Joël Lautier

Joël Lautier

Joël Lautier (* 17. April 1973 in Scarborough, Kanada) ist ein französischer Schachmeister der Weltklasse.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Joël Lautier, Sohn einer japanischen Mutter und eines kanadischen Vaters, wuchs zunächst in Kanada auf, wo er sich als Schach-Wunderkind einen Namen machte. Als Neunjähriger kam Lautier nach Frankreich, wo sich sein enormes Talent rasch entfaltete. 1986 gewann er in Puerto Rico die Jugendweltmeisterschaft U12, was den ersten WM-Sieg eines Franzosen überhaupt in einer Jugendkategorie bedeutete. 1988 wurde er in Adelaide Juniorenweltmeister U20, als 15-jähriger der jüngste Sieger in der bis damals 37-jährigen Geschichte dieses Turnieres. Zu seinen weiteren Triumphen bei internationalen Turnierern zählen seine Siege im Zonenturnier Lyon 1990, Polanica Zdrój 1991, Pamplona 1993, Amsterdam 1995 (vor Garri Kasparow), Úbeda 1997, Enghien-les-Bains 1999 und beim Zonenturnier Mondariz 2000. 2003 gewann er gemeinsam mit Pjotr Swidler in Poikowski.

Durch seinen geteilten 2.-9. Platz beim Interzonenturnier in Biel 1993 gelang Lautier die Qualifikation zur nächsten Etappe beim WM-Zyklus: Im Kandidatenwettkampf 1994 gegen Jan Timman in Wijk aan Zee unterlag Lautier mit 3,5:4,5 (+1, -2, =5). Lautier beteiligte sich an mehreren FIDE-KO-Weltmeisterschaften: 1997 in Groningen und 1999 in Las Vegas kam er jeweils in die dritte Runde, beide Male unterlag er dem Israeli Boris Gelfand nach Schnellschachstechen mit 2:4. 2000 in New Delhi schied er in der ersten Runde aus, 2001 in Moskau, wo er u. a. Alexander Chalifman besiegte, gelang ihm der Einzug ins Achtelfinale, wo er Wassyl Iwantschuk unterlag. Lautier ist einer der wenigen Schachspieler mit einem positiven Ergebnis gegen Ex-Weltmeister Garri Kasparow: +2, -1, =7.

Besser, Lautier und Evertz (2002)

Lautier erhielt 1990 von der FIDE den Großmeistertitel.[1] Er spielte mehrere Jahre für den deutschen Verein Schachgesellschaft Solingen, mit dem er 2002 in Solingen die deutsche Blitzmannschaftsmeisterschaft gewann.[2] Auf dem Foto rechts ist neben Hans Besser und Lautier auch Egon Evertz, der frühere Vorsitzende des Solinger Vereins abgebildet.

2004 wurde Lautier in Val-d'Isère französischer Meister und wiederholte ein Jahr später in Chartres seinen Erfolg. Lautier zog sich danach zunehmend vom professionellen Schach zurück und engagierte sich als Präsident der Association of Chess Professionals (ACP) für die Rechte der professionellen Schachspieler und eine Popularisierung des Schachs weltweit. Daneben auch für die Popularisierung der japanischen Variante des Schachs, dem Shogi. Lautier ist außerdem Vizepräsident des französischen Schachverbandes. Von 1997 bis 2003 war er mit der moldauisch-französischen Großmeisterin Almira Scripcenco verheiratet. Seine aktuelle Elo-Zahl beträgt 2657 (Stand: April 2008). Zuletzt unter den besten 20 der Weltrangliste war er im März 2002.

Partie

Lautier gelang beim Traditionsturnier von Linares 1994 mit den schwarzen Steinen ein Sieg über den damals amtierenden Weltmeister Garri Kasparow in nur 29 Zügen. Die Partie wurde in der letzten, 13., Runde gespielt. Kasparow teilte nach dieser Niederlage Platz 2 und 3 mit Alexei Schirow, Lautier wurde geteilter 5. und 6. (mit Wladimir Kramnik). Anatoli Karpow gewann das Turnier mit einem phänomenalen Ergebnis von 11 aus 13 und 2,5 Punkten Vorsprung.

1. e2-e4 e7-e5 2. Sg1–f3 Sb8-c6 3. Lf1–c4 Lf8-c5 4. c2-c3 Sg8-f6 5. d2-d3

Aufs Brett kam eine ruhige und unspektakuläre Variante der Italienischen Partie.

