Joachim Werner

Joachim Werner

Joachim Werner (* 23. Dezember 1909 in Berlin; † 9. Januar 1994 in München) war ein Archäologe, der insbesondere die deutsche Frühmittelalterarchäologie prägte. Die meisten Professuren mit Schwerpunkt im Bereich des frühen Mittelalters waren in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts mit seinen akademischen Schülern (z.T. auch in der Enkelgeneration) besetzt.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Werner machte am Französischen Gymnasium in Berlin Abitur und begann 1928 das Fachstudium der Vor- und Frühgeschichte, der klassischen Archäologie und alten sowie mittleren Geschichte. Zu seinen Lehrern gehörten unter anderen Max Ebert und Wilhelm Unverzagt in Berlin, Oswald Menghin in Wien und Gero von Merhart in Marburg. In Marburg promovierte er am 7. Dezember 1932 mit einer Arbeit über „Münzdatierte austrasische Grabfunde“, die von Hans Zeiss angeregt den Versuch unternahm, anhand münzführender Gräber eine absolute Chronologie der Merowingerzeit zu erarbeiten. Wenn auch manches inzwischen revidiert werden musste, so stellt die Arbeit doch einen Meilenstein in der Kenntnis des frühen Mittelalters dar.

Nach der „Machtergreifung“ der Nationalsozialisten trat er 1933 der NSDAP und der SA bei.[1]

Die folgenden Stationen seien stichwortartig aufgeführt:

  • 1933/34 Reisestipendium des Deutschen Archäologischen Instituts (DAI)
  • 1935-1942 Römisch-Germanische Kommission des DAI (Teilnehme am Grabungsprojekt Sadovec)
  • 1938 Habilitation an der Universität Frankfurt über „Die Zierscheiben des Thorsberger Moorfundes. Ein Beitrag zur frühgermanischen Kunst- und Religionsgeschichte“ bei Hans Zeiss
  • 1939-45 mehrfache Einberufung zur Wehrmacht
  • 1942 Professor für Vor- und Frühgeschichte an der Reichsuniversität Straßburg
  • 1945 Militärinternierung in der Schweiz, dabei Bearbeitung des Gräberfeldes von Bülach
  • 1946-47 Vertretung des Lehrstuhles des vermissten Hans Zeiss in München
  • 1948-1974 Professor an der Universität München
  • 1953 Wahl zum ordentlichen Mitglied der Philosophisch-historischen Klasse der Bayerischen Akademie der Wissenschaften
  • 1990 bekam er den Ehrendoktortitel der Jagiellonen-Universität, in Krakau, Polen [2]

Das wissenschaftliche Interesse galt der vorrömischen Eisenzeit und der germanischen Ethnogenese, spätantiken Kastellen, merowingerzeitlichen Gräberfeldern und Prunkgräbern, den Reiternomaden des frühen Mittelalters, der Kunst der Karolingerzeit. Hinzu kommen weitere vergleichende Forschungen zu Prunkgräbern in Südkorea.

Von München aus konnte er zahlreiche Grabungsprojekte durchführen, vor allem in spätrömischen Kastellen:

  • Epfach 1953-57
  • Goldberg bei Türkheim 1958-61
  • Kastell Isny (1966-70)
  • Münsterberg Breisach
  • Kastell Sponeck bei Jechtingen
  • Kellmünz 1986-1993

Weitere Grabungsprojekte fanden in Österreich, Italien und Slowenien statt: Kuchl, Invillino in Friaul, Hrušica und Vranje. Organisatorischer Rahmen dafür war zumeist die von Werner initiierte „Kommission zur archäologischen Erforschung des spätrömischen Raetien“ bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften.

Mit der Publikation des Gräberfeldes von Mindelheim erarbeitete Werner ein Chronologiesystem anhand der Gürtelschnallen, das später von Rainer Christlein anhand des Gräberfeldes von Marktoberdorf modifiziert wurde. Es ist bis heute wichtige Grundlage der relativen Chronologie der Merowingerzeit.

Werner promovierte 33 Studenten (Bernhard Overbeck, Hans-Jörg Kellner) und habilitierte 7 Kollegen (Vladimir Milojčić, Georg Kossack, Hermann Müller-Karpe, Günter Ulbert, Walter Torbrügge, Hermanfrid Schubart und Volker Bierbrauer).

Publikationen (Auswahl)

