, die Seele in einem neuen Körper der Vervollkommnung zuzuführen. In Teilen des Chassidismus und anderen Strömungen innerhalb des orthodoxen Judentums werden heute am Rande der Lehren auch Varianten der Reinkarnation vertreten. In der jüdischen Eschatologie gibt es drei Bereiche: -Weiterleben der Seele nach dem Tod -Wiederauferstehung der Toten -Glaube an den Messias

Christentum

Das Christentum stellt das Jenseits als endzeitlich hereinbrechendes dar, an dessen Ende die volle Gemeinschaft mit Jesus Christus steht (siehe auch Eschatologie und Himmel). Das Neue Testament beschreibt es jedoch eher zurückhaltend gleichnishaft und hält sich bei Details zurück. Das Christentum glaubt an die Auferstehung von den Toten. Die Seele wandert aus dem irdischen, verweslichen Körper in einen himmlischen, unverweslichen Körper (siehe z. B. Matthäus 22,23,[2] 1 Korinther 15[3]). Es betont das (Jüngste) Gericht, dem eine Scheidung in Himmel und Hölle entspricht. Der Begriff der Hölle ist im Christentum umstritten (siehe dort). Vermittler in Gestalt von Engeln und Dämonen können ggf. zum Jenseits Kontakt herstellen. Eine besondere Bedeutung erlangte das Fegefeuer (siehe: Dante, Göttliche Komödie).

Nach dem Neuen Testament wäre es für den Menschen kaum möglich, aus eigener Kraft das Himmelreich zu erlangen: im Nadelöhr-Gleichnis spricht Jesus davon, dass eher ein Kamel durch ein Nadelöhr schlüpfen kann, als dass ein Reicher ins Himmelreich kommt (Markus Kapitel 10, Verse 23-25). Erst durch das Eingreifen Gottes selbst wird dies möglich: als nämlich die Jünger über die Worte Jesu erschrecken, fügt Jesus hinzu: "Bei den Menschen ist’s unmöglich, aber nicht bei Gott; denn alles ist möglich bei Gott." (Mk 10, 26-27)

Die offizielle Lehre der römisch-katholischen Kirche vom Jenseits ist insbesondere im Katechismus der Katholischen Kirche niedergelegt. Die zu diesem Thema offizielle Lehre der Neuapostolischen Kirche ist hier zu lesen: Entschlafenenwesen der Neuapostolischen Kirche

Des Weiteren sind in christlicher Volksfrömmigkeit verschiedene bildhafte Vorstellungen vom Jenseits präsent. Das Jenseits beschreibt darin den Ort, welchen die Seele nach Eintreten des körperlichen Todes direkt erreicht. Das Diesseits, in dem der menschliche Körper mit der Seele lebt, ist demnach nur einer von drei Bereichen (Diesseits, Jenseits oder Himmelreich), in die der Mensch gelangen kann. Geläuterte Seelen werden demnach aus dem Jenseits von Engeln in das Himmelsreich weiter geleitet, die anderen Seelen bleiben solange im Jenseits, bis ihr seelischer Zustand für den Himmel weitergereift ist. Wobei dies der Bibel nicht zu entnehmen ist. Dort gilt eher: Himmelreich = Jenseits. Jedoch kann nur Gott schauen, wer auch im irdischen Leben an ihn geglaubt hat. Auch ist das Himmelreich stark hierarchisch strukturiert. Es gibt verschiedene Glücklichkeitsstufen, die auf die eigene Rückschau auf das irdische Leben und damit verbundene Reue zurückzuführen sind.

Nach manchen Vorstellungen wird das Jenseits in zehn Sphären eingeteilt, welchen der Mensch je nach dem Reifegrad seiner Seele (in zehn Stufen von "gut" über "schlechter" bis zu "am schlechtesten") von Engeln zugeteilt wird. Im Jenseits wartet demnach die Seele darauf, in einem auf sie zugeschnittenen Körper wiedergeboren zu werden – sofern sie nicht so gut war bzw. zu Lebzeiten soviel Reife erreicht hatte, dass sie in das Himmelreich eingehen durfte. Wer in das Himmelreich eingehen darf, ist gerettet. Er hat an seinem Charakter zu seinen Lebzeiten auf Erden so fleißig und strebend gearbeitet, dass er es mit Gottes Hilfe geschafft hat, seine Seele mit Gott zu vereinigen.

