Justin I.

Justin I.

Justin I. (lat. Imperator Caesar Flavius Iustinus Augustus; mittelgriechisch Φλάβιος Ἰουστίνος Αὔγουστος, als Kaiser auch: Ἰουστίνος Α' ὁ Mέγας, * um 450 bei Naissus; † 1. August 527 in Konstantinopel) war von 518 bis 527 (ost-)römischer Kaiser und der erste Herrscher der Justinianischen Dynastie (518–578 bzw. 602).

Leben

Tremissis des Justin I.

Flavius Iustinus wurde um 450 (laut Johannes Malalas 452) in der Umgebung von Naissus in der römischen Provinz Dacia mediterranea als Sohn bäuerlicher Eltern geboren und absolvierte seit etwa 470 in Konstantinopel zunächst eine Militärkarriere, die insbesondere durch seine Teilnahme am Isaurischen Krieg 492-498 gekennzeichnet war. Justin stammte aus dem Illyricum und damit aus einem Teil des Oströmischen Reiches, in dem Latein gesprochen wurde. Sein angeblich schlechtes Griechisch bot später Anlass zum Spott; es hieß, er habe zum Unterzeichnen seiner Erlasse eine Schablone gebraucht (so der spätantike Historiker und Zeitgenosse Prokopios von Caesarea).

503 war Justin einer der Generäle des großen römischen Heeres, dessen Offensive gegen die persischen Sassaniden aber kläglich scheiterte. Erfolgreicher agierte er als Admiral während der Kämpfe gegen den Usurpator Vitalian im Jahr 515. Wenig später stieg er zum Kommandeur (comes) der kaiserlichen Garde (excubitores) auf. Nach dem Tod des Kaisers Anastasius wurde Justin 518 (wohl am 10. Juli) überraschend und in bereits recht hohem Alter zum Kaiser ausgerufen. Nach spätrömischer Sitte auf den Schild gehoben und von dem Goten Godila mit einem Wendelring (torques) gekrönt, erfolgte die eigentliche Krönung mit dem Diadem durch den Patriarchen Johannes II. Dabei scheint sich Justin I. geschickt und skrupellos gegen andere Kandidaten, darunter die erwachsenen Neffen seines Vorgängers und insbesondere der domesticus Theocritus, durchgesetzt zu haben; angeblich setzte er Bestechungsgelder, die er eigentlich im Auftrag des Theocritus verteilen sollte, im eigenen Namen ein, um seine Wahl zu ermöglichen. Bereits recht bald nach Beginn seiner Regierungszeit fungierte vermutlich sein gebildeter Neffe und späterer Nachfolger Petrus Sabbatius (Justinian) als Berater Justins. Einiges deutet darauf hin, dass Justins Herrschaftsanspruch nicht von allen Mitgliedern der Senatsaristokratie akzeptiert wurde; vielmehr stützte sich der neue Augustus stärker als sein Vorgänger auf die Armee, der er ja entstammte, was auch in der Wiedereinführung des Rituals der Schilderhebung bei seiner Kaiserakklamation deutlich wird.

In seinen Beziehungen zur katholischen Kirche setzte Justin auf Diplomatie. In einer Korrespondenz mit dem römischen Bischof Hormisdas gelang es ihm 519, das Akakianische Schisma (seit 484) zu überwinden, indem der Kaiser Rom in praktisch allen Punkten nachgab und die Patriarchen der Ostkirche zwang, dies ebenfalls zu tun. Damit wurde deutlich, dass das wiedererstarkte Oströmische Reich nun erneut verstärktes Interesse an den Vorgängen im Westen hatte. Um diese Zeit lässt sich auch erstmals (bei Marcellinus Comes) die Ansicht nachweisen, 476 habe das weströmische Kaisertum aufgehört zu existieren, weshalb die Herrschaftsrechte im Westen nun wieder beim oströmischen Kaiser lägen. In der Folgezeit nahm die römische Kirche dann unter Johannes I. eine Vermittlerrolle zwischen dem Kaiser und dem arianischen Ostgotenkönig Theoderich ein; diese Politik scheiterte aber, als Theoderich den greisen Bischof unter der Anschuldigung, sich mit Ostrom gegen die Goten verbündet zu haben, gefangen nehmen ließ.

Die Regierungszeit Justins war außenpolitisch nicht zuletzt vom Kampf gegen die persischen Sassaniden an der Ostgrenze geprägt (siehe auch Kavadh I., Römisch-Persische Kriege). Hatte es bereits vorher latente, wachsende Spannungen gegeben (unter anderem aufgrund des Scheiterns von Verhandlungen, die die Adoption des späteren Perserkönigs Chosrau I. durch Justin zum Ziel gehabt hatten), entluden sich diese seit 526 in Kämpfen im Kaukasus, vor allem in der Region um Iberien, und in Nordmesopotamien. Der Krieg verlief wechselhaft und brachte keine Entscheidung; er dauerte auch nach dem Tod Justins noch bis 532 an. Dafür gelang die Ausweitung des christlichen Einflusses im heutigen Jemen (siehe Ella Asbeha).

Auch die Beziehungen zum Ostgotenreich verschlechterten sich, zumal am ostgotischen Königshof die seit dem Ende des Schismas erstarkende prokaiserliche (oströmische) Partei bekämpft wurde. In diesem Zusammenhang ist auch die Hinrichtung des Philosophen Boëthius zu sehen. Demgegenüber wurden im Ostreich die Arianer ab dem Jahr 523 verfolgt, was man am ostgotischen Hof mit Missmut hinnehmen musste, hingen doch auch die Ostgoten mehrheitlich dem arianischen Bekenntnis an. Der blutige Gotenkrieg, den Justins Nachfolger seit 535 führen sollte, warf seine Schatten voraus.

Kaiser Justin starb am 1. August 527. Nachfolger wurde sein Neffe und Adoptivsohn Justinian I., der bereits seit 525 Caesar gewesen und im April zum Mitkaiser (Augustus) erhoben worden war, was einen reibungslosen Übergang ermöglichte. In Justinians Regierungszeit sollte sich der Übergang von der antiken Staatlichkeit Ostroms zum Byzantinischen Reich mittelalterlicher Prägung beschleunigen. Seine Regierungszeit überstrahlt in der Rezeption diejenige Justins. Dies ist auch der Geschichtsschreibung Prokops zuzuschreiben, der sich eher abwertend über Justin äußert und suggeriert, Justin sei nur ein ungebildetes, williges Werkzeug seines Neffen gewesen. Diese Beurteilung ist jedoch zweifelhaft, auch wenn Justinian zweifellos zumindest in der Spätzeit großen Einfluss auf Justin ausgeübt hat. Dennoch bildete Justins Herrschaft das Fundament für Justinians Erfolge, und es spricht einiges dafür, dass Justin zumindest bis etwa 525 durchaus eigenständig agierte und nicht, wie oft in Anschluss an parteiische Quellen angenommen wird, bereits von Anfang an nur ein Instrument seines begabten Neffen war.

Literatur

Weblinks

 Commons: Justin I. – Album mit Bildern und/oder Videos und Audiodateien


Vorgänger Amt Nachfolger
Anastasios I. Kaiser von Byzanz
518–527
Justinian I.

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