Anatas

Anatas
Anatas
Anatase-131663.jpg
Anatas-Einkristall auf Quarz aus Minas Gerais, Southeast Region, Brasilien (Größe: 3,0 x 2,3 x 0,8 cm)
Chemische Formel TiO2
Mineralklasse Oxide und Hydroxide
4.DD.05 (8. Auflage: IV/D.14-10) (nach Strunz)
04.04.04.01 (nach Dana)
Kristallsystem tetragonal
Kristallklasse ditetragonal-dipyramidal 4/m\ 2/m\ 2/m [1]
Farbe Schwarzgrau, Braun bis Rötlichbraun, Indigoblau, Grün; selten farblos
Strichfarbe Weiß
Mohshärte 5,5 bis 6
Dichte (g/cm3) gemessen: 3,79 bis 3,97 ; berechnet: [3,89] [2]
Glanz Diamantglanz bis Metallglanz
Transparenz durchsichtig bis undurchsichtig
Bruch schwach muschelig, spröde
Spaltbarkeit vollkommen nach {001} und {011}
Habitus überwiegend dipyrymidal nach {011}, stumpf pyramidal und tafelig nach {001} [2]
Häufige Kristallflächen üblicherweise prismatisch nach [001] mit {110}, {010} [2]
Zwillingsbildung selten nach {112}
Kristalloptik
Brechungsindex nω = 2,561 nε = 2,488 [3]
Doppelbrechung
(optische Orientierung)
δ = 0,073 [3] ; einachsig negativ; annormal zweiachsig bei kräftig gefärbten Kristallen [2]
Pleochroismus meist schwach, aber stärker bei kräftig gefärbten Kristallen[2]

Anatas (auch Oktaedrit oder oktaedrischer Schörl[4]) ist ein häufig vorkommendes Mineral aus der Mineralklasse der „Oxide und Hydroxide“. Es kristallisiert im tetragonalen Kristallsystem mit der chemischen Zusammensetzung TiO2 und entwickelt meist dipyramidale und tafelige Kristalle von wenigen Millimetern bis mehreren Zentimetern Größe, deren Farben zwischen schwarzgrau, braun, rötlich-braun und blau variieren. Die Farben beruhen auf Verunreinigungen mit Fremdatomen; reiner Anatas ist farblos, kommt aber nur sehr selten natürlich vor.

Inhaltsverzeichnis

Etymologie und Geschichte

Benannt wurde Anatas nach dem griechischen Wort ἀνάτασις [anátasis] für Ausdehnung, Streckung oder auch das Emporstrecken, da die meisten der gefundenen, dipyramidalen Kristalle im Gegensatz zu anderen tetragonal orientierten Mineralen eine überdurchschnittliche Längenausdehnung in Richtung der Z-Achse zeigen.

Erstmals wurde blauer Anatas 1783 von Jacques Louis de Bournon in einem Brief an Jean-Baptiste Romé de L’Isle als indigoblauer Schörl erwähnt. Im weiteren wurden von verschiedenen Wissenschaftlern Anatas-Varietäten beschrieben und unterschiedlich benannt. So beschieb Horace-Bénédict de Saussure Octaèdrit, Jean-Claude Delamétherie Oisanit. 1801 untersuchte René-Just Haüy erstmals farblosen Anatas, der bei Le Bourg-d’Oisans im französischen Dèpartement Isère gefunden wurde und erkannte dabei auch, dass es sich bei den verschiedenen bislang bekannten Mineralen um Varitäten des gleichen Minerals handelt, das er Anatas nannte.[5]

Klassifikation

In der mittlerweile veralteten, aber noch gebräuchlichen 8. Auflage der Mineralsystematik nach Strunz gehörte der Anatas zur Mineralklasse der „Oxide und Hydroxide“ und dort zur Abteilung der „Oxide mit dem Stoffmengenverhältnis Metall : Sauerstoff = 1:2“, wo er zusammen mit Downeyit eine eigenständige Gruppe bildete.

Die seit 2001 gültige und von der International Mineralogical Association (IMA) verwendete 9. Auflage der Strunz'schen Mineralsystematik ordnet den Anatas ebenfalls in die Klasse der „Oxide und Hydroxide“ und dort in die Abteilung der „Metall : Sauerstoff = 1 : 2 und vergleichbare“ ein. Diese Abteilung ist allerdings weiter unterteilt nach der Größe der beteiligten Kationen sowie der Kristallstruktur, so dass das Mineral entsprechend seiner Zusammensetzung in der Unterabteilung „Mit mittelgroßen Kationen: Gerüst kantenverknüpfter Oktaeder“ zu finden ist, wo es als einziges Mitglied die unbenannte Gruppe 4.DD.05 bildet.

Auch die überwiegend im englischen Sprachraum gebräuchliche Systematik der Minerale nach Dana ordnet den Anatas in die Klasse der „Oxide und Hydroxide“ und dort in die Abteilung der „Oxide“. Hier ist er einziges Mitglied der unbenannten Gruppe 04.04.04 innerhalb der Unterabteilung „Bearbeiten] Modifikationen und Varietäten

Anatas ist neben Brookit und Rutil eine Modifikation des Titandioxids. Ab etwa 915 °C wandelt er sich in Rutil um.