5. ... d7-d6 6. Lc4-b3 h7-h6 7. h2-h3 a7-a6 8. Sb1–d2 Lc8-e6 9. Lb3-c2 Lc5-a7

Schwarz plant den Bauernvorstoß d6-d5. Sofortiges 9...d6-d5? wird widerlegt durch 10. Sf3xe5! Sc6xe5 (10. ... Lc5xf2+ 11. Ke1xf2 Sc6xe5 12. d3-d4±) 11. d3-d4 Lc5-d6 (11...Lc5xd4 12.c3xd4 Se5-c6 13.e4-e5±) 12. d4xe5 Ld6xe5 13. Sd2-f3±.(Lautier)

10. Dd1–e2 Dd8-e7 11. b2-b4! d6-d5 12. a2-a4 b7-b5! 13. 0–0 0–0 14. a4xb5 a6xb5 15. d3-d4?

Notwendig war stattdessen 15. Lc1–b2 mit Ausgleich (Lautier).

15. ... e5xd4

Aber nicht 15. ... d5xe4? wegen 16. Sf3xe5 mit weißem Vorteil (Lautier).

16. e4-e5
Solid white.svg a b c d e f g h Solid white.svg
8 a8 b8 c8 d8 e8 f8 g8 h8 8
7 a7 b7 c7 d7 e7 f7 g7 h7 7
6 a6 b6 c6 d6 e6 f6 g6 h6 6
5 a5 b5 c5 d5 e5 f5 g5 h5 5
4 a4 b4 c4 d4 e4 f4 g4 h4 4
3 a3 b3 c3 d3 e3 f3 g3 h3 3
2 a2 b2 c2 d2 e2 f2 g2 h2 2
1 a1 b1 c1 d1 e1 f1 g1 h1 1
a b c d e f g h
Stellung nach dem 16. Zug von Weiß


16. ... d4xc3!? 17. e5xf6 De7xf6 18. Sd2-b3 Sc6xb4 19. Lc2-b1 d5-d4! 20. Ta1xa7?! c3-c2?!

Lautier kritisierte diesen Zug und schlug in der Analyse 20...Ta8xa7! vor, was ihm Vorteil gelassen hätte.

21. Ta7xa8!

Schwach wäre 21. Lb1xc2? Ta8xa7 22. Sb3xd4 (22. De2-e4 Sb4xc2 23. De4xc2 Le6-c4 24. Tf1–d1 d4-d3–+) 22. ... Le6-c4 23. De2-e4 (23. De2-d2 c7-c5 24. Sd4-b3 Ta7-a2–+) 23. ... Sb4xc2 24. De4xc2 c7-c5 mit schwarzer Gewinnstellung.

21. ...c2xb1D

Schwarz hat nun zwei Damen, doch die Lage ist noch nicht klar.

22. Ta8xf8+ Kg8xf8
Solid white.svg a b c d e f g h Solid white.svg
8 a8 b8 c8 d8 e8 f8 g8 h8 8
7 a7 b7 c7 d7 e7 f7 g7 h7 7
6 a6 b6 c6 d6 e6 f6 g6 h6 6
5 a5 b5 c5 d5 e5 f5 g5 h5 5
4 a4 b4 c4 d4 e4 f4 g4 h4 4
3 a3 b3 c3 d3 e3 f3 g3 h3 3
2 a2 b2 c2 d2 e2 f2 g2 h2 2
1 a1 b1 c1 d1 e1 f1 g1 h1 1
a b c d e f g h
Stellung nach dem 22. Zug von Schwarz


23. De2xb5??

Erst dieser Zug führt zur Niederlage. Notwendig war gemäß Lautier 23. Lc1-g5!, wonach die Stellung im Gleichgewicht verbliebe.

23. ... Db1xb3 24. Db5-b8+ Kf8-e7 25. Db8xc7+ Ke7-e8 26. Lc1–d2 Df6-d8

Noch besser war 26. ... Sb4-d3! 27. Tf1–a1 Db3-d5!–+

27. Dc7-e5 Ke8-f8 28. Sf3xd4?

Verliert schnell. Besser, aber keine Rettung, war 28. De5-c5+ Kf8-g8 (28. ... Dd8-e7? 29. Dc5xe7+ Kf8xe7 30. Sf3xd4 Db3-c4 31. Ld2xb4+ Ke7-f6 32. Sd4xe6 Dc4xb4 33. Se6-c7 Db4-c4 34. Sc7-e8+ Kf6-e7 35. Tf1–e1+=) 29. Ld2xb4 Db3-c4 (29. ... d4-d3!?) 30. Tf1–d1 Dc4xc5 31. Lb4xc5 d4-d3–+ mit schwarzer Gewinnstellung (Lautier).

28. ... Sb4-d3! 29. De5-e3 Db3-c4

Weiß gab auf.

Quelle: Schachinformator 60, Partie Nr. 316, Belgrad 1994, S.184-186.

Einzelnachweise

  1. Willy Iclicki: FIDE Golden book 1924-2002. Euroadria, Slovenia, 2002, S. 80
  2. Deutsche Blitzmannschaftsmeisterschaft, Juni 2002 in Solingen auf TeleSchach

Weblinks


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