Joseph Fouché

Joseph Fouché
Joseph Fouché

Joseph Fouché, duc d'Otrante, (deutsch: Herzog von Otranto (seit 1809)), (* 21. Mai 1759 in Le Pellerin, nahe Nantes; † 26. Dezember 1820 in Triest, damals Österreich, heute Italien), war französischer Politiker während der Französischen Revolution und Polizeiminister in der Kaiserzeit und der Restauration.

Inhaltsverzeichnis

Jugend und Beginn der politischen Tätigkeit

Fouché wurde als Sohn eines Kapitäns der Handelsmarine geboren und besuchte das Seminar der Oratorianer in Nantes. Vorübergehend trat er in den Orden ein; empfing aber nur die niederen Weihen. Später unterrichtete Fouché Logik in Vendôme und war 1788 Physiklehrer in Arras. Hier lernte er Maximilien de Robespierre und dessen Schwester Charlotte (1760–1834) kennen. Bei Ausbruch der französischen Revolution ließ er sich wieder in Nantes nieder und wurde Mitglied der Gesellschaft der Verfassungsfreunde (Société des amis de la Constitution).

Revolutionszeit

1792 wurde er als Abgeordneter des Départements Loire-Atlantique in den Konvent gewählt und schloss sich der radikalen Bergpartei an. Am 17. Januar 1793 stimmte Fouché für die Hinrichtung Ludwigs XVI. (1754–1793). Da er als Redner nicht sonderlich in Erscheinung trat, ließ „er sich lieber in die Ausschüsse und Kommissionen wählen, wo man Einsicht in die Verhältnisse, Einfluß auf die Geschehnisse im Schatten gewinnt“ (Stefan Zweig).

Am 8. März 1793 wurde er zum Berichterstatter über die Verstaatlichung aller Bildungseinrichtungen bestimmt. Noch im selben Monat erhielt er den Auftrag, Rekruten in Mayenne und in seinem Heimatdepartement auszuheben. Anschließend wurde er zuerst nach Nantes, dann in die Départements des Zentrums geschickt, um hier den Royalismus und die gemäßigte republikanische Gesinnung zu unterdrücken und Streitkräfte gegen den Aufstand der Vendée, später auch gegen Lyon zu organisieren. Im Département Nièvre forderte er die Priester zur Eheschließung auf, verbot jede religiöse Handlung außerhalb der Kirchen und ordnete die Zerstörung der Kreuze und Kreuzwege an.

Um Couthon zu verfangen wurde er Anfang November 1793 mit Collot d’Herbois nach Lyon gesandt, denn die Stadt hatte sich durch einen föderalistischen Aufstand hervorgetan und gemeinsam sollten sie die Zerstörung der Stadt vollenden. Die Kommission unter Fouchés Vorsitz zeichnete für ca. 1800 Todesurteile verantwortlich und er wurde nachfolgend als Mitrailleur de Lyon (Der Schlächter von Lyon) bezeichnet.

Da Fouché die atheistische Richtung der Hébertisten unterstützte, geriet er in Konflikt mit Robespierre. Einer der Auslöser war sicherlich die Wahl von Fouché zum Präsidenten des Jakobinerklubs im Mai 1794. Robespierre greift ihn daraufhin als Atheisten an, bezeichnet ihn als „Haupt der Konspiration“ (10. Juni 1794) und lässt ihn aus dem Jakobinerclub ausschließen.

Sturz Robespierres

Tatsächlich war Fouché im Hintergrund der Drahtzieher, der versuchte die verschiedenen Teile der Opposition gegen Robespierre zusammenzubringen: Am 9. Thermidor (27. Juli 1794) wirkte er zusammen mit Collot d‘Herbois, Tallien und Barère am Sturz und der anschließenden Hinrichtung Robespierres mit. Offiziell war er an den Ereignissen nicht beteiligt, erschien erst am 10. Thermidor wieder im Konvent und setzte sich auf seinen alten Platz bei der Bergpartei.

Die Richtung, die die neue Regierung einschlug, passte dem noch »pro forma« Republikaner allerdings nicht: die Nähe des Direktoriums zur jeunesse dorée und den korrupten Armeelieferanten erschien als Rechtsruck und Verrat an den Idealen der Revolution. Er verbündete sich mit Gracchus Babeuf, einem sozialistischen Agitator und Journalisten. Unter dessen Führung erfolgte der erfolglose Aufstand vom 12. Germinal (1. März 1795). Babeuf wurde hingerichtet, sein Hintermann Fouché auf Befehl des Konvents im August 1795 verhaftet, jedoch durch die allgemeine Amnestie nach dem Vendémiaire-Aufstand kraft des Dekrets vom 3. Brumaire des Jahres IV (25. Oktober 1795) wieder freigelassen. Er lebte nun eine Zeit lang zurückgezogen und ärmlich im Tal von Montmorency.