  • Münzdatierte Austrasische Grabfunde. Germ. Denkm. Völkerwanderungszeit 3 (Berlin, Leipzig 1935)
  • Die Bedeutung des Städtewesens für die Kulturentwicklung des frühen Keltentums. Die Welt als Geschichte 5, 1939, 380-390
  • Das alamannische Fürstengrab von Wittislingen. Münchner Beitr. Vor- u. Frühgesch. 2 (München 1940)
  • Der Fund von Ittenheim. Ein alamannisches Fürstengrab des 7. Jahrhunderts im Elsass (Strassburg 1943)
  • Zur Herkunft der frühmittelalterlichen Spangenhelme. Praehist. Zeitschr. 34-35, 1949-50, 178-193
  • Zur Entstehung der Reihengräberzivilisation. Ein Beitrag zur Methode der frühgeschichtlichen Archäologie. Archaeologia Geographica 1, 1950, 23-32
  • mit S. Fuchs: Langobardische Fibeln aus Italien (Berlin 1950)
  • Das alamannische Gräberfeld von Bülach. Mon. Ur- u. Frühgesch. Schweiz (Basel 1953)
  • Waage und Geld in der Merowingerzeit. Sitzungsber. Bay. Akad. Wiss. (München 1954)
  • Das alamannische Gräberfeld von Mindelheim. Materialh. Bayer. Vorgesch. 6 (Kallmünz/Opf. 1955)
  • Beiträge zur Archäologie des Attila-Reiches. Abh. Bayer. Akad. Wiss., Phil.-Hist. Kl. 38A (München 1956)
  • Frühkarolingische Silberohrringe von Rastede (Oldenburg). Beiträge zur Tierornamentik des Thassilokelches und verwandter Denkmäler. Germania 37, 1959, 179-192
  • Fernhandel und Naturalwirtschaft im östlichen Merowingerreich nach archäologischen und numismatischen Zeugnissen. Berichte der RGK 42, 1961, 307-346
  • Herkuleskeulen und Donar-Amulett, in: Jahrbuch des Römisch-Germanischen Zentralmuseums Mainz 11, 1964, S. 176 ff.
  • Zu den alamannischen Burgen des 4. und 5. Jahrhunderts. In: Speculum Historiale. Festschr. J. Spörl (Freiburg/Br., München 1965) 439-453
  • Die kaiserzeitliche Siedlung Nauen-Bärhorst und das Problem der frühmittelalterlichen Dörfer. In: Zur Geschichte und Volkskunde Mitteldeutschlands. Festschr. F.v.Zahn (1968) 347-352
  • Bemerkungen zur mitteldeutschen Skelettgräbergruppe Haßleben-Leuna. In: H. Beumann (Hrsg.), Historische Forschungen für Walter Schlesinger (Köln, Wien 1974) 1 ff.
  • Archäologische Bemerkungen zu den dendrochronologischen Befunden von Oberflacht. Fundberichte aus Baden-Württemberg 1, 1974, 650-657
  • Die Ausgrabungen in St. Ulrich und Afra in Augsburg 1961-1968. Münchner Beitr. Vor- u. Frühgesch. 28 (München 1977)
  • Spätes Keltentum zwischen Rom und Germanien (München 1979)
  • Der goldene Armring des Frankenkönigs Childerich. Frühmittelalterl. Stud. 14, 1980, 1-49
  • Die Schwerter von Imola, Herbrechtingen und Endrebacke. Studien zu mitteleuropäischen und skandinavischen Metallarbeiten aus der ersten Hälfte des 7. Jahrhunderts. Acta Archaeologica (København) 64, 1993, 183-292

Literatur

  • Georg Kossack; Ulbert, Günter: Studien zur vor- und frühgeschichtlichen Archäologie. Festschrift für Joachim Werner zum 65. Geburtstag (München 1974) (Münchner Beiträge zur Vor- und Frühgeschichte, Ergänzungsband, 1) ISBN 3-406-00344-3
  • Brozzi, Mario: Joachim Werner (1909-1994). In: Mem. Stor. Forogiuliesi 73 (1993) 349.
  • Volker Bierbrauer: Joachim Werner. 23.12.1909 - 9.1.1994. In: Bayerische Vorgeschichtsblätter 59 (1994) 11-17
  • Volker Bierbrauer: Joachim Werner, 23.12.1909 - 9.1.1994. In: Byzantinische Zeitschrift 86/87 (1993/94) 665-669
  • Ciglenečki, Slavko: Joachim Werner (1909-1994). In: Arh. Vestnik 45 (1994) 267-268.
  • Fingerlin, Gerhard: Joachim Werner, 1909-1994. In: Fundberichte aus Baden-Württemberg 19,1 (1994) 797-800
  • Godłowski, Kazimierz: Joachim Werner (1909-1994). In: Wiadomości Arch. 53,2 (1993/94) 137-138
  • Kolník, Títus: Joachim Werner (1909-1994). In: Slovenská Arch. 42,1 (1994) 221-224
  • Georg Kossack: Joachim Werner. 23.12.1909 - 9.1.1994. In: Jahrbuch der Bayerischen Akademie der Wissenschaften 1994, 234-245
  • Ščukin, M. B.: Pamjati Iochima Vernera. (Obryvki vospominanij.) Zum Andenken an Joachim Werner. In: Peterburgskij Arch. Vestnik 8 (1994) 4-11
  • Vonbank, Elmar: Univ.-Prof. Dr. Joachim Werner (23.12.1909 - 9.1.1994). In: Jahrbuch des Vorarlberger Landesmuseumsvereines 138 (1994) 55-59
  • Harhoiu, Radu: Joachim Werner (23.12.1909 - 9.1.1994). In: Dacia N. S. 38/39 (1994/95) 489-491
  • Ioniţa, Ion: Joachim Werner. 1909-1994. In: Arh. Moldovei 18 (1995) 357-359
  • Ripoll López, Gisela: Joachim Werner (Berlin 1909-Munich 1994). In: Antiquité Tardive 3 (1995) 10-14.
  • Godłowski, Kazimierz: Joachim Werner. In: Kultura przeworska 3 (1997) 9-15
  • Fehr, Hubert: Hans Zeiss, Joachim Werner und die archäologischen Forschungen zur Merwingerzeit. In: Heiko Steuer (Hrsg.): Eine hervorragend nationale Wissenschaft. Ergänzungsbände zum Reallexikon der Germanischen Altertumskunde, Bd. 29. Berlin 2001. S. 311-415
  • Bierbrauer, Volker: Werner, Joachim. In: Reallexikon der Germanischen Altertumskunde, Bd. 33, Berlin/New York ²2006, S. 473-485

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Ernst Klee: Das Kulturlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. S. Fischer, Frankfurt am Main 2007, S. 658.
  2. [1]

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