Juristische Person

Juristische Person

Eine juristische Person oder auch juristische Einheit ist eine Personenvereinigung oder eine Vermögensmasse, die aufgrund gesetzlicher Anerkennung rechtsfähig ist, das heißt selbst Träger von Rechten und Pflichten sein kann, dabei aber keine natürliche Person ist.

Inhaltsverzeichnis

Juristische Person des Zivilrechtes

Grundform der juristischen Person des Privatrechts ist der eingetragene Verein (e.V.). Andere juristische Personen, etwa die GmbH, die Aktiengesellschaft und die eingetragene Genossenschaft, bauen auf dieser Grundform auf. Sie erlangen ihre Rechtsfähigkeit durch Eintragung bei einem bei Gericht geführten Register (z. B. Handelsregister, Vereinsregister).

Frage der Handlungsfähigkeit juristischer Personen

Ob juristische Personen nicht nur rechts-, sondern auch handlungsfähig sind, also in der Lage, selbst rechtserheblich tätig zu werden, ist seit langer Zeit umstritten. Die Lehre von der realen Verbandspersönlichkeit, deren wichtigster Vertreter Otto von Gierke war, geht davon aus, dass die juristische Person mit dem tatsächlich vorhandenen Inbegriff ihrer Mitglieder oder Sachmittel gleichzusetzen ist. Sie kommt deshalb zum Ergebnis, dass die juristische Person – vermittelt durch ihre Organe – auch tatsächlich handeln kann.

Für die Fiktionstheorie hingegen, die gemeinhin mit Friedrich Carl von Savigny in Verbindung gebracht wird, ist die juristische Person lediglich ein fiktiver Zurechnungsendpunkt, also ein gedachtes Etwas, das demgemäß auch nicht handeln kann. Ihr zufolge wird die juristische Person von ihren Organen bzw. Organwaltern vertreten. Das Ergebnis ist meist dasselbe.

Es gibt jedoch durchaus Fälle, in denen die beiden Lehren zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Als Beispiel sei die Frage genannt, ob und inwiefern sich die juristische Person das Wissen eines Organs zurechnen lassen muss. Nach der Lehre von der realen Verbandspersönlichkeit (in diesem Zusammenhang auch Organtheorie genannt) ist das Organ Teil der Person. Wissen des Organs ist damit immer zugleich Wissen der Person.

Die Anhänger der Fiktionstheorie erkennen der juristischen Person dagegen – weil in Wirklichkeit gar nicht vorhanden – nicht die Fähigkeit zu, so etwas wie Wissen oder Kenntnis zu haben.

Hintergrund dieser Kontroverse ist der Gegensatz zwischen eher individualistisch und eher kollektivistisch geprägten Vorstellungen – der römischrechtlichen und der deutschrechtlichen Tradition. Bemerkenswert erscheint, dass die meisten wissenschaftlichen Autoren, obwohl unserer Gegenwart im Allgemeinen gerne das Prädikat „individualistisch“ gegeben wird, der tendenziell kollektivistischen Lehre von der realen Verbandspersönlichkeit folgen.

Aufstellung juristischer Personen des Privatrechts

Juristische Personen des Privatrechts sind:

Juristische Person des öffentlichen Rechts

Juristische Personen des öffentlichen Rechts sind Rechtssubjekte, die auf öffentlich-rechtlichem und privatrechtlichem Gebiet Rechtsfähigkeit kraft Gesetzes besitzen. Sie bestehen aufgrund öffentlich-rechtlicher Hoheitsakte oder öffentlich-rechtlicher Anerkennung (z. B. Gemeinden oder Kirchen). Ihnen gemeinsam ist das Recht der Selbstverwaltung, sie unterstehen staatlicher Aufsicht und können in der Regel objektives Recht für ihren Aufgabenbereich durch Satzungen setzen. Generell wird unterschieden zwischen Körperschaften, Anstalten des öffentlichen Rechts und Stiftungen öffentlichen Rechts. Unterarten der Körperschaften, bei denen Zwangsmitgliedschaft ein häufiges Kriterium ihrer Errichtung darstellt, sind Gebietskörperschaften (Bund, Länder, Landkreise und Gemeinden), Personal- und Realkörperschaften (Gemeindeverbände, Industrie- und Handelskammern, Handwerkskammern oder Berufskammern wie den Rechtsanwaltskammern), und – überwiegend – Universitäten (universitas ist auch der lateinische Ausdruck für Körperschaft). Die Anstalten gliedern sich in bundesunmittelbare Anstalten (z. B. die Deutsche Nationalbibliothek, ZDF, Bundesanstalt für den Güterfernverkehr), landesunmittelbare Anstalten (z. B. Rundfunkanstalten, Fachhochschulen und AOK) und kommunale Anstalten (z. B. aus einer Gemeinde ausgegliederte Abwasserbetriebe usw.). Zu den Stiftungen gehören z. B. Deutsche Bundesstiftung Umwelt, aber auch Stiftungsuniversitäten wie die Universität Göttingen. Juristische Personen des öffentlichen Rechts sind entweder bundesgesetzlich (§ 12 Abs. 1 InsO) oder landesrechtlich (z. B. § 128 Abs. 2 GemO NRW) nicht insolvenzverfahrensfähig.

