John Elsas

John Elsas
"Die Bilder mögen / lang bestehen / und mit der Welt / erst untergehen."
"Ich sag' in der / Hanswurstenwelt / eine Fahne / gut gefällt."

John (eigentlich: Jonas Mayer) Elsas (in frühen Quellen auch: Elsaß) (* 6. Juli 1851 in Frankfurt am Main; † 5. Juni 1935 ebenda) brachte ein Berufsleben als Kaufmann und Börsenmakler hinter sich und begann erst 1927, im Alter von 76 Jahren, mit seiner intensiven Arbeit als Bildender Künstler. Eines seiner Aquarelle versah er 1930 mit dem Text: „Mein ganzes Leben war ein Fehler / da wurd ich Maler und Erzähler“. Elsas’ umfangreiches Œuvre wurde um 1930 von der Kritik anerkennend besprochen; danach geriet es für rund 70 Jahre in Vergessenheit.

Inhaltsverzeichnis

Leben und Werk

Nur wenige Dokumente belegen den Lebenslauf von John Elsas. Er kam am 6. Juli 1851 als zweitjüngstes von vier Kindern seiner Eltern Baruch und Jenny Elsas, geborene Hanau, in der Frankfurter Altstadt zur Welt. Am 29. Juni 1881 heiratete er Pauline Manes, mit der er drei Kinder hatte. Seine Frau starb 1911, sein Sohn Carl, erst vierzigjährig, 1922. Fanny, die ältere seiner beiden Töchter, heiratete in die Schweiz; mit Irma, der jüngeren, und einer langjährigen Hausangestellten lebte Elsas bis zu seinem Tod in einem gemeinsamen Haushalt. Er starb am 5. Juni 1935. Auf dem alten jüdischen Friedhof in der Rat-Beil-Straße in Frankfurt am Main wurde er bestattet. Das Frankfurter „Israelitische Fremdenblatt“ schrieb in einem Nachruf: „War John Elsas, der über ein Menschenalter hinaus im bürgerlichen Beruf als Bankier gearbeitet hat, mehr Maler, mehr Dichter, mehr Philosoph oder mehr Pädagoge? [...] Seine Blätter erschließen eine Welt, die weiter wirkt und uns hilft, die Distanz zum Alltag zu gewinnen.“ Tochter Irma ordnete und verpackte den umfangreichen künstlerischen Nachlass. Von den Nationalsozialisten wurde ihr Vermögen konfisziert, der Grundbesitz „arisiert“. Sie lebte in Frankfurt zuletzt in einem so genannten „Judenhaus“, bevor sie am 18. August 1942 in das Durchgangs- und Konzentrationslager Theresienstadt deportiert wurde; dort starb sie am 1. Mai 1944.

Talent und Neigung zu künstlerischer Tätigkeit hatte der Autodidakt John Elsas entdeckt, als er begann, für seine beiden Enkel illustrierte Briefe, Geschichten und Verse mit allgemeinen Weisheiten und pädagogischen Ratschlägen anzufertigen. Nachdem eine schwere Krankheit ihn ans Haus fesselte, entwickelte er seinen besonderen Stil: die Kombination unterschiedlicher Techniken – Aquarell, Tuschzeichnung, Collage – auf einem Blatt, dazu meist zwei- oder vierzeilige Texte am unteren Bildrand, die er selbst als Knittelverse bezeichnete. Gegen Ende der 1920er Jahre erregten seine Arbeiten in den Galerien verschiedener deutscher Städte sowie in Paris und Zürich wohlwollendes Interesse, was seine ohnehin ungewöhnliche Produktivität noch steigerte - seine letzten, 1935 von Irma Elsas verpackten Blätter trugen die Nummern 25 000 – 25 025.

