Kastell Halheim

Kastell Halheim
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Kastell Halheim
Limes ORL 67a (RLK)
Strecke (RLK) Rätischer Limes,
Strecke 12
Datierung (Belegung) um 125/150 n. Chr.
bis 260 n. Chr.
Typ Numeruskastell
Größe 80 m × 82,5 m = 0,67 ha
Bauweise Steinkastell
Erhaltungszustand Schuttwall mit angepflanzter Buschhecke
Ort Ellwangen, Pfahlheim/Halheim
Geographische Lage 48° 58′ 59,5″ N, 10° 17′ 8,5″ O48.98319444444410.285694444444
Vorhergehend Wp 12/81: Limestor Dalkingen (südwestlich)
Anschließend ORL 68 Kastell Ruffenhofen (nordöstlich)

Das Kastell Halheim ist ein ehemaliges römisches Grenzkastell dicht am Rätischen Limes, der seit 2005 den Status eines UNESCO-Weltkulturerbes besitzt. Das frühere Numeruskastell liegt heute bei Pfahlheim/Halheim, einem Stadtteil von Ellwangen im Ostalbkreis, Baden-Württemberg.

Es wurde vermutlich um 125 oder 150 n. Chr. errichtet. 1894 wurden dort durch die Reichs-Limes-Kommission (RLK) die ersten und bisher letzten größeren Grabungen vorgenommen.

Inhaltsverzeichnis

Lage

Das Kastell und der südwestliche Limesabschnit bis Kastell Aalen
Das Kastell und sein nächstes Umfeld; hauptsächlich nach den Befunden der RLK

Im Bereich von Halheim siedelten in vorrömischer Zeit Kelten. So sind auf der Flur „Berg“ latènezeitliche Siedlungsreste, zumeist Keramik, gefunden geworden.[1] Das 80 × 82,5 Meter große Kastell wurde auf einer leichten Anhöhe südlich des Sonnenbaches in der heutigen landwirtschaftlich genutzten Flur „Buschelacker“ gegründet und befand sich nur 35 Meter südöstlich der rätischen Mauer, die hier von Südwesten nach Nordosten die Gemarkungen durchquert. Einen Kilometer im Südwesten des Kastells liegt das Dorf Halheim.

Forschungsgeschichte

Die der Flurname „Buschelacker“ („Buschel“ = süddeutsch für Burgstall) anzeigt, ging das Wissen um eine alte Befestigungsanlage nie ganz verloren. Seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts wurden Funde aus dem Kastellareal bekannt. 1819 beschrieben der Justizsekretär Maximilian Buzorini und der Gymnasialprofessor Johann Georg Freudenreich, zwei frühe Ellwanger Limesforscher,[2] das Areal. 1884 gruben zwei andere Heimatforscher, der Ellwanger Gymnasialprofessor Karl Kurtz (1817–1887) und der Oberamtspfleger Hugo Steinhardt an mehreren Stellen im Kastell- und Lagerdorfareal. 1891 war der bekannten Theologe, Naturwissenschaftler und Kartographiehistoriker Konrad Miller mit Kurtz im Gelände, um das Kastell zu vermessen und in die Flurkarte einzutragen.[3] 1894 führte Major Heinrich Steimle im Auftrag der Reichs-Limes-Kommission (RLK) Grabungen durch, die sich hauptsächlich mit der Beobachtung zur Umwallung und Größe der Fortifikation beschäftigten. Damals wurde der bis ins erste Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts gültige Kenntnisstand zu diesem Lager erreicht, denn seit Steimle haben dort keine Grabungen mehr stattgefunden. Im Oktober 2010 wurde mit geophysikalischen Untersuchungen im Kastellbereich begonnen.

Für den Besucher ist das noch immer bäuerlich genutzte Lagerareal durch den umlaufenden Schuttwall seiner Mauern sowie einer mitlaufenden Buschhecke deutlich im Gelände sichtbar.