Bildung und Fundorte

Anatas mit Quarz überwachsen aus Hardangervidda, Norwegen
Pseudomorphose von Anatas nach Titanit aus der Jones Mine, Zirconia, Henderson County (North Carolina), North Carolina, USA

Anatas bildet sich normalerweise sekundär durch Umwandlung anderer titanhaltiger Minerale in Hydrothermaladern und Klüften in Granit, Glimmerschiefer, Gneis und Diorit, kann aber auch in vulkanischen und metamorphen Gesteinen entstehen. Begleitminerale sind neben Brookit und Rutil noch Titanit, Ilmenit, titanhaltiger Magnetit, Hämatit und Quarz. Zudem findet sich Anatas in Form von Pseudomorphosen nach Titanit und Ilmenit, und das sich das Mineral selbst in Rutil umwandelt, auch Pseudomorphosen von Rutil nach Anatas.

Weltweit konnte Anatas bisher (Stand: 2011) an rund 1500 Fundorten nachgewiesen werden.[3]

In Deutschland fand sich Anatas unter anderem im Schwarzwald (Baden-Württemberg), im bayerischen Fichtelgebirge sowie im Schwäbisch-Fränkischen, Bayerischen und Oberpfälzer Wald, in Hessen, im Harz (Niedersachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen), der Eifel (Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz), im Taunus, im Saarland, im sächsischen Erzgebirge, in Schleswig-Holstein und im Thüringer Wald.

In Österreich trat das Mineral vor allem in den Regionen Kärnten, Niederösterreich, Salzburg, Steiermark, Tirol, Oberösterreich und Wien zutage und in der Schweiz fand es sich unter anderem in den Kantonen Bern, Glarus, Graubünden, Kanton Tessin, Uri und Wallis.

Weitere Fundorte sind Andorra, die Antarktis, Argentinien, Armenien, Äthiopien, mehrere Regionen in Australien, Belgien, Bolivien, Brasilien, Bulgarien, Chile, China, Elfenbeinküste, Finnland, viele Regionen in Frankreich, Kambodscha, Kamerun, Griechenland, Grönland, Guyana, Indien, Indonesien, Irak, Irland, viele Regionen in Italien, Japan, mehrere Regionen in Kanada, die Kanalinsel Jersey, Kasachstan, Madagaskar, Malawi, Marokko, Mexiko, Mongolei, Namibia, Neuseeland, Niger, Nordkorea, mehrere Regionen in Norwegen, Pakistan, Peru, Polen, Portugal, Réunion, Rumänien, mehrere Regionen in Russland, Schweden, Slowakei, Spanien, Südafrika, Sudan, Tschechien, Türkei, Uganda, Ukraine, Ungarn, Usbekistan, in mehreren Regionen des Vereinigten Königreichs (Großbritannien) sowie in vielen Regionen der Vereinigten Staaten von Amerika (USA).

Anatas-Kristalle lassen sich auch mittels CTR-Verfahren (chemische Transportreaktionen) künstlich herstellen.

Kristallstruktur

Anatas kristallisiert tetragonal in der Raumgruppe \ I4_1/amd mit den Gitterparametern a = 3,78 Å und c = 9,51 Å sowie 4 Formeleinheiten pro Elementarzelle.[6]

Verwendung

als Pigment

Anatas dient als weißes Pigment in der Farbmittelindustrie. In der Kunststoffindustrie dienen Anataspigmente als Aufheller. Dabei wird bis zu 40% der UV-Strahlung im Bereich von 380nm absorbiert[7].

als Schmuckstein

Anatas als Schmuckstein in verschiedenen Schliffformen

Anatas wird nur selten als Schmuckstein verwendet, da er sehr spröde ist und aufgrund seiner guten Spaltbarkeit beim Fassen und Löten zu Brüchen neigt. Geschliffen hat er aber unter Sammlern einen gewissen Wert.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Webmineral - Anatase (englisch)
  2. a b c d e Handbook of Mineralogy - Anatase (englisch, PDF 68,9 kB)
  3. a b c Mindat - Anatase (englisch)
  4. tw.strahlen.org (Thomas Witzke) - Entdeckung von Schörl
  5. René-Just Haüy: Anatase. In: Traité de Minéralogie. 1801, 3, S. 129-136 (Volltext, französisch).
  6. Hugo Strunz, Ernest H. Nickel: Strunz Mineralogical Tables. 9. Auflage. E. Schweizerbart'sche Verlagsbuchhandlung (Nägele u. Obermiller), Stuttgart 2001, ISBN 3-510-65188-X, S. 214.
  7. Fink, Johannes Karl: A Concise Introduction to Additives for Thermoplastic Polymers, ISBN 0-470-60955-9

Literatur

  • Petr Korbel, Milan Novák: Mineralien Enzyklopädie. Nebel Verlag GmbH, Eggolsheim 2002, ISBN 3-89555-076-0, S. 104.
  • Walter Schumann: Edelsteine und Schmucksteine. Alle Arten und Varietäten der Welt. 1600 Einzelstücke. 13. überarbeitete und erweiterte Auflage. BLV Verlags GmbH, München u. a. 2002, ISBN 3-405-16332-3, S. 228.
  • Roland Hengerer: Single crystal anatase TiO2 : growth and surface investigations. Thèse EPFL, no 2272 (2000). Dir.: Michael Grätzel.

Weblinks

 Commons: Anatas – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary Wiktionary: Anatas – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

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