Resonanz zu Lebzeiten

  • Der Kunstwissenschaftler Max Osborn schrieb in der „Vossischen Zeitung“ vom 16. Januar 1930: „..Im ‚Sturm (einer damals prominenten Berliner Galerie), bei Herwarth Walden, sieht man etwas ungemein Amüsantes: Klebebildchen von einem lebensfröhlichen alten Herrn in Süddeutschland, John Elsas genannt. [...] In dieser Art, Buntpapiere, schimmernde Reste von irgendeiner Kartonhülle und dergleichen aneinanderzufügen, auch Aquarelltöne dazwischenzupinseln, steckt eine so reiche Phantasie, dass man Blatt um Blatt mit Lust betrachtet...“.
  • Herrmann Nasse, Dozent für Kunstgeschichte, in der München-Augsburger „Abendzeitung“ vom 13./14. Dezember 1930: „Aus allem möglichen, zufälligen Material ... gestaltet dieser lächelnde Weise seine aus einer oder auch mehreren Figuren zusammengesetzten, grotesk drolligen, immer koloristisch geschmackvollen, ja gewinnend anziehenden Schöpfungen. [...] Ein mit Skepsis und Sarkasmus, mit Kindlichkeit und wohl auch tragischer Resignation gemischter Humor durchsetzt diese schon von einer höheren Warte aus gesehenen, phantastischen Traumgestalten.“
  • Julius Meier-Graefe, auch er Kunstwissenschaftler, berichtete am 7. Januar 1933 in der „Frankfurter Zeitung“ über Neuerwerbungen des Städel-Museums: „Zu den Geschenken gehört eine Kollektion des Frankfurter Sonderlings John Elsas; schnurrige und oft sehr geschmackvolle Phantasien eines ausgewachsenen Kindes. Das Kind, früher Bankier, zählt 83 Jahre...“.

Nachruf

Der Jüdische Kulturbund rief ihm nach: "Liebe, Weisheit und Schönheit bergen so seine Blätter. Diese Trias sichert ihnen ihre Dauerwirkung in alle Zukunft und ihren Platz in der Kunstgeschichte".[1] Zu Elsas und anderen Künstlern veranstaltete er 1937 eine Gedächtnis-Ausstellung.[2]

Späte Wiederentdeckung

Zwei Holzkisten mit den Arbeiten John Elsas’, beschriftet mit der Schweizer Adresse seiner Tochter Fanny, überdauerten das „Dritte Reich“ an unbekannter Stelle in Frankfurt und gelangten erst 1954 in die Schweiz, blieben jedoch auch dort ungeöffnet. Elsas’ Enkel Herbert Raff überließ 1999, kurz vor seinem Tod, den immer noch nicht gesichteten, umfangreichen Nachlass mit den Arbeiten seines Großvaters dem „Museum im Lagerhaus - Stiftung für schweizerische naive Kunst und art brut St. Gallen“ als Schenkung. Noch im selben Jahr fand hier die erste Ausstellung seit rund 70 Jahren statt.

Ebenfalls noch 1999 richtete das Schweizer Museum einen Brief an das Struwwelpeter-Museum in Frankfurt am Main, verwies auf die geistige Verwandtschaft zwischen Elsas’ Arbeiten und den Kinderbüchern des Frankfurter Nervenarztes Heinrich Hoffmann und fragte an, ob Interesse an einer gemeinsamen Ausstellung bestünde. Am 23. März 2001 wurde dann in den Räumen der Schirn Kunsthalle Frankfurt die Ausstellung „Heinrich Hoffmann trifft John Elsas“ eröffnet.

Literatur

  • Marion Herzog-Hoinkis (Hrsg.): “John Elsas. Meine Bilder werden immer wilder.” 33 Blätter mit Versen und Zeichnungen. Insel Verlag, Frankfurt am Main und Leipzig 2002 (Insel-Bücherei 1228), ISBN 3-458-19228-X
  • Heinz Vogel (Hrsg.): Heinrich Hoffmann trifft John Elsas. Eine Ausstellung der Heinrich- Hoffmann-Gesellschaft e.V. aus Anlass des 25-jährigen Jubiläums des Struwwelpeter-Museums Frankfurt am Main. Schirn Kunsthalle, Frankfurt am Main 2001, ISBN 3-921606-38-1.

Einzelnachweise

Zitate aus: Marion Herzog-Hoinkis (Hrsg.): “John Elsas. Meine Bilder werden immer wilder.” Insel Verlag Frankfurt am Main und Leipzig 2002. ISBN 3-458-19228-X.

  1. Monatblätter des Jüdischen Kulturbundes Bezirk Rhein Main, 3 (1937), H. 7, S. 6.
  2. Ebd., S. 7.

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