Islam

Nach dem Tod folgt für die Muslime die Grabesstrafe, nach einem Verhör durch Engel wird das Grab erweitert oder verengt. Erst mit dem Jüngsten Gericht erfolgt die Zuweisung in das Paradies al-ganna bzw. die Gehenna. Freuden und Qualen werden in Sure 56 detailliert beschrieben.

Die Erlösten sitzen zum Beispiel „auf kostbaren Teppichen”, erhalten leckere Speisen, verkehren „mit schönen Jungfrauen” und bekommen „jeden Wunsch erfüllt”. Sie essen von goldenen Tellern, trinken „Wein, der nicht zu Kopfe steigt“, müssen „keine Lüge hören“ und nichts Verbotenes wird im Paradies sein. Klare Wasserbäche fließen durch das Paradies, in dem sich üppige Gärten befinden.

Die Verdammten dagegen erleiden schreckliche Qualen. Die Hölle „bäumt sich auf vor Wut” über die „Ungläubigen”. Die Verworfenen werden „von Skorpionen gestochen, deren Stich noch vierzig Jahre lang spürbar ist”. Als Nahrung erhalten sie bittere Kräuter und „Disteln, die den Hunger nicht stillen” und „ihr Getränk ist trübes Wasser”. Es ertönt ein ohrenbetäubendes Geschrei „wie das eines Kamels aus Baktrien”. Die besonders schmerzempfindliche Stelle zwischen dem Ohrläppchen und der Schulter wird „groß wie ein Berg”, damit sie den Qualen mehr Angriffsfläche bietet.

Bahai

Nach dem Glauben der Bahai besitzt jeder Mensch eine unsterbliche Seele. Der Körper wird als deren Werkzeug betrachtet. Das Leben in dieser Welt ist dazu bestimmt, geistige Fähigkeiten zu entwickeln, die für das Leben im Jenseits benötigt werden. Als geistige Fähigkeiten gelten Tugenden wie die Nächstenliebe, Dankbarkeit, Gottvertrauen, Demut und Geduld. Der „edelste Schmuck für das Volk Baha“ ist die Vertrauenswürdigkeit.

Das Jenseits ist über Raum und Zeit erhaben und entzieht sich jeglicher menschlicher Vorstellung. Der Tod gilt als der Tag, an dem sich der Mensch für seine Taten verantworten muss. Dennoch braucht der Sterbende den Tod nicht zu fürchten und kann auf die Gnade des allbarmherzigen Gottes vertrauen. Es ist zugleich ein Tag der Freude, der „Befreiung der Seele aus dem Käfig des Körpers“, ein Tag der Wiedervereinigung mit Gott, dem „Genügenden, dem Heilenden und Beständigen“.

Die Bahai glauben, dass der sterbende Mensch die Seelen bereits verstorbener Familienmitglieder und Freunde wiedererkennen wird, die ihn beim Verlassen des Körpers willkommen heißen. Der Sterbende darf in seinen letzten Stunden zuweilen einen Blick ins Jenseits erhaschen. Das Jenseits gilt auch als der Ort, an welchem der demütige Gläubige in die Gegenwart der Manifestationen Gottes (wie Jesus, Buddha, der Bab und Baha'u'llah) wird treten dürfen.

Das Heiligste Buch der Bahai, der Kitab-i-Aqdas, gibt Anweisungen für die Bestattungszeremonie. Wichtigster Bestandteil der Trauerfeier ist ein vorgeschriebenes Totengebet Baha'u'llahs.

Ablehnung der Unterscheidung von Diesseits und Jenseits

Monistische Weltanschauungen und philosophische Systeme, welche die gesamte Wirklichkeit auf ein einziges Prinzip zurückführen, lehnen die Unterscheidung von Diesseits und Jenseits ab, zumindest insoweit in ihr die Vorstellung von zwei gegensätzlichen Grundprinzipien oder Substanzen implizit oder explizit enthalten ist.

Als Religion ohne Kirche und ohne bestimmte Gottesvorstellung sehen Freireligiöse die Welt als Einheit, ohne sie in Diesseits und Jenseits zu spalten. Die Freireligiöse Gemeinde Berlin hat diesen Zweizeiler des Gemeindemitglieds Roth über dem Friedhofspark angebracht:

Schafft hier das Leben gut und schön,
kein Jenseits ist, kein Aufersteh’n.[4]

Parapsychologie und Esoterik

Den esoterischen Traditionen verschiedener Kulturkreise zufolge verfügt der Mensch über eine Vielzahl von nach dem Grad ihrer „Dichte” unterschiedenen „körperlichen Trägern”, von denen der irdische Körper nur einer ist. Die „feinstofflichen Körper” (insbesondere der „Astralleib”) werden als jenseitig angesehen, da sie das irdische Dasein überdauern sollen. Im Okkultismus wird behauptet, dass mit Hilfe dieser Träger „Jenseitsreisen” (siehe Astralreise) unternommen werden können. Die verschiedenen Überlieferungen zu diesem Thema wurden u. a. in der Theosophie zu einer einheitlichen Lehre zusammengefasst. Die Parapsychologie stellt sich die Aufgabe, einschlägige Behauptungen wissenschaftlich zu untersuchen, soweit sie sich einer Nachprüfung nicht prinzipiell entziehen.

