Karl Kleinjung

Karl Kleinjung

Karl Kleinjung (* 11. März 1912 in Remscheid-Stockden in Westfalen; † 20. Februar 2003) war ehemaliger Leiter der Hauptabteilung I des MfS, zuletzt als Generalleutnant.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Karl Kleinjung war der Sohn eines Heftmachers. Nach einer Ausbildung zum Friseur wurde er arbeitslos. 1929 wandte er sich der kommunistischen Bewegung zu und wurde Mitglied im KJVD. 1930 wurde er Mitglied des Rotfrontkämpferbundes und 1931 der KPD. Seine Parteigruppe traf sich regelmäßig im Schuppen der Familie Neumann direkt neben dem Mühlenteich des Remscheider Arbeiterviertels Büchen, dabei floss nicht nur der Alkohol. Auch eine Suppe aus eingefangenen und zu Klößen verarbeiteten Hunden stand regelmäßig auf dem Speiseplan. Aus dieser Zeit stammt auch der Spitzname des Karl Kleinjung: „Kognak“ [1]

1933 flüchtete er aufgrund seiner Verwicklung in die Ermordung eines SA-Mannes nach Holland, wo er sich 1935 an der Organisation eines KJVD-Kongresses beteiligte, in dessen Ablauf wurde er zusammen mit Albert Hößler verhaftet und im Fort Honswejk interniert.[2] Von dort wurde er später nach Belgien abgeschoben. Am Spanischen Bürgerkrieg nahm er auf seiten der Republikaner teil. Nach der Niederlage der Republik ging er in die Sowjetunion, wo er eine Zeit lang in der Autofabrik in Gorki arbeitete. Nach dem deutschen Angriff auf die Sowjetunion erhielt er eine Spezialausbildung im Senden und Empfangen, im Chiffrieren und Dechiffrieren als Aufklärer in Moskau und Ufa; von 1943 bis 1945 war er im Einsatz bei den belorussischen Partisanen und war beteiligt an der Durchführung von NKWD-Sonderaufträgen. 1945 kehrte er nach Moskau zurück und absolvierte dort eine Parteischule.

1946 kehrte er nach Deutschland zurück, wo er Mitglied der der SED wurde. Er erhielt die Funktion des Kreispolizeidirektors in Nordhausen und wurde Gruppenchef der Grenzpolizei in Mühlhausen. 1947 wurde er stellvertretender Leiter der Volkspolizei (VP) für das Land Thüringen und danach Leiter der VP Mecklenburg. 1949/50 absolvierte er einen Lehrgang für DVP-Offiziere an der Militärakademie der UdSSR in Wolsk bei Saratow.

1950 wurde er Angestellter des MfS sowie Leiter der Verwaltung Groß-Berlin, 1951 Leiter der MfS-Objektverwaltung der Wismut SAG und 1955 Leiter der HA I (Hauptabteilung I), die für Militärabwehr zuständig war. In dieser Eigenschaft betrieb er einen Plan zur Ermordung des NVA-Deserteurs Rudi Thurow[3].

Am 26. April 1976 verfasste er einen „Maßnahmeplan zur Verhinderung weiterer Grenzprovokationen“. Ziel war es, „den oder die Täter festzunehmen bzw. zu vernichten“. Diese Aussage bezog sich auf Michael Gartenschläger, der in den Wochen zuvor Selbstschussanlagen an der innerdeutschen Grenze abmontiert hatte, um die Weltöffentlichkeit auf die Situation an der Grenze aufmerksam zu machen.[4] Der Leiter der Abteilung Äußere Abwehr in der HA I, Oberst Helmut Heckel, ersetzte die diesem Grenzabschnitt zugeteilten Grenztruppen durch Spezialkräfte des MfS. Kompaniechef war Oberstleutnant Wolfgang Singer. Am 1. Mai 1976 wurde Michael Gartenschläger bei einem erneuten Versuch, eine Selbstschussanlage abzumontieren, erschossen. Singer hatte selbst den Grenztrupp angeführt, der den Todesschuss abgab.

1981 ging Kleinjung in den Ruhestand.

1997 wurden Kleinjung, Heckel und Singer wegen Totschlags vom Landgericht Schwerin angeklagt. Kleinjung bestritt, dass mit „Vernichtung“ ein Tötungsbefehl gemeint gewesen sei. Der Prozess endete mit Freispruch. In der Revisionsverhandlung 2002 wurde das Verfahren gegen Kleinjung am 7. Mai wegen Verhandlungsunfähigkeit eingestellt. Wolfgang Singer wurde zwar schuldig gesprochen, wegen Verjährung aber nicht verurteilt. Heckel wurde freigesprochen, da Notwehr nicht ausgeschlossen werden konnte.

Auszeichnungen

Literatur

Einzelnachweise

  1. Peter Berens: Trotzkisten gegen Hitler. Neuer ISP-Verlag, Köln 2007. ISBN 9783899001211.
  2. Karl Kleinjung: Erinnerungen ... in: DRAFD-Information 12/2002 S. 16
  3. Liquidieren, den Mann! (Artikel der "Welt" vom 1. Oktober 2003 von Dirk Banse und Michael Behrendt)
  4. http://www.focus.de/politik/deutschland/stasi-todesurteil-aus-ostberlin_aid_163476.html

Weblinks


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