Jugendverwahrlager

Jugendverwahrlager

Jugendkonzentrationslager (mit einem nationalsozialistischen Euphemismus „Jugendschutzlager“ oder „Jugendverwahrlager“ genannt) waren im Nationalsozialismus Konzentrationslager zur Internierung widerständiger, schwer erziehbarer, arbeitsscheuer und nonkonformistischer Kinder und Jugendlicher.

Inhaltsverzeichnis

Organisation der Jugendkonzentrationslager

Die Lager unterstanden dem Reichssicherheitshauptamt und dienten offiziell der „Jugendfürsorge“ wie auch kriminalpolizeilichen Maßnahmen. Im Reichsinnenministerium war Hans Muthesius für die zentrale Verwaltung der Jugendkonzentrationslager zuständig.[1] Die rechtliche Grundlage für die Unterbringung bot ein Erlass zur „vorbeugenden Verbrechensbekämpfung“, der den Zugriff auf „Asoziale“ regelte. Als „asozial“ konnte jede und jeder gelten, der einer Minderheit angehörte, sich der Unterwerfung unter den Nationalsozialismus entzog oder anderweitig auffiel. Die Jugendlichen wurden durch Robert Ritters „Rassenhygienische und Bevölkerungsbiologische Forschungsstelle“ nach rassistischen beziehungsweise „kriminalbiologischen“ Merkmalen und ihrer „Entwicklungs- oder Erziehungsfähigkeit“ begutachtet. Danach wurde entschieden, welche Zwangsmaßnahmen gegen sie angewendet werden sollten.

Hauptlager

Es gab drei Hauptlager:

Lager Moringen (bei Göttingen) für Jungen

Das Jungenlager in Moringen im „Landeswerkhaus“ (offiziell „Polizeiliches Jugendschutzlager“) wurde auf Anregung von Reinhard Heydrich als erstes Lager dieser Art im Juni 1940 eingerichtet. Es war dem Reichssicherheitshauptamt, Amt V (Reichskriminalpolizeiamt) unterstellt. Im Lager wurden mindestens 1.400 Jungen im Alter von 13 bis 22 Jahren eingesperrt; sie wurden nach Selektion in verschiedenen Blöcken untergebracht. Mindestens 89 von ihnen haben die Nazis ermordet. Außenlager wurden im September 1943 in Berlin-Weißensee und im Juli 1944 in Volpriehausen eingerichtet. Moringen wurde im April 1945 befreit.

Lager Uckermark (in Brandenburg) für Mädchen und junge Frauen

Das Mädchenlager „Uckermark“ wurde im Juni 1942 in unmittelbarer Nähe des Frauenkonzentrationslagers Ravensbrück eingerichtet. Die Leitung hatte die Kriminalrätin Lotte Toberentz inne. Hier wurden über 1.000 junge Frauen und Mädchen untergebracht. Die Hintergründe waren ähnlich wie die in Moringen, hinzu kamen Einweisungen durch die Kriminalpolizei „wegen sexueller Abweichungen“. Es wurden auch einige Partisaninnen eingesperrt. Im Juni 1944 wurde ein Nebenlager am Truppenübungsplatz Döberitz eingerichtet, in dem Mädchen, die sich in Uckermark bewährt hatten, untergebracht wurden. Im Januar 1945 wurde das Lager für den Massenmord an den Frauen aus Ravensbrück zu einem Vernichtungslager umgebaut.

Lager Litzmannstadt für polnische und tschechische Kinder und Jugendliche

Das KZ Litzmannstadt (Łódź, offiziell: „Polenjugendverwahrlager“) diente der Verwahrung und Misshandlung polnischer Kinder und Jugendlicher. Es wurde 1942 neben dem jüdischen Friedhof im Ghetto Litzmannstadt eröffnet. Die Altersgruppe umfasste ursprünglich 12- bis 16-Jährige; im Januar 1943 wurde das Alter auf 8 Jahre heruntergesetzt und kaum später wurde ein Block für Kleinkinder über 2 Jahre eingerichtet. Neben widerständigen oder abweichenden Jugendlichen wurden hier besonders Kinder eingepfercht, deren Eltern zur Zwangsarbeit verschleppt wurden. Insbesondere wurden auch die Kinder von Lidice nach der Zerstörung ihres Dorfes im Juni 1942 in dieses Lager deportiert. Außenlager bestanden auf dem Gut Dzierzazna und in Konstantynów. Im KZ Litzmannstadt wurden mindestens 500 Jugendliche ermordet. Befreit wurde das Lager, zusammen mit der Stadt Łódź, am 18. Januar 1945 durch die Rote Armee.

Weitere Anstalten

Zur Unterdrückung von abweichenden Jugendlichen hatten die Nazis noch weitere Anstalten, Arbeitslager und Jugendgefängnisse eingerichtet. Volljährige Insassen wurden häufig in andere KZ verbracht. Die Kinder und Jugendlichen, die die Nazis aus rassistischen Gründen verfolgten, wurden mit Erwachsenen in Konzentrations- und Vernichtungslagern eingesperrt und im Holocaust getötet. Weiterhin gab es auf Befehl Heinrich Himmlers sogenannte „Ausländerkinder-Pflegestätten“ für die Kinder von Zwangsarbeitern, in denen wie in allen anderen genannten Einrichtungen unmenschliche Bedingungen herrschten. Diese „Ausländerkinder-Pflegestätten“ hatten kein anderes Ziel, als die Kinder von Zwangsarbeitern unbemerkt von der Öffentlichkeit verkümmern zu lassen.

Verweise

Siehe auch

Literatur

  • Wolfgang Ayaß: 'Asoziale' im Nationalsozialismus, Stuttgart: Klett-Cotta, 1995, ISBN 3608917047
  • Inge Deutschkron: ... denn ihrer war die Hölle. Kinder in Gettos und Lagern. Wissenschaft und Politik, Köln 1985, ISBN 3-8046-8565-X.
  • Barbara Bromberger, Hans Mausbach: Feinde des Lebens. NS-Verbrechen an Kindern, Pahl-Rugenstein, Köln 1987, ISBN 3-7609-1062-9.
  • Katja Limbächer, Maike Merten, Bettina Pfefferle (Hrsg.): Das Mädchenkonzentrationslager Uckermark. Unrast Verlag, Göttingen 2000, ISBN 3-89771-202-4.
  • Roman: Arnulf Zitelmann: Paule Pizolka oder eine Flucht durch Deutschland, Weinheim 1991, ISBN 978-3-407-78768-2 --> behandelt Jugendstrafe im dritten Reich, spielt teilweise in Moringen.

Weblinks

Anmerkungen

  1. Wolfgang Ayaß: „Zu den Akten“. Der Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge drückt sich immer noch um die Auseinandersetzung mit seiner NS-Vergangenheit. (pdf) In: Sozialmagazin 17 (1992), Heft 9, S. 54-57.

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