Nach manchen esoterischen Vorstellungen steht in einem jenseitigen Bereich das eigene Leben dem Betreffenden wie in einem Film zur Verfügung, den man sich jede Sekunde nach Belieben nochmals anschauen kann. Unglückliche schauen sich die unguten Stellen immer wieder an, während Glückliche keinen Bedarf danach haben. Nach dem Tod öffnet sich ein Tunnel mit einem hellen Licht am Ende, von dem man sehr stark angezogen wird. Nach Durchschreiten des Tunnels trifft man zuerst zur Begrüßung alle Bekannten, Verwandten und Freunde wieder, die bereits verstorben sind. Das helle Licht selbst ist Gott. Die Menschen dort sehen aus wie im irdischen Leben, nur wesentlich schöner. Alle Gebrechen und körperlichen Defekte sind verschwunden. Alte schlagen u. a. ständig Purzelbäume aus Freude über die wiedergewonnenen Bewegungsmöglichkeiten. Es ist ein gänzlich anderer Ort als die Erde. Dennoch können die Jenseitigen zurück zur Erde und die Diesseitigen sehen und auch in das diesseitige Leben eingreifen.

Siehe auch

Literatur

Allgemeines, Einführungen

  • Carsten Colpe u. a.: Jenseits. In: Reallexikon für Antike und Christentum Band 17, Hiersemann, Stuttgart 1996, ISBN 3-7772-5006-6, Sp. 246–407 (behandelt altorientalische, griechische, römische, jüdische und christliche Vorstellungen)
  • Johannes Hemleben: Jenseits. Ideen der Menschheit über das Leben nach dem Tode vom Ägyptischen Totenbuch bis zur Anthroposophie Rudolf Steiners. Rowohlt 1984, ISBN 3-499-17353-0
  • Bernhard Lang, Colleen McDannell: Der Himmel. Eine Kulturgeschichte des ewigen Lebens. Suhrkamp, Frankfurt a. M. 1990, ISBN 3-518-11586-3 (allgemeine Geschichte der Vorstellungen über das Jenseits)
  • Alan F. Segal: Life after Death. A History of the Afterlife in the Religions of the West. Doubleday, New York u. a. 2004, ISBN 0-385-42299-7

Alter Orient und Judentum

  • Manfred Görg: Ein Haus im Totenreich. Jenseitsvorstellungen in Israel und Ägypten. Patmos-Verl., Düsseldorf 1998 ISBN 3-491-72398-1
  • Philip S. Johnston: Shades of Sheol. Death and Afterlife in the Old Testament. Apollos, Leicester 2002 ISBN 0-85111-266-8
  • Joseph S. Park: Conceptions of Afterlife in Jewish Inscriptions. With Special Reference to Pauline Literature. Mohr Siebeck, Tübingen 2000, ISBN 3-16-147373-6

Christentum

  • Imre Koncsik, Günter Wilhelms (Hrsg.): Jenseits, Evolution, Geist. Schnittstellen zwischen Theologie und Naturwissenschaften. Lang, Frankfurt a. M. u. a. 2003, ISBN 3-631-50861-1 (Bamberger theologische Studien 20)
  • Walter Simonis: Auferstehung und ewiges Leben? Die wirkliche Entstehung des Osterglaubens. Düsseldorf 2002, ISBN 3-491-70345-X
  • Stefan Schreiber u. a. (Hrsg.): Das Jenseits. Perspektiven christlicher Theologie. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2003, ISBN 3-534-17217-5

Islam

Darstellungen aus parapsychologischer und esoterischer Sicht

Weblinks

 Wikiquote: Jenseits – Zitate
Wiktionary Wiktionary: Jenseits – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Anton Grabner-Haider: Indische Weltdeutungen. 2010. Vorlesungen
  2. Matthäus 22,23
  3. 1. Korinther 15
  4. Foto: Friedhofspark Freireligiöse Gemeinde Berlin, Prenzlauer Berg

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