Einigen Kirchen wurde aufgrund der nach Art. 140 Grundgesetz fortgeltenden Bestimmungen der Artikel 136–139 und Art. 141 Weimarer Verfassung der sogenannte Körperschaftsstatus verliehen.

Rechtsgeschichte

Im 19. Jahrhundert konkurrierten verschiedene wissenschaftliche Theorien um die selbständige juristisch-dogmatische Deutung und Einordnung von Personenmehrheiten, Vermögensmassen u. a. in das geltende Recht (sog. Gemeines Recht). Der Gesetzgeber des Deutschen Reiches (1871–1945) entschied sich für die Rechtsfiktion der „juristischen Person“ und verankerte sie als neue Gesetzesinstitution in das am 1. Januar 1900 in Kraft tretende „Bürgerliche Gesetz-Buch“ (BGB).

In der Folge kreierte der Gesetzgeber die streng limitierte Zahl spezieller gesetzlicher juristischer Personen (Eingetragener Verein/e. V., Gesellschaft mit beschränkter Haftung/GmbH, Kommanditgesellschaft/KG, Aktiengesellschaft/AG und neuestens die Europäische Aktiengesellschaft/SE und die Wirtschaftliche Interessenvereinigung/EWIV).
    Damit wurde 1900 die führende Gegenmeinung vom selbständigen „Zweckvermögen“ verworfen. Sie war 1857 – im einzelnen ausgeführt erst 1860 – von dem prominenten bayerischen Juristen des Römischen Rechts Alois Ritter von Brinz (1820–1887) begründet worden. Ein Verein, eine Aktiengesellschaft usw. sei keine „juristische Person“, sondern ein „Vermögen, das für etwas gehöre“, ein „Zweckvermögen“. Während die berühmte Theorie unterging, verbreitete sich das leere Wort „Zweckvermögen“ ungebremst weiter. Ein Jahrhundert nach der Aufstellung der Zweckvermögenstheorie durch von Brinz hat Gerold Schmidt 1969 in einer umfassenden monographischen Bestandsaufnahme den unpräzisen, oft schillernden Wildwuchs des Begriffs in zahlreichen Rechts-, Wirtschafts- und Steuergebieten nachgezeichnet. „Zweckvermögen“ wird danach oft vorgeschoben, wenn der juristische Eigentümer eines Vermögens unbekannt ist oder vorsätzlich verschleiert werden soll.

Meist sind sogenannte „Zweckvermögen“ als normale Treuhandvermögen zu entlarven, die dem Eigentum des Treugebers zuzurechnen sind.

Abgrenzung

Die Begriffe Körperschaft, Gesellschaft, juristische Person und Verein werden oft synonym oder in engem Zusammenhang verwendet. Wie in diesem Artikel dargestellt, sind diese Begriffe rechtlich voneinander abzugrenzen, da jeder seine eigene Bedeutung besitzt.

Eine detaillierte Aufzählung von Typen privatrechtlicher juristischer Personen befindet sich im Artikel Rechtsform.

Personengesellschaften sind nach herrschender Meinung keine juristischen Personen im Sinne des Gesellschaftsrechts. Sie werden aber vom Begriff der juristischen Personen im Sinne des Verfassungsrechts (vgl. Art. 19 Abs. 3 GG) erfasst, können also Träger von Grundrechten sein.

Grundrechtsschutz ausländischer juristischer Personen

Ausländische juristische Personen, die ihren Sitz in der Europäischen Union haben, sind nach der neueren Rechtsprechung ebenso wie inländische Grundrechtsträger im Sinne von Art. 19 Abs. 3 GG, wenn ihre Tätigkeit einen „hinreichenden Inlandsbezug aufweist“. Das wird regelmäßig der Fall sein, wenn die juristische Person in Deutschland tätig wird und hier vor den Fachgerichten klagen und verklagt werden kann. Das europarechtliche Verbot der Ausländerdiskriminierung und die Grundfreiheiten verdrängen in diesem Fall die Regelung in Art. 19 Abs. III GG nicht, sie veranlassen aber die Erstreckung des Grundrechtsschutzes auf weitere Rechtssubjekte des europäischen Binnenmarktes.[1][2] Der Grundrechtsschutz war in diesen Fällen bisher nur in der Literatur befürwortet worden.[3]

Siehe auch

Literatur

  • Gerold Schmidt, Zum Begriff des „Zweckvermögens“ in Rechts- und Finanzwissenschaft, in: Verwaltungsarchiv, Zeitschrift für Verwaltungslehre, Verwaltungsrecht und Verwaltungspolitik, 60. Bd, Köln (Carl Heymanns Verlag) 1969 S. 293–331 u. (Forts.) 61. Bd, 1970, S. 60–81

Weblinks

Einzelnachweise

  1. BVerfG: Beschluss des Ersten Senats – 1 BvR 1916/09 –. 19. Juli 2011, abgerufen am 10. September 2011.
  2. BVerfG: Zum Grundrechtsschutz juristischer Personen aus der Europäischen Union und zum Verbreitungsrecht nach dem Urheberrechtsgesetz (nachgeahmte Designermöbel). 9. September 2011, abgerufen am 10. September 2011 (Pressemitteilung).
  3. Hans D. Jarass; Hans D. Jarass, Bodo Pieroth (Hrsg.): Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland. 7. Auflage. C. H. Beck Verlag, München 2004, ISBN 3-406-51428-6 (Art. 19 GG Rn. 17a m.w.N.).


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