Jupp Weiss

Jupp Weiss

Josef Weiss (* 16. Mai 1893 in Flamersheim; † 12. September 1976 in Jerusalem), Rufname „Jupp Weiss", war eine jüdische Persönlichkeit in der Zeit der Judenverfolgung und des Holocaust. Er war 1944/45 vier Monate „Judenältester“ im so genannten Sternlager des Konzentrationslagers Bergen-Belsen.

Biographie

Josef Weiss wurde standesamtlich registriert im ehemaligen Bürgermeisteramt Cuchenheim am 19. Mai 1893 als Joseph. Sein rheinischer Rufname war „Jupp“. Er war das zweitjüngste von 9 Kindern. Seine Vorfahren stammen aus Holland (Limburg und Noord-Brabant), ließen sich dann zu Beginn des 18. Jahrhunderts in der Nähe der Eifel nieder. Er besuchte die Volksschule in Flamersheim und machte danach eine Lehre in Verbindung mit einer kaufmännischen Fachschule. Seine erste Anstellung fand er im Kölner Kaufhaus Michel & Co der Domstadt Köln, das den Brüdern seiner Mutter gehörte. Es folgte eine sechsjährige Militärzeit. Im Ersten Weltkrieg zeichnete sich Josef Weiss als Frontkämpfer aus, war Feldwebel und erhielt das Eiserne Kreuz 2. Klasse (EK II). Als Personalchef der Firma Michel und Verwaltungsspezialist befasste er sich später mit deutsch-jüdischer Literatur und wurde überzeugter Zionist. 1922 heiratete er die im Rheinland bekannte Opernsängerin Erna Falk.

1933 kam er in Haft und ging auf Flucht vor den Nationalsozialisten nach Aerdenhout (Holland), wo er Aktivitäten und Funktionen beim niederländischen Zionisten-Bund (N.Z.B.) in Haarlem und Hilversum und einer Hilfsorganisation für deutsche Emigranten und jüdische Flüchtlinge übernahm und als aktiver Fluchthelfer wirkte. Ab dem 29. Januar 1942 war er mit der Familie im „polizeilichen Durchgangslager Kamp Westerbork“ inhaftiert. Dort übernahm er freiwillig die Betreuung von etwa 150 emigrierten Jugendlichen und richtete eine Art Lagerschule ein. Als Organisator jüdischer Angelegenheiten konnte Weiss bereits in Westerbork durch Fälschung von Listen und angebliche Kontakte zum Vatikan Menschenleben retten.

Zuerst war er zurückgestellt auf der „Zweitausendliste“, dann erfolgte am 10./11. Januar 1944 seine Überführung als „wirtschaftlich wertvoller Jude“ mit einem Zionistentransport in das „Aufenthalts“- bzw. „Austauschlager“ Bergen-Belsen. Er stand jedoch nicht auf der „Palästinaliste“. Weiss war zuerst zweiter Stellvertreter des korrupten griechischen Judenältesten Albala, dann ab 23. Dezember in dessen Funktion im Sternlager von Bergen-Belsen und war gleichzeitig Verantwortlicher für die interne Lagerverwaltung. Das vorliegende Archivmaterial in den Niederlanden, Deutschland und Israel weist ihn als unumstrittene Persönlichkeit aus.

Die australische Schriftstellerin Hetty E. Verolme charakterisierte „Jupp“ Weiss als „Rock of Gibraltar“, da er sich für die terrorisierten Juden im „Sternlager“ engagiert einsetzte. „Er unternahm vieles, ohne jedoch dabei waghalsig zu werden“ (Eli Dasberg). Prof. Eberhard bestätigt: „Er hat sich um die Insassen des Sternlagers außerordentlich verdient gemacht.“ Berühmt wurde der Bericht von Josef Weiss über die „Seder-Feier 1945 im Kinderhaus von Bergen-Belsen“, der in mehrere Sprachen übersetzt wurde.

Auch nach der Befreiung von Bergen-Belsen war Josef Weiss weiterhin engagiert in Rettungsmaßnahmen. Als ehemaliger „Judenältester von Bergen-Belsen“ war er nach dem Zweiten Weltkrieg ein allseits akzeptierter und anerkannter jüdischer Zeitzeuge.

Literatur

  • Hetty E. Verolme: Wir Kinder von Bergen-Belsen. Weinheim - Basel, Beltz 2005.
  • Eberhard Kolb: Bergen-Belsen. Vom „Aufenthaltslager“ zum Konzentrationslager 1943-1945. 5. überarbeitete und stark erweiterte Auflage, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1996.
  • Alexandra-Eileen Wenck: Zwischen Menschenhandel und „Endlösung“. Das Konzentrationslager Bergen-Belsen. Ferdinand Schöningh: Paderborn/München/Wien/Zürich 2000.
  • Hans-Dieter Arntz: JUDAICA - Juden in der Voreifel. Euskirchen 1983.
  • Hans-Dieter Arntz: Josef Weiss, ein Held in der Zeit des Holocaust (In: Jahrbuch 2008 des Kreises Euskirchen, Euskirchen, November 2007, S. 78-86).
  • Thomas Rahe: Höre Israel. Jüdische Religiosität in nationalsozialistischen Konzentrationslagern. Göttingen 1999.

Weblinks


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