Analemmatische Sonnenuhr

Analemmatische Sonnenuhr
Moderne analemmatische Sonnenuhr
Historische analemmatische Sonnenuhr in Brou,
Schattenstab angekettet
Analemma des Vaulezard
Modell einer analemmatischen Sonnenuhr [1]
Besonderheit: zusätzliche Anzeigen von Azimut (Winkelskala am Stab-Fußpunkt) und Höhenwinkel (einstellbare Vorrichtung am Stab)
Analemmatische Sonnenuhr nach Foster und Lambert, Muttenz/CH

Die analemmatische Sonnenuhr ist eine Azimutale Sonnenuhr.

Inhaltsverzeichnis

Gebrauch

Die gebräuchliche Ausführung hat auf dem Boden ein elliptisches Zifferblatt. Auf der kleinen Ellipsenachse wird ein vertikaler Schattenstab in Abhängigkeit von der Jahreszeit (Deklination der Sonne) positioniert. Besonders beliebt ist, dass der Benutzer selbst als Schattenwerfer fungieren kann. Die Tageszeit wird als Wahre Ortszeit vom Schnittpunkt des Stabschattens mit der elliptischen Skala angezeigt.

Geschichte

Die älteste analemmatische Sonnenuhr befindet sich vor dem ehemaligen Kloster Brou bei Bourg-en-Bresse (Frankreich). Es ist möglich, dass diese Uhr am Anfang des 16. Jahrhunderts gleichzeitig mit dem Kloster errichtet wurde. Die Skala zur Aufstellung des Schattenstabes ist prinzipiell eine Gerade. In Brou hat ein „wohlmeinender“ Restaurator eine Analemma-Schleife angebracht.[2]

Die erste bekannte theoretische Behandlung stammt von M. de Vaulezard: Traictè ou Usage du Quadrant analematique, Paris 1640. Die Uhr wird auch 1654 vom Astronomen Samuel Foster in Elliptical or Azimuthal Horologiography behandelt.[3] Die beiden Stichworte analematique und Azimuthal weisen auf zwei verschiedene mögliche Arten der Beschreibung hin. Foster entwickelte auch eine Variante, die besser unter dem Namen des später lebenden Mathematikers Johann Heinrich Lambert bekannt ist.[4]

Im 18. Jahrhundert gab es tragbare Doppelsonnenuhren aus einer analemmatischen und einer Uhr mit Polstab, die zur Orientierung keinen Kompass brauchten.[5] Danach geriet aber die analemmatische Sonnenuhr in Vergessenheit. Heute findet man sie als beliebte Bodensonnenuhr, ausgeführt wie ihr altes Vorbild aus Brou, in vielen Parks und auf vielen öffentlichen Plätzen.

Erklärung von Namen und Funktion

Name: Analemmatische Sonnenuhr

Vaulezard war Mathematiker, der vorwiegend Geometrie betrieb. Seine Sonnenuhr muss als Anwendung der geometrischen Kurve Ellipse angesehen werden. Er nannte seine Konstruktionsmethode Annalemme, die schließlich zum Namen der erhaltenen Sonnenuhr wurde. Die Konstruktionsmethode ist das Analemma des Vitruv, der damit Himmelskreise in der Ebene als Ellipsen abbildete. Damals gab es den dafür passenden Begriff Orthogonale Projektion noch nicht.[6].

Name: Azimutale Sonnenuhr

Der verwendete senkrechte Schattenstab misst direkt das Azimut der Sonne. Die Analemmatische Sonnenuhr wird so verwendet, dass durch Einstellung dieses Stabes entsprechend der bekannten Deklination der Sonne von der zur geographischen Breite des Aufstell-Ortes passenden Ellipse die Tageszeit ablesbar ist. Sie gehört somit zu den Azimutalen Sonnenuhren, wird mitunter kurz selbst die Azimutale Sonnenuhr genannt.