Baugeschichte

Die 1,2 Meter breite Wehrmauer des fast quadratischen, 80 m × 82,5 Meter großen Kastells besitzt vier abgerundete Ecken (Spielkartenform) in denen je ein Wachturm stand. Die Anlage besaß zwei einspurige Tore, die von je zwei Tortürmen flankiert waren. Ein Zugang, die Porta praetoria, erhob sich nördlich in der Mitte der Prätorialfront, der dem Feind zugewandte Seite der Befestigung. Ein zweiter Durchlaß, die Porta decumana, lag dem Nordtor genau gegenüber an der rückseitigen, südlichen Wehrmauer. An den beiden Flanken des Kastells war mittig je ein Zwischenturm installiert. Hinter der Wehrmauer, im Inneren des Lagers, war eine Erdrampe aufgeschüttet worden, auf der die Soldaten patrouillieren konnten. Als Annäherungshindernis befand sich vor der Garnison ein 6,5 Meter breiter Spitzgraben.

Nach dem Bericht von Buzorini und Freudenreich aus dem Jahr 1819 war der Platz, an dem sich noch augenscheinlich römische Trümmer fanden, eine halbe Stunde breit und ebenso lang. Die beiden gaben die Höhe der erhaltenen Kastellmauer mit durchschnittlich vier Schuh an. An der Ostseite stießen sie auf Bruchstücke von Säulen. Das Areal im Inneren der Garnison barg nach ihrer Feststellung viele Mauerreste. Zudem würden die Leute hier stetig Münzen finden.[3] Durch die den historischen Boden mit den damaligen Mitteln sondierende Grabung von 1894 wurden keine Vorstellungen zum Kastellinneren gewonnen. Da die Forschung aber anhand von Untersuchungen davon ausgeht, dass der römische Kastellausbau einem allgemeingültigen Norm-Plan folgte, der den örtlichen Gegebenheiten sowie der vorgesehenen Mannschaftsstärke angepasst wurde,[4] wird die Bebauung diesem Plan gefolgt sein. Der bisher unbekannte 100 bis 200 Mann starke Numerus oder eine andere, größere Einheit hat das Kastell vielleicht um 150 n. Chr. im Zuges des Limesausbaus in Stein errichtet. Es gibt jedoch auch einen Deutungsversuch, die Anlage in die Zeit um 125 n. Chr., vor dem Limesausbau, zu datieren, da der Limes um das Kastell einen Bogen macht.[5]

Der im Kastell stationierte Numerus hatte einen Limesabschnitt zu bewachen. Mit dem Limesfall 260 n. Chr. endete die Geschichte des Platzes. Die Umstände dazu sind jedoch in Halheim unbekannt. Das Lager unterstand dem Befehlshaber der Ala II Flavia milliaria p.f. im Kastell Aalen.[6]

Truppe

Die nach Halheim abkommandierte, namentlich unbekannte Abteilung, war ein Numerus (dt. „Einheit“). Diese Einheiten gehörten zu den römischen Hilfstruppen, waren aber nicht so standardisiert, wie die Auxilia, welche in den Gründungstagen der Numeri bereits fester Bestandteil des römischen Heeres waren. Die Numeri entstanden am Ende des 1. Jahrhunderts, als die ersten Limesstrecken eingerichtet wurden. Der Bedarf an kleineren Einheiten zur Grenzüberwachung wuchs enorm, was auch finanzielle Folgen für das Reich hatte. So wurden junge Einheimische regional ausgehoben und mit geringerem Sold und weniger striktem Standard in neuerrichtete Standorte abkommandiert. Die Numeri wurden wie die Auxilia nach ihrer ursprünglichen völkischen Herkunft benannt und haben anscheinend bei der Entlassung nicht das römische Bürgerrecht erhalten.[7] Die Soldaten in Halheim waren möglicherweise zumindest zeitweilig mit Bögen bewaffnet, wie ein 1884 entdeckter Waffenhort aus dem Kastellareal nahelegt (siehe auch unter „Funde“).

Vicus und Kastellbad

Südlich der Verschanzung wurden in der Flur „Hornfeld“ Mauerzüge entdeckt, die mit dem Kastellvicus in Bezug gebracht werden. Außerdem traf man dort auf Lesefunde.

Das Bad des Kastells könnte sich westlich des Numeruskastells befunden haben, da es in diesem Bereich eine Steinkonzentration gibt.

