Karl Wertz

Karl Wertz

Bernhard Kimmel, Spitzname Al Capone von der Pfalz (* 21. Mai 1936 in Liestal (Schweiz)[1]), wurde deutschlandweit bekannt, weil er um 1960 sowie im Jahre 1981 an Aufsehen erregenden Straftaten beteiligt war. Er verbüßte zuerst eine langjährige, später eine lebenslange Freiheitsstrafe. Wegen guter Führung wurde er im Dezember 2003 nach insgesamt mehr als 31 Jahren Haft vorzeitig entlassen.

Inhaltsverzeichnis

Familie und Ausbildung

Kimmels Vater stammte aus der pfälzischen Kleinstadt Lambrecht, die in der Mittelgebirgsregion Pfälzerwald (Rheinland-Pfalz) liegt, seine Mutter aus der Schweizer Gemeinde Liestal. Dort und bei der Großmutter in Basel verbrachte Kimmel seine frühe Kindheit.

Während des Zweiten Weltkriegs scheiterte die Ehe der Eltern. Kimmels Vater kehrte nach Lambrecht zurück, wobei er seinen Sohn mitnahm. Dort lernte Kimmel nach dem Volksschulabschluss Anfang der 1950er Jahre den Beruf des Tuchwebers, geriet jedoch schon in jungen Jahren auf die schiefe Bahn.

Straftaten im Pfälzerwald

Tatorte in Deutschland
Pfälzerwald (Deutschland)
DEC
Pfälzerwald
1957–61 Pfälzerwald:
14 Jahre Haft (9 Jahre verbüßt)
Trebur (Deutschland)
DEC
Trebur

Die Kimmel-Bande

Vom 24. Oktober 1957 bis zum 7. Januar 1961 war Kimmel der Kopf der nach ihm benannten „Kimmel-Bande“. Diese Gruppierung von jungen Kriminellen machte zunächst mit gefundenen Waffen, die aus dem Zweiten Weltkrieg stammten, dann auch mit gestohlenen die Gegend um Lambrecht unsicher. Vor allem die südlich der Stadt durch den Wald führende Totenkopfstraße und ihre Umgebung waren mehr als drei Jahre lang Tummelplatz der Bande, von der 187 Delikte registriert wurden. Offenbar ging es den Tätern vorrangig um den Nervenkitzel, denn angesichts der Vielzahl der Straftaten war die Gesamtbeute mit knapp 150.000 DM relativ gering.

Am Ende ein Mord

Die Liste der Straftaten begann im Herbst 1957 mit Schießübungen auf Straßenschilder, setzte sich fort über Brandstiftungen an Gebäuden (z. B. Niederbrennen der Totenkopfhütte) und steigerte sich auf eine dreistellige Zahl von Einbrüchen. Diese hatten überwiegend Banken zum Ziel, einer erfolgte in Lachen-Speyerdorf (heute Ortsteil von Neustadt an der Weinstraße) in ein Waffendepot der damaligen französischen Besatzungsmacht.

Die Ereignisse gipfelten schließlich in einem Mord: In der Silvesternacht 1960/61 um 3 Uhr früh schoss das Bandenmitglied Lutz Cetto den Hüttenwart Karl Wertz nieder, der die zwischen Neustadt und Lambrecht im Pfälzerwald gelegene Hellerhütte betrieb. Wertz hatte die jungen Leute, die angetrunken vor der Hütte randalierten und um sich schossen, mit einer Taschenlampe angeleuchtet, und Cetto hatte, wie sich später vor Gericht ergab, befürchtet, der Hüttenwart könnte sie als Täter identifizieren. Im Krankenhaus von Neustadt wurde wenig später festgestellt, dass Wertz auf dem Transport verstorben war.

Großfahndung und Festnahme

Nach dieser Bluttat kam es zur Großfahndung; mehr als tausend Polizisten – von denen eine größere Anzahl im Lambrechter Schulhaus untergebracht wurde, so dass die Schüler einige Tage „Sonderferien“ hatten – spürten Kimmel nach, der mit seiner damaligen Lebensgefährtin eine Woche lang im winterlichen Pfälzerwald unterwegs war. Dann wurden beide festgenommen und kamen in Untersuchungshaft. Die Umstände der Festnahme gaben zu der Spekulation Anlass, die Polizei sei durch einen Verwandten Kimmels informiert worden.

Während eines Lokaltermins im Folgemonat gelang Kimmel noch einmal eine spektakuläre Flucht: Er hatte sich im Wald die Handschellen abnehmen lassen, weil er angeblich seinen Mantel ausziehen wollte, und sprang dann plötzlich einen steilen Abhang hinunter, um sich in einem nahegelegenen Versteck mit Waffen zu versorgen. Bei der nachfolgenden Schießerei konnte auch seine Freundin flüchten. Nach vier Tagen jedoch musste das Pärchen vor der Februarkälte kapitulieren und stellte sich den Behörden.

Prozesse

Besonders weil ein Teil der Beute, die angeblich in Aluminium-Milchkannen im Wald vergraben wurde, verschwunden blieb und weil er der Anführer der Bande war, erhielt Kimmel Ende 1962 für den Tatkomplex eine 14-jährige Freiheitsstrafe. Von dieser musste er (unter Anrechnung der Untersuchungshaft) etwas mehr als neun Jahre verbüßen. Im Mai 1970 kam er wegen guter Führung vorzeitig auf freien Fuß.

