Anakreontik

Anakreontik

Anakreontik (griech.), nach dem altgriech. Lyriker Anakreon (6. Jh. v. Chr.) benannte Stilrichtung der deutschen und europäischen Dichtung Mitte des 18. Jh. (Rokoko), verspielt-galant, immer um die Themen Liebe, Freundschaft, Natur, Wein, Geselligkeit kreisend. Sie geht auf die Lyriksammlung Anakreonteia zurück.

Inhaltsverzeichnis

Die deutsche Anakreontik

1733 übersetzte Johann Christoph Gottsched als erster einige der antiken anakreontischen Gedichte stilistisch und metrisch sicher in die deutsche Sprache. Ziel dieser Übersetzungen war vor allem die Verbesserung der poetischen Ausdrucksformen im Deutschen. 1743 erscheinen die Scherzhaften Lieder nach dem Muster des Anakreon, herausgegeben von einem Bauzne von Christian Nicolaus Naumann. Dennoch schafft es Naumann nicht, eine anakreontische Strömung in Deutschland auszulösen. Zu sehr klebt er in seiner Sprache noch an den Metaphern und dem Stil des Barock. 1744 veröffentlicht nun Johann Wilhelm Ludwig Gleim seinen Versuch in scherzhaften Liedern. Kurze Zeit später veröffentlichen Johann Peter Uz und Johann Nikolaus Götz die Oden Anakreons in reimlosen Versen. Damit waren die Grundlagen geschaffen – die Oden Anakreons sind zum ersten Mal komplett in die deutsche Sprache übertragen, und eine erste Veröffentlichung, die ausschließlich Gedichte im Stile Anakreons bietet, ist auf dem literarischen Markt. In der Folge entwickelte sich eine rege Nachahmung der Gedichte Anakreons, die in ihren Motiven und ihrem formalen Aufbau relativ eng ist.

Die Themen der Anakreontik sind die Freude an der Welt und am Leben („carpe diem“). Dies drückt sich aus in der Darstellung der Liebe, der Freundschaft und Geselligkeit, des Weingenusses und der Freude an der Natur. Auch das Dichten selbst ist häufig Thema. Der im Gedicht dargestellte Raum ist häufig eine anmutige und liebliche (amöne) Landschaft. Oft tritt Personal der antiken Götterwelt auf. So in Verbindung mit dem Wein vor allem Dionysos und Bacchus, in Verbindung mit der Liebe Amor und Eros und speziell bei Gleim z.B. Cithere (nach der griechischen Insel Kythira, dort stand ein Heiligtum der Aphrodite).

Auch formal bleibt der Rahmen relativ eng: Das Versmaß der Anakreontiker ist der drei- oder vierhebige Jambus, oft mit einer weiblichen Kadenz. Im Gegensatz zum barocken Alexandriner vermittelt dieses Versmaß einen leichten, tändelnden Eindruck, es passt sich also der Thematik an. Auch der Endreim fehlt in einem streng anakreontischen Gedicht, ebenso wie die Gliederung in Strophen. Dadurch werden andere Mittel zur Gliederung notwendig. Dies wird vor allem erreicht durch rhetorische Figuren der Wiederholung auf Laut-, Wort-, und Satzebene.

Dies führt zu einer starken Redundanz der Texte. Dem Leser wird deutlich, dass eine rationalistische Interpretation unangemessen wäre; diese Dichtung sollte sinnlich aufgenommen werden.

Ab ca. 1770 wandten sich die Dichter Klopstock, Herder und bald auch Goethe in zunehmendem Maß von der anakreontischen Dichtung ab und statt dessen einer an Pindar orientierten, erhabeneren Dichtung zu. Dies kommt beispielsweise in Goethes Gedicht Der Adler und die Taube von 1772 zum Ausdruck.[1]

Deutschsprachige Vertreter der Anakreontik waren (zeitweise):

Leporellos Registerarie

Während die meisten Werke der deutschen Anakreontik nach dem Ende dieser literarischen Mode wieder in der Vergessenheit versunken sind, lebt ein Werk – freilich ohne dass der Zusammenhang bekannt geblieben wäre – nach wie vor weiter: Lorenzo da Ponte gestaltete nämlich den Text von Leporellos Registerarie in Don Giovanni nach der Vorlage von Anakreons Gedicht XXXII Auf seine Mädchen[2], diese Anspielung auf die anakreontische Dichtung war dem damaligen Opernpublikum natürlich bewusst.

Literatur

  • Anakreontische Aufklärung, hrsg. v. Manfred Beetz u. Hans-Joachim Kertscher, Hallesche Beiträge zur Europäischen Aufklärung Bd.28, Tübingen 2005. ISBN 3-484-81028-9/978-3-484-81028-0

Siehe auch

Wiktionary Wiktionary: Anakreontik – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Wolfgang Bunzel: Das gelähmte Genie. Versuch einer Deutung von Goethes Gedicht Der Adler und die Taube (1772/73)
  2. http://www.zeno.org/Literatur/M/Anakreon/Gedichte/Die%20Gedichte%20Anakreons/Auf%20seine%20Mädgens

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