Funde

Im Herbst 1884 hoben zwei Heimatforscher, der Ellwanger Gymnasialprofessor Karl Kurtz (1817–1887) und der Oberamtspfleger Hugo Steinhardt an der Nordseite des Kastells einen Waffenhort von rund 700 Eisengegenstände, die teils zu unterschiedlich geformte Pfeilspitzen, teils zu Bogenbeschlägen gehörten. Nach den dort ebenfalls sichtbaren Holzspuren und vielen gefundenen Nägeln schlossen die Finder, daß sich die Waffen wohl in einer Kiste befunden haben müssen, die längst vergangen war. Westlich der Fortifikation stießen Kurtz und Steinhardt auf ein römisches Grab und südlich glaubten sie Spuren einer Wasserleitung zu erkennen.[3] Daneben konnten sie römische Keramikscherben bergen.

Aus dem Bereich des Vicus stammt eine hohlgegossene römische Bronzehand, die von unbefugten Sondengehern aus dem Boden gezogen wurde. Das rund 15,5 Zentimeter hohe und 8,5 Zentimeter breite Bruchstück hält ein röhrenförmiges Behältnis zwischen Zeigefinger und Daumen. Zum Einschmelzen vorgesehen, wurde es in Mittelhandhöhe abgetrennt und dabei aufgebogen. Auch der Ringfinger und der kleine Finger sind entfernt worden. Eine Sägespur am erhaltenen Daumen weist auf die Willkürlichkeit der Beschädigung hin. Typologie und Gestaltung könnten auf einen Kerzenhalter in Handform hinweisen.[8]

Fundverbleib

Die Bronzehand befindet sich im Archäologischen Landesmuseum (ALM) in Rastatt.[9]

Denkmalschutz

Das Kastell Halheim und die erwähnten Bodendenkmale sind als Abschnitt des Obergermanisch-Rätischen Limes seit 2005 Teil des UNESCO-Welterbes. Außerdem sind die Anlagen Kulturdenkmale nach dem Denkmalschutzgesetz des Landes Baden-Württemberg (DSchG). Nachforschungen und gezieltes Sammeln von Funden sind genehmigungspflichtig, Zufallsfunde an die Denkmalbehörden zu melden.

Siehe auch

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Kurt Böhner u.a.: Führer zu vor- und frühgeschichtlichen Denkmälern 22. Verlag Philipp von Zabern, Mainz 1982. S. 47
  2. Kurt Böhner: Führer zu vor- und frühgeschichtlichen Denkmälern. Band 22. Verlag Philipp von Zabern, Mainz 1982. S. 3.
  3. a b c Konrad Miller: Die römischen Kastelle in Württemberg. Verlag J. Weise, Stuttgart 1892, S. 39.
  4. Anne Johnson: Römische Kastelle. Verlag Philipp von Zabern, Mainz 1987, ISBN 3-8053-0868-X, S. 58.
  5. Walter E. Keller, Walter Grabert: Die Römer am Limes von der Ostalb bis zur Donau. Verlag Walter E. Keller, Treuchtlingen 1998, ISBN 3-924828-49-0, S. 25.
  6. Marcus Junkelmann: Die Reiter Roms. Teil II, Verlag Philipp von Zabern, Mainz 1991, ISBN 3-8053-1139-7, S. 84 f.
  7. Anne Johnson (dt. Bearbeitung von Dietwulf Baatz): Römische Kastelle. Verlag Philipp von Zabern, Mainz 1987, ISBN 3-8053-0868-X, S. 36–37
  8. Unbetitelter Bericht von Jutta Ronke, Claudia Pankau. In: Fundberichte aus Baden-Württemberg 28, Teilband 2. Landesdenkmalamt Baden-Württemberg. Konrad Theiss Verlag, Stuttgart 2005, ISBN 978-3-8062-2008-7. S. 204–205.
  9. Unbetitelter Bericht von Jutta Ronke, Claudia Pankau. In: Fundberichte aus Baden-Württemberg 28, Teilband 2. Landesdenkmalamt Baden-Württemberg. Konrad Theiss Verlag, Stuttgart 2005, ISBN 978-3-8062-2008-7. S. 205.

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