Kanontafel

Kanontafel
Hochaltar mit deutlich erkennbaren Kanontafeln; rechts und links jeweils eine kleine, mittig vor dem Tabernakel die große Tafel.
Mittlere Barock-Kanontafel; schwere Metallausführung, mit Öse zum Durchgreifen
Der Priester betet Teile des Hochgebets in der Altarmitte stehend, von der mittleren Tafel. Links daneben das Messbuch, in dem der Text aus dieser Position nicht leicht abgelesen werden kann.
Tridentinische Messe; die große, mittlere Tafel ist durch den Zelebranten verdeckt, rechts am Altarende steht die Lavabo- links die Evangelientafel

Als Kanontafel bezeichnet man einen liturgischen Gegenstand in der katholischen Kirche, welcher im Zuge der Liturgiereform von 1968 außer Gebrauch kam. In der außerordentlichen Form des römischen Ritus (sogenannte tridentinische Messe), gehören die Tafeln nach wie vor zur liturgischen Grundausstattung.

Inhaltsverzeichnis

Zweck und Geschichte der Tafeln

In einer tridentinischen Messe befinden sich auf der Mensa des Hochaltares drei beschriftete Tafeln, die gerahmten Bildern ähnlich sehen. Sie dienen dem Zelebranten zum Ablesen feststehender Texte während der Liturgie, deren Lesen aus dem Messbuch für den liturgischen Ablauf hinderlich wäre. Profan ausgedrückt könnte man die Tafeln auch als eine besondere Art von "Spickzetteln" bezeichnen, die dem Priester zu gewissen Zeiten, an gewissen Stellen des Altares, den umständlicheren Blick ins Messbuch ersparen sollen. Die mittlere Tafel kam ab dem 15. Jahrhundert in Verwendung, die beiden anderen ca. 100 Jahre später; der Gebrauch setzte sich weltweit durch. Die Synode von Avignon schrieb die mittlere Tafel 1594 verbindlich im römischen Ritus der Katholischen Kirche vor.[1] Die Tafeln sind in Latein verfasst, in der Übergangszeit zwischen dem tridentinischen Messritus und dem Novus Ordo von 1968 gab es ab 1965 auch solche in der Landessprache. Da sich in der neuen Messordnung ab 1968 die entsprechenden liturgischen Abläufe änderten bzw. andere Teile wie das Schlussevangelium völlig wegfielen, benötigte man die Tafeln ab dieser Zeit nicht mehr. Bei einer Zelebration in Richtung Gemeinde, die der neue Messritus von 1968 zwar nur erlaubt, welche aber gemeinhin zur Regel wurde, hätten sich die Tafeln sogar störend ausgewirkt.

Mittlere Tafel

In der Mitte der Altarmensa, vor dem Tabernakel, steht eine große Tafel, auf der sich Auszüge des Canon Missae befinden. In der Regel trägt sie links den Text des Gloria und rechts des Credo, mittig das Hochgebet mit besonders hervorgehobenen Wandlungsworten. In der tridentinischen Messe steht der Priester beim Gloria und Credo aufrecht vor der Mitte des Altares und ist auf den Tabernakel, als Ort der Präsenz Gottes ausgerichtet. Dabei kann er die Gebete nur schlecht im seitlich auf der Mensa liegenden Messbuch ablesen. Beim Vollzug der Wandlung ist er an gleicher Stelle sogar tief über den Altar gebeugt und kann dabei ebenfalls nicht in das seitlich platzierte Messbuch einsehen, um den benötigten Text zu beten. Die große Kanontafel enthält diese Passagen, sie steht in Blickrichtung vor ihm und er kann – bei der Wandlung auch in gebeugter Haltung – die zu sprechenden Worte leicht von ihr ablesen.

Ist die mittlere, große Kanontafel aus schwerem Material gearbeitet, befindet sich oft am oberen Ende eine verzierte Öse, durch die der Priester den Mittelfinger strecken kann um sie beim Öffnen des Tabernakels zur Seite zu heben. Die liturgischen Vorschriften der tridentinischen Messe verbieten dem Priester nach dem Vollzug der Wandlung Daumen und Zeigefinger an beiden Händen voneinander zu lösen, um das Herabfallen evtl. dazwischen befindlicher Partikel der bei der Wandlung damit gehaltenen Hostie zu verhindern. Erst nach der Fingerwaschung, im Verlauf der gegen Ende der Messe stattfindenden Purifikation, darf er die Finger wieder öffnen. Deshalb muß die mittlere Kanontafel im Messverlauf immer mit geschlossenen Daumen und Zeigefingern bewegt werden, um den Tabernakel öffnen und schließen zu können. Dazu bietet sich die genannte Öse an.

Rechte Tafel

Auf der Epistelseite (rechte Altarseite) befindet sich eine kleinere Tafel mit zwei Texten: dem Gebet zur Lavabo und dem Gebet zur Vermischung des Weins mit dem Wasser. Sie heißt auch Lavabotafel. Da der Priester am rechten Altarende stehend, zusätzlich diverse Handlungen zu verrichten hat, wie Eingießen bzw. Mischen von Wasser und Wein, sowie Handwaschung und Abtrocknung, wäre es unpraktisch dabei gleichzeitig in das Messbuch zu schauen. Auch hierbei hat er deshalb die Tafel direkt vor Augen stehen und kann bei den manuellen Riten bequem davon die Gebete ablesen.

Linke Tafel

Auf der Evangelienseite (linke Altarseite) befindet sich ebenfalls eine kleinere Tafel mit dem Anfang des Johannesevangeliums, das stets nach dem Segen, am linken Altarende, als Schlussevangelium verlesen wird. Die linke Tafel – auch Evangelientafel genannt – ersetzt hierbei das an anderer Stelle des Altares, auf einem Ständer ruhende Messbuch, das ansonsten erst von einem Ministranten herbei getragen werden müsste.

Literatur

  • Bauer, Lorenz: Die kirchlichen Vorschriften über die Ausstattung des Altares und des Tabernakels, in: Die Christliche Kunst. Monatsschrift für alle Gebiete der christlichen Kunst und Kunstwissenschaft, Jg. 18 (1922/23), S. 80-89.
  • Peter Schmidt: Liturgische Einblattdrucke, Neue Funde und Überlegungen zur Frühgeschichte der Kanontafeln im 15. und 16. Jahrhundert; in: Gutenberg-Jahrbuch 2010, Bebilderter Scan aus der Quelle

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Quelle zur verbindlichen Einführung 1594

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