Judenfriedhof

Judenfriedhof
Jüdische Grabsteine in Jerusalem

Ein jüdischer Friedhof (hebr. בית עלמין „Beth Olamin“, „Haus der Ewigkeit“, auch „Guter Ort“) dient wie jeder andere Friedhof zur Bestattung von Toten und kennt doch einige Besonderheiten, die sich auf christlichen Friedhöfen nicht finden.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Die frühen jüdischen Friedhöfe lagen – wie andere Friedhöfe nach dem Mittelalter auch – außerhalb der Stadt. Diese Lage lässt sich mit der Weisung erklären, dass sich die Lebenden nicht mit den Toten innerhalb der Stadtmauern aufhalten dürfen. Oft befand er sich allerdings an Orten, die von den übrigen Menschen gemieden wurden (der jüdische Friedhof in Göttingen befindet sich zum Beispiel in der Nähe der Gerichtslinde, an der auch Hinrichtungen stattfanden).

Anfangs wurden die Toten nach Jerusalem ausgerichtet, diese Tradition wird seit dem 18. Jahrhundert nicht mehr durchgesetzt.

Insbesondere wurden die Grabsteine (Mazewa) in der Zeit der Haskala nicht nur in hebräischer Sprache beschriftet, sondern auch in der jeweiligen Landessprache. Dies geschah in der Regel auf der Rückseite des Grabsteins. Eine weitere Besonderheit bestand darin, dass auf der hebräisch beschrifteten Seite des Grabsteins nicht nur der Name des Toten selbst genannt wurde, sondern auch der Name seines Vaters. Dies stellt heute für die genealogische Forschung einen unschätzbaren Wert dar.

In der Zeit der Haskala wurden in Anlehnung an die christliche Tradition Familiengräber mit pompöseren Grabsteinen und sogar Mausoleen für Familien errichtet.

Während der Zeit des Nationalsozialismus wurden zahlreiche jüdische Friedhöfe verwüstet.

Der größte jüdische Friedhof Europas, auf dem zahlreiche bekannte Persönlichkeiten beerdigt sind, ist der Jüdische Friedhof Berlin-Weißensee mit über 115 000 Bestattungen.

Besonderheiten

Jüdischer Friedhof in Jerusalem

„Einer der fundamentalsten israelitischen Glaubensgrundsätze, die Unantastbarkeit der Totenruhe, führte dazu, daß Gräber und Grabmale über Jahrhunderte erhalten bleiben, dass die jüdischen Friedhöfe über Generationen hinweg „wachsen“, während auf anderen Friedhöfen immer wieder – nach Ablauf von Ruhefristen – einzelne Gräber oder ganze Grabfelder geräumt werden […]“

aus dem Vorwort „Der jüdische Friedhof“[1]

Wie der Ausdruck „Haus der Ewigkeit“ andeutet, ist ein jüdisches Grab für die Ewigkeit gedacht. Es wird nicht eingeebnet und der Stein bleibt bestehen. Bei Platzmangel legt man eine Schicht Erde über ein Grab und bestattet einen Toten über dem anderen. Sehr eindrücklich ist dies beim alten jüdischen Friedhof in Prag zu sehen. Dies hängt mit dem jüdischen Glauben an die Auferstehung der Toten zusammen.

Der kleine Friedhof von Grötzingen ist ganz mit Steinplatten ausgelegt

Da die Toten nicht mit gärenden, säuernden oder sonstigen Nebenprodukten der Zersetzung verunreinigt werden sollen, verzichtet man auf Blumenschmuck, statt dessen werden kleine Steine auf die Grabplatten gelegt. Die Gräber lässt man mit Efeu und Gras überwachsen. Nach dem Besuch des Friedhofes wäscht man sich die Hände, weil die Nähe der Toten kultisch unrein macht. In Deutschland sind die jüdischen Friedhöfe in der Regel am Sabbat geschlossen. Die Halacha gestattet es nicht, am Sabbat Tote zu begraben oder dort Tätigkeiten zu verrichten.

Auch für nichtjüdische Männer ist es Pflicht, auf einem jüdischen Friedhof ebenso wie in einer Synagoge eine Kopfbedeckung zu tragen (Kippa oder Hut).

Weil im Tode alle Menschen gleich sind, finden sich bis Mitte des 18. Jahrhunderts gleichförmige Grabsteine. Erst mit der Haskala, den zunehmenden Rechten jüdischer Bürgerinnen und Bürger, und der Assimilation beginnen die Juden, ebenso prunkvolle Grabstätten zu errichten wie es auch von christlichen Friedhöfen dieser Zeit bekannt ist.

Literatur

  • Thomas Blisniewski: Wandlungen der jüdischen Sepulkralkultur im 19. Jahrhundert. In: Denk, Claudia u. John Ziesemer (Hg.): Der bürgerliche Tod. Städtische Bestattungskultur von der Aufklärung bis zum frühen 20. Jahrhundert. Internationale Fachtagung des Deutschen Nationalkomitees von ICOMOS in Zusammenarbeit mit dem Bayerischen Nationalmuseum München, 11.–13. November 2005. Regensburg 2007, S. 14–23 (= ICOMOS – Hefte des Deutschen Nationalkommitees 44)
  • Michael Brocke, Christiane E. Müller: Haus des Lebens. Jüdische Friedhöfe in Deutschland. Reclam, Leipzig 2001. ISBN 3-379-00777-3
  • Sieghard Bußenius: Inseln des Friedens oder Grundstücke ohne Verkehrswert? - Jüdische Friedhöfe und ihre Schändungen. In: Informationen zur Schleswig-Holsteinischen Zeitgeschichte Nr. 21 vom November 1991, Seiten 5-101, hg. vom Arbeitskreis zur Erforschung des Nationalsozialismus in Schleswig-Holstein (AKENS). www.akens.org
  • Brigitte Heidenhain: Juden in Wriezen. Ihr Leben in der Stadt von 1677 bis 1940 und ihr Friedhof. Universitätsverlag, Potsdam 2007, ISBN 978-3-939469-39-1. Juden in Wriezen.
  • Klaus Meier-Ude, Valentin Senger: Die jüdischen Friedhöfe in Frankfurt am Main. 3. überarbeitete und erweiterte Auflage. Fachhochschulverlag, Frankfurt 2004. ISBN 3-936065-15-2
  • Herbert Liedel, Helmut Dolhopf: Haus des Lebens. Jüdische Friedhöfe. Stürtz, Würzburg 1985. ISBN 3-8003-0251-9
  • Alfred Udo Theobald (Hg.): Der jüdische Friedhof. Zeuge der Geschichte – Zeugnis der Kultur. Badenia, Karlsruhe 1984. ISBN 3-7617-0228-0
  • Stadtarchiv Horb/N (Hrsg.): Gräber im Wald. Lebensspuren auf dem jüdischen Friedhof in Mühringen - Dokumentation des Friedhofs der über 300 Jahre in Mühringen ansässigen jüdischen Gemeinde und des Rabbinats Mühringen. Stuttgart 2003. ISBN 3-8062-1828-5
  • Ulrich Knufinke: Bauwerke jüdischer Friedhöfe in Deutschland. Petersberg 2008
  • Ulrich Knufinke: Die Architektur jüdischer Friedhofsbauwerke in Berlin. In: architectura. Zeitschrift für Geschichte der Baukunst 37 (2007), S. 169-194

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Alfred Udo Theobald: Der jüdische Friedhof. Karlsruhe 1984

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