Justizvollzugsanstalt Waldheim

Justizvollzugsanstalt Waldheim
Justizvollzugsanstalt Waldheim von Südosten

Die Justizvollzugsanstalt Waldheim in Waldheim, etwa 30 km nördlich von Chemnitz, war einst das größte Zuchthaus Sachsens und ist eines der ältesten in Europa.

Im Zuchthaus Waldheim waren auch viele Häftlinge wegen politischer Straftaten inhaftiert, sowohl im nationalsozialistischen Deutschen Reich als auch später in der DDR.

Die Justizvollzugsanstalt dient der Inhaftierung männlicher Erststraftäter. Es stehen 377 Plätze im geschlossenen und 18 Plätze im offenen Vollzug zur Verfügung.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Die Einrichtung wurde 1716 unter August dem Starken eröffnet. Für die Finanzierung des Zucht-, Armen- und Waisenhauses zu Waldheim wurde seit dem 23. Juni 1710 von allen neu angestellten Staatsdienern Kursachsens ein Zwölftel der Besoldung des ersten Jahres einbehalten. Dieser Zwölftelabzug fand auch bei Besoldungszulagen auf den Erhöhungsbetrag Anwendung.

Als erster weiblicher Häftling saß Sophie Sabina Apitzsch ein, die sich im Jahre 1714 als sächsischer Kurprinz ausgegeben hatte.

Ab 1806 war Christian August Fürchtegott Hayner hier Anstaltsarzt. 1829 wurde die psychiatrische Abteilung – die Häftlinge waren für die Versorgung der „Irren“ zuständig gewesen – mit Hayner als leitendem Arzt nach Schloss Colditz verlegt. Dort wurden auf sein Betreiben neue Methoden zur Behandlung von Geisteskranken eingeführt.[1][2]

Nach der Niederschlagung der Märzrevolution von 1848/49 wurden mehrere sächsische Patrioten, wie z. B. Hermann Theodor Breithaupt zu langjährigen Zuchthausstrafen in Waldheim verurteilt. Der Schriftsteller und demokratische Aufständler August Peters verbüßte seine Strafe von 1853 bis zu seiner Begnadigung 1856.

Der spätere Autor Karl May war von 1870 bis zum 2. Mai 1874 im Zuchthaus zu Waldheim inhaftiert.

Während der Zeit des Nationalsozialismus wurden viele Personen aus politischen Gründen im Zuchthaus Waldheim inhaftiert. Typische Haftgründe waren „Hören feindlicher Rundfunksendungen und antifaschistischer Propaganda“, „Wehrkraftzersetzung“ und „Vorbereitung zum Hochverrat“. So wurde die Frauenrechtlerin und Kommunistin Olga Körner 1933 zu drei Jahren Haft verurteilt. Das spätere KPD-Parteivorstandsmitglied Josef Schleifstein verbüßte hier ab 1934 eine Freiheitsstrafe wegen Hochverrats. Die Widerstandskämpferin Eva Schulze-Knabe wurde 1942 zu lebenslangem Zuchthaus verurteilt und kam 1945 frei.

Das Zuchthaus diente ferner medizinischen Versuchen, die auf Anregung des Leipziger Vitaminforschers Arthur Scheunert und mit Genehmigung des Reichsministers der Justiz den Vitamin-A-Bedarf untersuchten. Die ausgesuchten Häftlinge wurden isoliert und erhielten eine Vitamin-A-freie Kost. Ergebnis waren deutliche Gesundheitsbeeinträchtigungen im sechsten Monat des Versuchs, insbesondere der Sehfunktionen und der Blutzusammensetzung. Die Versuche dienten der Vorbereitung einer allgemeinen Vitaminisierung der Margarine, die im Januar 1941 begann.

Von April bis Juni 1950 führten Richter im Zuchthaus Waldheim 3.385 Schnellverfahren gegen mutmaßliche NS-Verbrecher durch. Nur in vier Fällen ergingen Freisprüche, in 32 Fällen wurden Todesstrafen verhängt und in 24 Fällen vollstreckt. Nach heutiger Auffassung des Bundesgerichtshofs stellten die Waldheimer Prozesse einen „krassen Missbrauch der Justiz zur Durchsetzung machtpolitischer Ziele“ dar (BGH, Az. 5 StR 236/98).

Heutige Nutzung und Ausbau

Die heutige Zuständigkeit der JVA Waldheim dient dem Vollzug der Freiheitsstrafe männlicher Strafgefangener aus allen Landgerichtsbezirken im Freistaat Sachsen mit Freiheitsstrafe über zwei Jahren, die sich erstmals in Strafhaft befinden (Ersttäter). Durch die Trennung von hafterfahrenen Strafgefangenen soll eine ungefährdete Resozialisierung ermöglicht werden. Ein Schwerpunkt des Ersttätervollzuges bildet die Erziehung zu sozialer Selbstverantwortung und Eigenständigkeit in Wohngruppen mit etwa 20 bis 28 Haftplätzen je Wohngruppe. In der Anstalt befindet sich auch eine sozialtherapeutische Abteilung mit 120 Haftplätzen und eine offene Abteilung mit 18 Haftplätzen.

In der JVA Waldheim befindet sich unter anderem eine Druckerei und Buchbinderei, ein Metallbetrieb (Schlosserei), eine Tischlerei und weitere Eigenbetriebe um Arbeitsplätze für arbeitswillige Strafgefangene bereit zu halten.

Das große Hafthaus 1 und die Anstaltskirche wurde zwischen 2001 und 2004 komplett saniert.

Literatur

  • Johannes W. E. Büttner: Das Gesundheitswesen und die gesundheitlichen Verhältnisse des Zucht-, Waisen- und Armenhauses und späteren Zucht- und Korrektionshauses in Waldheim (Sachsen) seit seiner Gründung im Jahre 1716 bis 1900. Leipzig (Anstaltsdruckerei Waldheim) 1942.
  • Martin Habicht; Zuchthaus Waldheim 1933 - 1945: Haftbedingungen und antifaschistischer Kampf. Berlin: Dietz, 1988, ISBN 3-320-01204-5
  • Hainer Plaul: Resozialisierung durch »progressiven« Strafvollzug. Über Karl Mays Aufenthalt im Zuchthaus zu Waldheim von Mai 1870 bis Mai 1874. In: Jahrbuch der Karl-May-Gesellschaft 1976. (mit Dokumenten zur Strafvollzugspraxis)

Einzelnachweise

  1. Melchior Josef Bandorf: Hayner, Christian August Fürchtegott. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 11, Duncker & Humblot, Leipzig 1880, S. 164 f.
  2. Heinz Schott, Rainer Tölle: Geschichte der Psychiatrie. Krankheitslehren, Irrwege, Behandlungsformen. C. H. Beck, München 2006, ISBN 3-406-53555-0 (Volltext in der Google Buchsuche).

Weblinks

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