Amnestie

Amnestie

Eine Amnestie (altgr. amnēstia ,Vergessen, Vergeben’, auch Abolition) ist ein vollständig oder zu Teilen erfolgter Straferlass. Eine Amnestie beseitigt weder das Urteil noch die Schuld des Straftäters. Im Gegensatz zur Begnadigung wirkt die Amnestie über Einzelfälle hinaus für ganze Tätergruppen. Die Amnestie durch den Souverän ist ausdrücklich als Kontrollrecht der Judikative konzipiert.

Die Amnestie wird häufig vom Staatsoberhaupt eines Landes einem bestimmten Personenkreis gewährt, die bereits eine Haftstrafe verbüßen oder denen noch eine Strafe bevorsteht. Dabei kann es sich um Häftlinge handeln, die beispielsweise alle dieselbe Straftat begangen oder die für verschiedene Vergehen eine ähnlich hohe Strafe erhalten haben.

Eine Generalamnestie wird häufig nach bewaffneten Konflikten erlassen um entweder eine Straflosigkeit zu erreichen oder einen angestrebten Aussöhnungsprozess zu begünstigen. Sie zeichnet sich durch einen erheblich inklusionistisch formulierten Erlass aus, der alle Taten innerhalb einer Zeit oder bis zu einer gewissen Schwere mit einbezieht. Eine Spezialamnestie berücksichtigt im Gegensatz dazu nur stark spezifizierte Straftaten. Der Übergang der Begriffe in einander und der der Spezialamnestie zur Begnadigung ist dabei fließend.

Inhaltsverzeichnis

Motive für eine Amnestie

Eine Amnestie kann dazu verwendet werden, die Strafrechtspflege den gewandelten Verhältnissen anzupassen. So geschah dies in Südafrika und in Argentinien nach dem Niedergang der Diktaturen. Auch kann eine Amnestie zur Glättung politischer Unruhen, Bürgerkriegen und innerstaatlichem Terrorismus angewandt werden. Zur Rechtskorrektur kann eine Amnestie zur Anpassung der geltenden Gesetzeslage (Abschaffung oder Abmilderung der Strafbarkeit bestimmter Delikte) dienen. Eine „Jubelamnestie“ erfolgt aus Anlass eines besonderen Ereignisses wie Gedenktagen. In vielen Ländern, so auch in Deutschland und Österreich, werden Entlassungen von Gefangenen, die auf die nachweihnachtliche Zeit fallen, auf die Zeit vor Weihnachten vorgezogen, um eine Feier der Entlassenen mit der Familie zu ermöglichen, dies wird Weihnachtsamnestie genannt.

Situation in Deutschland

Die Amnestie bedarf eines Parlamentsgesetzes (vgl. BVerfGE 2, 213 (222); 10, 234 (239)) durch den Bundestag. Der Bundespräsident hat ein Begnadigungsrecht im Einzelfall (Art. 60 Abs. 2 GG).

Beispiele

Amnestien können durchaus problematisch sein: Die Amnestien in der Bundesrepublik Deutschland 1949 und 1954 widersprachen zum Beispiel deutlich dem Grundsatz der Entnazifizierung und stellten die politische Befriedung über den Rechtsfrieden. Viele der Amnestierten waren NS-Belastete.

In der DDR wurden dagegen fünf „Jubelamnestien“ erlassen. Der Staatsrat der DDR veranlasste zum 23. Jahrestag der Staatsgründung am 6. Oktober 1972 die Entlassung von mehr als 30.000 politischen und kriminellen Straftätern.

In Frankreich wird bei der Wahl des Staatspräsidenten stets ein Amnestiegesetz erlassen („Septennatsamnestie“).

In El Salvador erließ 1993 das Parlament infolge des Bürgerkriegs (1980-1992) eine Generalamnestie für alle vor 1992 begangenen Kriegsverbrechen. International war die Amnestie stark umstritten. 5 Tage vor dem Erlass veröffentlichten viele Ermittlungskommissionen, darunter die Comisión de la Verdad para El Salvador, ihre Ergebnisse. Letztere hatte eine Liste von 13.569 Fällen teilweise schwerer Kriegsverbrechen angelegt. Die Straffreiheit führte zu extremen innenpolitischen Spannungen, die teilweise anhalten.

Während der kubanischen Revolution musste aufgrund von Massendemonstrationen eine Generalamnestie für Fidel Castro, Che Guevara und weitere politische Gefangene erlassen werden.

Bei einem Aufstand der Inhaftierten des Attica Correctional Facility-Gefängnises im Jahre 1971, stellten die Gefangenen unter Geiseln mehrere Forderungen, darunter bessere Haftbedingungen und Amnestie aller Gefangenen. Nachdem aber einem, bei der Eroberung des Gefängnisses überwältigten Beamten, ein doppelter Schädelbruch zugefügt wurde und dieser im Krankenhaus seinen Verletzungen erlag, forderten sie eine Generalamnestie.

Siehe auch

Wiktionary Wiktionary: Amnestie – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Literatur

  • Katrin Gebhardt/Ulrich B. Gensch: Gnade vor Recht?. Forum Recht, Heft 3/2000.
  • Siegmar Schmidt/Gert Pickel/Susanne Pickel: Amnesie, Amnestie oder Aufarbeitung? Zum Umgang mit autoritärer Vergangenheit und Menschenrechtsverletzungen. Wiesbaden, 2009. ISBN 978-3-531-13868-8.

Weblinks


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  • Amnestie — (v. gr.), 1) eigentlich das Nichteingedenksein, bes. 2) Nichteingedenksein u. deshalb Nichtahndung eines begangenen Unrechts od. Verbrechens; bes. 3) (lat. Abolitlo facti, Oblivio), Zusicherung, ein geschehenes Vergehen als nicht geschehen zu… …   Pierer's Universal-Lexikon

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  • Amnestie — Amnestīe (grch.), gänzliche Verzeihung und Befreiung von Strafe, bestimmten Gruppen von Rechtsverletzungen und deren Tätern durch außerordentliche Verfügung des Souveräns gewährt, am häufigsten bei polit. Vergehen. Amnestieren, A. gewähren,… …   Kleines Konversations-Lexikon

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  • Amnestie — Begnadigung; Straferlass * * * Am|nes|tie [amnɛs ti:], die; , Amnestien [amnɛs ti:ən]: Erlass oder Milderung der Strafe (besonders für politische Vergehen): eine Amnestie fordern, erlassen, gewähren; unter die Amnestie fallen. * * * Am|nes|tie 〈f …   Universal-Lexikon

  • Amnestie — Am·nes·tie die; , n [ iːən]; eine (von der Legislative beschlossene) Aufhebung oder Milderung der Strafe für eine Gruppe von meist politischen Häftlingen <eine Amnestie erlassen, unter die Amnestie fallen> || NB: im Unterschied zur Amnestie …   Langenscheidt Großwörterbuch Deutsch als Fremdsprache

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