Cetto wurde ebenfalls 1962 wegen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt; nach wenigen Monaten in der Justizvollzugsanstalt nahm er sich 1963 das Leben. Die übrigen Bandenmitglieder wurden mit kürzeren Haftstrafen belegt.

Bankeinbruch und Freispruch

1975 wurde in Frankfurt am Main) nachts ein Einbruch in eine Bank verübt. In der Nähe des Tatorts nahm die Polizei Kimmel fest und fand in seinem Auto auch Werkzeug, das zur Tatausführung gepasst hätte. Er weigerte sich, ein Geständnis abzulegen, und wurde angeklagt, 1976 jedoch mangels ausreichender Beweise freigesprochen.

Bankeinbruch und Polizistenmord

Am 12. Dezember 1981 versuchte Kimmel gemeinsam mit einem Komplizen einen nächtlichen Einbruch in eine Sparkasse in Bergstraße. Dabei attackierte er mit Waffengewalt die alarmierten Polizisten. Durch einen von Kimmel gezündeten Sprengsatz erlitt der 26-jährige Achim Benick eine Querschnittslähmung, und mit einer Pistole wurde der 31-jährige Hubert Rupprecht aus wenigen Metern Entfernung durch einen Kopfschuss getötet. Für diese Tat wurde Kimmel, der bei der Ausführung selbst angeschossen worden war, zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt, von der er 22 Jahre absitzen musste. Die meiste Zeit war er im Hochsicherheitstrakt der Justizvollzugsanstalt Schwalmstadt inhaftiert.

Kimmel und die Öffentlichkeit

Um 1960 hatte Kimmel unter dem Namen „Al Capone“, mit dem er auf den berüchtigten US-amerikanischen Gangsterboss anspielte, Pressekontakte gesucht und auch entsprechende Beachtung gefunden, vor allem bei der Regenbogenpresse. Ein 1969 über das Geschehen im Pfälzerwald gedrehter Fernsehfilm hatte den Titel „Al Capone im deutschen Wald“. Unter der Regie von Franz Peter Wirth und nach dem Drehbuch von Peter Adler spielten u. a. Will Danin, Angelika Bender, Christoph Wackernagel und Rainer Werner Fassbinder.

Über dieselben Ereignisse inszenierte das Chawwerusch Theater aus Herxheim bei Landau 2003 ein dramatisches Schauspiel in Pfälzer Mundart mit dem Titel „Kohle in de Milchkann“ („Geld in der Milchkanne“). Die Aufführung stand bis 2004 auf dem Spielplan.

Bei der Erstellung einer filmischen Dokumentation in den 1970er Jahren lernte Kimmel den Schriftsteller Martin Walser kennen, der sich erfolglos für Kimmels Resozialisierung stark machte. Während der zweiten Haftperiode begann Kimmel mit der Modellierung von Skulpturen, die schon in Ausstellungen präsentiert wurden.

Auch nach seiner zweiten Haftentlassung ist Kimmel bei den Medien gefragt und präsentiert sich jenseits seines 70. Geburtstages immer noch als „edler Räuber“ von der Art eines Schinderhannes. So brachte er 2006 in einer 45-minütigen Dokumentation des Südwestrundfunks[2] wiederum zum Ausdruck, wie sehr er sich als Opfer der Gesellschaft und widriger Umstände sieht: Er kann es z. B. nicht verstehen, dass er wegen Polizistenmordes durch Kopfschuss belangt wurde, obwohl er doch „über den Kopf hinweg gezielt“ haben will. Ebenfalls 2006 drehte Regisseur Peter Fleischmann über Kimmel, den er schon 1970 in seinem Film Das Unheil eingesetzt hatte, einen Dokumentarfilm mit dem Titel Mein Freund, der Mörder. Der Kinostart war am 21. Juli, die TV-Ausstrahlung erfolgte am 18. September 2006[3].

Literatur

  • Thomas B. Hutter: Ich wollte ein edler Räuber sein. Die Kimmel-Bande, ein Pfälzer Mythos. In: Klaus Schönberger: Vabanque. Bankraub, Theorie, Praxis Geschichte, S. 78–91. Verlag Libertäre Assoziation, Hamburg 2001. ISBN 3-922611-83-4
  • Michail Krausnick: Al Capone im deutschen Wald. Edition Durchblick, Neckargemünd 1999. ISBN 3-89811-146-6
  • Rainer Thielen: AL CAPONE Bernhard Kimmel. Ein Pfälzer Schinderhannes? Höma Verlag, Offenbach an der Queich 2008. ISBN 978-3-937329-34-5

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Rainer Thielen: AL CAPONE Bernhard Kimmel. Ein Pfälzer Schinderhannes? S. 12
  2. Südwestrundfunk: Bernhard Kimmel - der „Al Capone“ aus der Pfalz. Ausstrahlung durch die ARD, 20. März 2006, 21:00 Uhr
  3. Peter Fleischmann: Mein Freund, der Mörder. Ausstrahlung durch arte, 18. September 2006, 22:30 Uhr

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