Funktion

Stellt man sich als Vorlage für die Boden-Ellipse den Ring einer ringförmigen Äquatorialsonnenuhr vor, so führt das zu einer umfassenden erklärenden Herleitung der analemmatischen Sonnenuhr aus dieser Uhr. Aus dem fixen, Erdachs-parallelen Polstab wird der auf dem Boden in Abhängigkeit von der Jahreszeit einzustellende vertikale Schattenstab. Der anzeigende Punkt auf der Ellipse ist der Schatten eines variablen Nodus, der in diesem Stab enthalten ist. Er steigt über den Tag in ihm bis zum Mittag auf, danach wieder zu seinem Fuß hinab. So gesehen wird die Sonne in einer analemmatischen Sonnenuhr zweidimensional abgebildet.[7]

Varianten und geometrische Verallgemeinerung

So wie Vaulezard fanden andere Mathematiker andere Varianten zur oben beschriebenen Sonnenuhr aus rein geometrischen Überlegungen. Eine davon ist die heute auch wieder anzutreffende Sonnenuhr nach dem Engländer Samuel Foster (1680) und dem Elsässer Johann Heinrich Lambert.[8] Bei ihr kann der Himmelsäquator oder der Ring einer Äquatorialen Sonnenuhr auch in Parallel-Projektion, aber nicht senkrecht auf eine horizontale Ebene abgebildet gedacht werden. Hat die Projektionsrichtung einen Winkel von (90°+φ) / 2 gegen den Nordpunkt des Horizonts oder (90°-φ) / 2 gegen den Südpunkt (φ gleich geographische Breite), entsteht anstatt einer Ellipse wieder ein Kreis. Bei einer entsprechenden Sonnenuhr sind die Stundenlinien wie auf einer ebenen Äquatorialsonnenuhr gleichmäßig verteilt. Der ebenfalls einzustellende Schattenstab hat die Schräge der Projektionsrichtung. Der Begriff Azimutale Sonnenuhr trifft nicht mehr zu, denn das inhärente Koordinatensystem ist um die Ost-West-Achse verdreht. Bei der nebenstehend abgebildeten Foster-Lambert-Sonnenuhr ist der Schattenstab nach Norden geneigt.

Die Ausführung nach Vaulezard hat als Reise-Sonnenuhr (Einnorden mit Kompass) mehrere Ellipsen (alle mit identischen Brennpunkten) auf dem Zifferblatt, die für verschiedene geographische Breiten gelten. Sie ist als Sonnenkompass [9] benutzbar, wenn man die Tageszeit kennt, und wurde zu diesem Zweck und unter dieser Bezeichnung in den Afrikafeldzügen beider Seiten des Zweiten Weltkrieges benutzt.

Eine umfassendere geometrische Verallgemeinerung ist, dass Himmelskreise oder ihre Entsprechungen in Sonnenuhren in irgendeiner Art auf die horizontale Ebene projiziert werden. Demzufolge gibt es sogenannte Astrolabische Sonnenuhren, bei denen die Stereographische Projektion, die im Astrolabium vorkommt, verwendet wird. Historische Beispiele stammen vom Deutschen Peter Apian (1495 -1552) und vom Engländer William Oughtred (1574 - 1660).[10]

Literatur

  • Rene R. J. Rohr: Die Sonnenuhr. Geschichte, Theorie, Funktion. Callwey, München 1982, ISBN 3-7667-0610-1
  • Louis Janin: Geschichte und Entwicklung der analemmatischen Sonnenuhr. In: Uhrentechnik. Nr. 2, 1974, ISSN 0720-9614, S. 1–15.

Anmerkungen und Einzelnachweise

  1. Eine mathematische Beschreibung der analemmatischen Sonnenuhr
  2. Rene R. J. Rohr: Die Sonnenuhr. Geschichte, Theorie, Funktion. Callwey, München 1982, ISBN 3-7667-0610-1, S. 118
  3. Rene R. J. Rohr: Die Sonnenuhr. Geschichte, Theorie, Funktion. Callwey, München 1982, ISBN 3-7667-0610-1, S. 120
  4. Rene R. J. Rohr: Die Sonnenuhr. Geschichte, Theorie, Funktion. Callwey, München 1982, ISBN 3-7667-0610-1, S. 124
  5. Bedos de Celles: La Gnomonique pratique. Paris 1780
  6. Armin Zenner: Über das Analemma, Deutsche Gesellschaft für Chronometrie, Jahrbuch 2000: Das Analemma ... im 17. Jahrhundert von F. d'Aiguillon mit dem Namen "Orthogonale Projektion" bezeichnet.
  7. Modell einer äquatorialen und einer analemmatischen Sonnenuhr
  8. Rene R. J. Rohr: Die Sonnenuhr. Geschichte, Theorie, Funktion. Callwey, München 1982, ISBN 3-7667-0610-1, S. 124-127
  9. Heinz Schilt: Eine Sonnenuhr als Kompaß ..., Schriften der Freunde alter Uhren, 1992, S. 192 -200, Abb. 3
  10. Rene R. J. Rohr: Astrolabische Sonnenuhren, Schriften der Freunde alter Uhren, 1979, S. 83 - 90

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