Fouché war am Staatsstreich vom 18. Fructidor (4. September 1797) beteiligt, aufgrund dessen der bisherige Meinungsführer des Direktoriums, Carnot fliehen musste und Paul Barras die Macht übernehmen konnte. Wohl aus Dankbarkeit verschaffte Barras ihm daraufhin die Ernennung zum Gesandten bei der Cisalpinischen Republik. Da er aber hier in Gemeinschaft mit dem General Brune einen völligen Umsturz der Verfassung versuchte, wurde er schon nach wenigen Tagen wieder abberufen, 1799 nach Den Haag gesandt und im September von Barras und Sieyès zum Polizeiminister ernannt.

Polizeiminister unter Bonaparte

Fouché in der Galauniform des Polizeiministers, Gemälde von Claude Marie Dubufe

In dieser Funktion unterstützte er Bonaparte beim Staatsstreich des 18. Brumaire VIII und machte sich in der Folgezeit für den Ersten Konsul Napoléon Bonaparte unentbehrlich. Er organisierte ein ausgedehntes Spionagesystem über alle Klassen der Gesellschaft, die Familie des Ersten Konsuls nicht ausgenommen und unterhielt es hauptsächlich mit den Erträgen der Spielpacht, wobei er sich auch selbst bereicherte. Als Fouché sich der Verleihung des lebenslänglichen Konsulats an Napoléon widersetzte und dem Senat eine Begrenzung der Amtszeit auf zehn Jahre vorschlug, schaffte Napoléon das Polizeiministerium im September 1802 ab; zur Entschädigung erhielt Fouché die Senatorie von Aix und die Hälfte des von ihm gesammelten Polizeireservefonds, rund 2.400.000 Francs.

Nach der Selbstkrönung Napoléons zum Kaiser 1804 benötigte dieser wieder einen fähigen Polizeiminister und richtete daher das Polizeiministerium erneut ein. Die Ungeschicklichkeit seiner Nachfolger in der Polizeiverwaltung verschaffte Fouché am 10. Juli 1804 wiederum den Ministerposten. 1808 wurde er zum Grafen des Kaiserreichs und nach der erfolgreichen Verteidigung Antwerpens 1809 zum Herzog von Otranto mit einer beträchtlichen Ausstattung an Gütern ernannt. Da er sich den unaufhörlichen Eroberungskriegen des Kaisers widersetzte und auf eigene Faust geheime Unterhandlungen mit England führte, fiel er bei Napoléon in Ungnade und wurde am 3. Juni 1810 erneut abgesetzt.

Fouché verbrannte oder versteckte alle wichtigen Papiere seines Ministeriums, um seinen Nachfolger Savary in Verlegenheit zu bringen. Als der Kaiser ihn dafür zur Rechenschaft ziehen wollte, floh Fouché in die Toskana und verbarg sich dort eine Zeit lang. Aufgrund der Fürsprache durch Elisa Bonaparte erhielt er die Erlaubnis, sich zunächst auf seine Güter in Aix zu begeben und 1811 durfte er nach Paris zurückkehren.

Da Napoléon ihm misstraute, wurde Fouché 1813 erst als Generalgouverneur der Illyrische Provinzen nach Ljubljana versetzt, dann nach Rom und schließlich als Gesandter nach Neapel geschickt. Trotzdem gelang es ihm, gegen den Kaiser zu konspirieren, den er durch eine Regentschaft Marie Louises, dessen Frau und Mutter des Thronfolgers Napoleon II., ersetzen wollte.

Die Völkerschlacht bei Leipzig führte 1814 zur Abdankung Napoleons und der Wiedereinsetzung der Bourbonen, denen sich Fouché sogleich anschloss.

Die 100 Tage

Noch während Joseph Fouché offiziell den zurückgekehrten König Ludwig XVIII. unterstützte, wurden auch die Umtriebe zur Rückkehr Napoléons von Elba von ihm stillschweigend gefördert.

Der nach Paris zurückgekehrte Kaiser brauchte Verbündete, aber viele ehemalige Generale und Minister weigerten sich, seinem Ruf zu folgen. Talleyrand blieb lieber gleich in Wien und Napoléon sah sich zu seiner eigenen Sicherheit genötigt, das Polizeiministerium wiederum Fouché zu übertragen. Dieser begann - wohl auch in der Gewissheit, dass diese Herrschaft nicht lange dauern würde, sofort mit den Liberalen im Innern, mit Ludwig XVIII. in Gent und mit Metternich zu konspirieren, um sich für alle Fälle abzusichern.

Am 23. Juni 1815, nach der erneuten Abdankung Napoléons, von der Kammer zum Vorsitzenden der provisorischen Regierung ernannt, bereitete Fouché die zweite Restauration der Bourbonen vor.

Polizeiminister der Monarchisten

Er wurde Polizeiminister auch der neuen Regierung und ächtete durch die Ordonnanz vom 26. Juli 1815 einen Teil der Mitschuldigen bei der Rückkehr Napoléons. Doch keine Partei, weder Monarchisten noch Republikaner, vertraute ihm mehr und er wurde von allen Seiten angefeindet. Eine Zeit lang gelang es ihm noch im Amt zu bleiben, aber als regicide besonders von den Royalisten heftig angegriffen, sah sich Ludwig XVIII. genötigt, ihn im September 1815 zu entlassen und als französischen Gesandten nach Dresden zu schicken.

