Kanzler von Frankreich

Kanzler von Frankreich

Der Kanzler von Frankreich (Chancelier de France) war eine wichtige Persönlichkeit im Ancien Régime; in der von König Heinrich III. 1582 festgelegten Reihenfolge nahm er in der Liste der Großämter der Krone Frankreichs den zweiten Rang hinter dem Connétable von Frankreich ein, nach der Auflösung dieses Amtes 1626 folglich den ersten Rang.

Inhaltsverzeichnis

Aufgabenbereich

Der Kanzler verwahrte das Siegel des Königs und übte die Aufsicht über die königlichen Ämter aus. Er hatte vor allem die Oberaufsicht über die Justiz im Königreich, war also eine Art Justizminister. Seit Mitte des 16. Jh. wurde das Amt im Prinzip auf Lebenszeit vergeben.

Seine wichtigste Aufgabe war die des Vorsitzenden des königlichen Rates (conseil du roi). Er saß insbesondere dem Geheimen Rat des Königs (Conseil privé) vor, den der König so gut wie nie aufsuchte und in dem der Kanzler in seinem Namen handelte – man nannte ihn gemeinhin den Mund des Königs. Obwohl er im Prinzip Sitz in allen Räten hatte, nahm er ab 1661 (dem Beginn der Alleinherrschaft von Ludwig XIV.) nicht mehr am obersten Rat (Conseil d’En-haut) teil.

Später wurde er – unter dem Einfluss Colberts – auch von allen finanziellen Angelegenheiten des Staates ausgeschlossen.

Da der Kanzler sein Amt auf Lebenszeit innehatte, konnte er nicht abgesetzt werden. Der König konnte ihm lediglich ganz oder teilweise die Ausübung seines Amtes entziehen, um es widerruflich einem Stellvertreter, dem Siegelbewahrer von Frankreich (Garde du Sceau), anzuvertrauen. Dieser galt als potenzieller Anwärter auf das Kanzleramt im Fall des Todes des Amtsinhabers.

Die Kanzlei

Zur Unterstützung waren dem Kanzler unterstellt:

  • für das Siegel die maîtres des requêtes (die für Bittgesuche und Eingaben zuständig waren) und die der Kanzlei angehörenden Beamten;
  • für die Beiräte die Staatsräte (Conseillers d'État), Maîtres des requêtes, Amtsschreiber (secrétaires-greffiers), Anwälte und Amtsdiener;
  • für die gesetzgebende und gerichtliche Arbeit die Staatsräte und maîtres des requêtes

Liste der Kanzler

Karolingische Erzkanzler (im Franken- und Westfrankenreich)

Kapetingische Kanzler

Siegelbewahrer

Im 13. Jahrhundert und bis zum Jahr 1316 wurde die Kanzlei vom Siegelbewahrer geleitet (siehe Siegelbewahrer von Frankreich)

Kapetingische Kanzler

  • Pierre d’Arabloy, Erzdiakon von Narbonne, 1316
  • Piere de Chappes, Kämmerer von Laon, 1317–1321
  • Jean de Cherchemont, Dekan von Poitiers, 1320–1321
  • Pierre Rodier, Kanoniker aus Meaux, 1321–1323
  • Jean de Cherchemont, Dekan von Poitiers, 2. Mal, 1323–1328

Kanzler der Valois

...

  • 9. August 1542 – 15. Juni 1543: François de Montholon (Erster Präsident des Parlement von Paris)
  • 18. April 1545 – 2. Januar 1551: François Olivier, (Präsident des Parlement von Paris)
  • 22. Mai 1551 – 10. Juli 1559: Jean Bertrand, seigneur de Frazin
  • 30. Juni 1560 – Februar 1568: Michel de l’Hôpital (Rat im Parlement von Paris)
  • 24. Mai 1568 – April 1571: Jean de Morvilliers, Bischof von Orléans
  • 17. März 1573 – September 1578: René Birague, Kardinal, Bischof von Soissons
  • September 1578 – 26. November 1583: Philippe Hurault, comte de Cheverny
  • 6. September 1588 – 1. August 1589: François de Montholon

Kanzler der Bourbonen

  • 2. August – 10. Dezember 1589: Charles I. de Bourbon, Kardinal, Erzbischof von Rouen
  • 23. September 1622 – 21. Januar 1623: Louis Lefèvre de Caumartin (Siegelbewahrer)
  • 23. Januar 1623 – 2. Januar 1624: Nicolas Brûlart de Sillery (Siegelbewahrer)
  • 6. Januar 1624 – 31. Mai 1626: Étienne II. d'Aligre (Siegelbewahrer)
  • 1. Juni 1626 – 12. November 1630: Michel de Marillac (Siegelbewahrer)
  • 14. November 1630 – 25. Februar 1633: Charles de L’Aubespine (Siegelbewahrer)
  • 28. Februar 1633 – 19. Dezember 1635: Pierre Séguier
  • 19. Dezember 1635 – 14. Mai 1643: Pierre Séguier
  • 14. Mai 1643 – 1. März 1650: Pierre Séguier
  • 2. März 1650 – 4. April 1651: Charles de L’Aubespine
  • 5. April – 14. April 1651: Mathieu Molé (1584–1656)
  • 15. April – 6. September 1651: Pierre Séguier
  • 7. September 1651 – 3. Januar 1656: Mathieu Molé (1584–1656)
  • 11. Januar 1656 – 28. Januar 1672: Pierre Séguier
  • 6. Februar – 23. April 1672: Vakanz
  • 8. Januar 1674 – 28. Oktober 1677: Étienne III. d'Aligre
  • 29. Oktober 1677 – 30. Oktober 1685: Michel Le Tellier
  • 1. November 1685 – 2. September 1699: Louis Boucherat, comte de Compans
  • 5. September 1699 – 1. Juli 1714: Louis Phélypeaux, comte de Pontchartrain
  • 2. Juli 1714 – 2. Februar 1717: Daniel Voysin de La Noiraye
  • 3. Februar 1717 – 27. Oktober 1750: Henri François d'Aguesseau
  • 10. Dezember 1750 – 14. September 1768: Guillaume de Lamoignon de Blancmesnil
  • 15. September 1768 – 16. September 1768: René Charles de Maupeou
  • 16. September 1768 – 1. Juli 1790: René Nicolas de Maupeou

Quelle

  • Jean Favier: Dictionnaire de la France médiévale, S. 236-238 (bis 1507)

Weblinks


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