Tod

Vom Verbannungsdekret des 6. Januar 1816 gegen die Königsmörder betroffen, emigrierte Fouché nach Österreich und durfte sich mit Metternichs Duldung zuerst in Prag und dann in Linz niederlassen. Dort beschäftigte er sich mit der Abfassung von Verteidigungsschriften über seine Vergangenheit und angeblich auch seinen Memoiren.

Wegen einer Brustkrankheit gestattete ihm die österreichische Regierung die Übersiedelung nach Triest mit seinem milden Mittelmeerklima. Hier starb Fouché im Jahr 1820 und wurde in der dortigen Kathedrale beigesetzt. Er hinterließ seinen Kindern ein Vermögen von 14 Millionen Francs.

Familie

Joseph Fouché heiratete 1792 Bonne-Jeanne Coignaud.

Kinder:

  • Nièvre Fouché (1793-1794).
  • Joseph-Liberté Fouché (1796-1862), 2. Herzog von Otranto.
  • Armand Fouché (1800-1878), 3. Herzog von Otranto.
  • Athanase Fouché (1801-1886), 4. Herzog von Otranto.

Nach dem Tod seiner Frau heiratete er 1818 Gabrielle-Ernestine de Castellane. Die Ehe blieb ohne Nachkommen. Zwei seiner Söhne haben sich 1820 in Schweden niedergelassen.

Schriften

Fouché schrieb eine große Zahl politischer Pamphlete, die wichtigsten sind:

  • Réflexions sur le jugement de Louis Capet (1793)
  • Réflexions sur l‘éducation publique (1793)
  • Rapport et projet de loi relatif aux collèges (1793)
  • Rapport sur la situation de Communes Affranchies (1794)
  • Lettre aux préfets concernant les prêtres, etc. (1801)

Literatur

in Deutsch
  • Louis Madelin, Fouché. Der Mann, den selbst Napoleon fürchtete. Heyne, München 1989. ISBN 3-453-03035-4 (s. auch unten, in Franz.)
  • Rolf Schneider: Die Briefe des Joseph F. Katzengraben, Berlin 1995. ISBN 3-910178-21-9
  • Stefan Zweig: Joseph Fouché. Bildnis eines politischen Menschen. S. Fischer, Frankfurt 1999. ISBN 3-596-21915-9 (gegenteilige Bewertung bei Louis Madelin, s. u.)
  • Paul Elgers: Im Schatten Napoleons. Joseph Fouché, der Meister der Intrige. Greifenverlag, Rudolstadt 2010. ISBN 978-3-86939-170-0
  • Clemens Klünemann: Gier nach Anerkennung. J. F. und die Fäden der Macht. in Zs. Dokumente - Documents, Bonn am Rhein, Nr. 1/ 2010 ISSN 0012-5172 S. 77 - 80
in Französisch
  • Louis Madelin: Fouché. Diss. phil., Paris 1901; (in Deutsch s. o.); wieder in 2 Bänden 1923, 1947, 1960, 1975 und:
    • Bd. 1. Fouché 1759-1820. De la revolution a l'empire. Nouveau Monde Éd., Reihe: Biographie. Paris 2002 ISBN 2-84736-003-4
    • Bd. 2. Fouché 1759-1820. Ministre de la police. Nouveau Monde Éd., Reihe Biblio Napoléon, Paris 2002, 2010 ISBN 2-84736-501-X
  • Alphonse de Beauchamp: Mémoires de Joseph Fouché, duc d‘Otrante. Imp. Nationale, Paris 1992. ISBN 2-11-081106-4 (beruhen teilweise auf Notizen Fouchés)
  • Ernest Daudet: La Police et les Chouans sous le Consulat et l‘Empire. 1800-1815, Plon, Paris 1895
  • Pierre M. Desmarest: Témoignages historiques, ou 15 ans de haute police sous Napoleon, Slatkine-Megariotis, Genf 1977
  • Edouard Guillon: ‘Les complots militaires sous le Consulat et l‘Empire‘, Plon, Paris 1894
  • Ernest Picard: Bonaparte et Moreau. L‘entente initiale, les premiers dissentiments, la rupture, Plon, Paris 1905
  • Gilbert A. Thierry: Conspirateurs et gens de police. Le complot de libelles‘, Colin, Paris 1903
  • Henri Welschinger: Le Duc d‘Enghien. L‘énlèvement d‘Ettenheim et l‘exécution de Vincennes, Plon, Paris, 1913

Weblinks

 Commons: Joseph Fouché – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien


Vorgänger Amt Nachfolger
Emmanuel Crétet de Champmol Innenminister von Frankreich
29. Juni 1809 – 1. Oktober 1809
Jean-Pierre Bachasson de Montalivet
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