Katzelmacher (Film)

Katzelmacher (Film)
Filmdaten
Deutscher Titel Katzelmacher
Produktionsland Bundesrepublik Deutschland
Originalsprache Deutsch
Erscheinungsjahr 1969
Länge 88 Minuten
Altersfreigabe FSK 16
Stab
Regie Rainer Werner Fassbinder
Drehbuch Rainer Werner Fassbinder
Produktion Wil Rabenbauer
Musik Peer Raben und Franz Schubert
Kamera Dietrich Lohmann
Schnitt Franz Walsch
Besetzung

Katzelmacher ist ein Deutscher Spielfilm von Rainer Werner Fassbinder aus dem Jahr 1969. Das Drama basiert auf Fassbinders eigenem Bühnenstück Katzelmacher aus dem Jahr 1968 und wurde von dem Filmstudio Antiteater-X-Film produziert.

Der Film ist in Schwarzweiß gedreht und gehört zu Fassbinders ersten Filmproduktionen. In ihm sind einige Elemente der französischen Nouvelle Vague enthalten, die für eine Art Stilbruch mit den bis dato üblichen Konventionen für und in kommerziellen Filmen stand. So verwendet Fassbinder in Katzelmacher fast ausschließlich die statische Kamera und unterbricht diesen Stil mit wenigen eingebauten Kamerafahrten. Während dieser Kamerafahrten erklingt Peer Rabens Klavierstück "Sehnsuchtswalzer" nach Franz Schubert - die einzige Musik, die im Film zu hören ist. Die Dialoge in Katzelmacher entsprechen einem künstlichen Bairisch, welches von Fassbinder entwickelt und verwendet wurde. Sie enthalten doppelte Verneinung, falsche Satzstellung und falschen Genitiv. Die Pausen zwischen den gesprochenen Sätzen sind in die Länge gezogen, die Sätze selbst auf wenige Wörter reduziert und monoton gesprochen, was ihnen eine Art von Künstlichkeit und Langsamkeit verleiht.

Fassbinder und sein Film Katzelmacher gehören zur zweiten Generation des Neuen Deutschen Filmes aus den 1970er Jahren, die den Deutsche Film bis in die 1980er Jahre zu internationalem Erfolg führten.

Fassbinder verwendete oftmals das Pseudonym "Franz Walsch", wie etwa in Katzelmacher für den Schnitt. In seinem Film Götter der Pest benannte er sogar eine Filmfigur mit diesem Namen.

Der Film enthält, wie viele Werke von Fassbinder, eine Widmung und ein Motto. Die Widmung ist für Marieluise Fleißer, das Motto ist ein Zitat nach Yaak Karsunke: "Es ist besser, neue Fehler zu machen, als die alten bis zur allgemeinen Bewusstlosigkeit zu konstituieren."

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

Der Film spielt Ende der 1960er Jahre in einem Münchner Vorort, wo eine Gruppe junger Erwachsener lebt, die bevorzugt einfach in der Gegend herumhängen. Dabei hat jedes Mitglied der Gruppe sein Verhältnis zum jeweils anderen. Marie ist mit Erich liiert, Paul mit Helga, und Peter mit Elisabeth. Dann sind da noch Rosy, die für Geld mit Franz schläft und manchmal auch mit Peter, um ihren Traum, eine Schauspielerin zu werden, finanzieren zu können; Gunda, die gehänselt wird weil sie keinen abkriegt; und der schwule Klaus, der ab und zu Besuch von Paul bekommt und mit ihm ein Verhältnis hat. Die Gruppe trifft sich, manchmal alle zusammen, manchmal nur einzeln, trinkt zusammen, ödet sich an und wird aggressiv. Dabei versuchen sich die Frauen gegenseitig vorzumachen, in glücklichen Beziehungen zu leben, "etwas zu fühlen". Obwohl sie oft brutal behandelt werden, hängen sie an ihren Freunden. Die Männer hingegen reden die ganze Zeit von krummen Geschäften, mit denen man endlich reich werden könne, ihre Freundinnen versuchen sie davon abzubringen. Insgesamt herrscht eine gewisse Ordnung subtiler und offener Gewalttätigkeit. Die Fassaden werden von Fassbinder ausgestellt, Gesagtes und Sichtbares treffen unbarmherzig aufeinander, die Kluft ist unüberbrückbar.

Als Jorgos, ein Gastarbeiter aus Griechenland, in dem Vorort auftaucht und sich ein Zimmer bei Elisabeth mietet, welches er sich mit Peter teilen muss, kommen Feindseligkeit, Fremdenhass und Neid unter den männlichen Mitgliedern der Gruppe auf. Der Fremde wird zur allgemeinen Projektionsfläche für Begehren, Minderwertigkeitskomplexe, Langeweile, Aggression, Machismus etc. Gunda, die von allen verschmäht wird, auch von Jorgos, streut zudem das Gerücht, dieser habe sie vergewaltigt. Vor allem Erich fühlt sich in seiner Ehre verletzt, als Marie offenes Interesse an Jorgos zeigt. Elisabeth hingegen muss sich Gerüchten ausgesetzt sehen, die ihr ein Verhältnis mit ihrem griechischen Untermieter nachsagen. Er wird als Kommunist und Griechischer Hund beleidigt. Schließlich kommt es zu einem gewalttätigen Angriff auf ihn seitens Erich, Peter und Franz. Jorgos wird allerdings nicht schwer verletzt. Die letzte Szene zeigt Marie und Helga. Marie schwärmt davon, dass Jorgos sie mit nach Griechenland nehmen will, obwohl dessen Ehefrau dort lebt, denn in Griechenland "[…] is alles anders". Das Ende bleibt offen.

Produktion

Der Film wurde innerhalb von neun Tagen im August 1969 in München gedreht, die Produktionskosten beliefen sich auf ca. 80.000 DM. Die Uraufführung fand am 8. Oktober 1969 auf dem Internationalen Filmfestival Mannheim-Heidelberg statt.

Kritiken

Aus einem Nichts an Handlung hat Fassbinder unter Verzicht auf traditionelle filmische Mittel einen bemerkenswerten Film gemacht… Innere Leere ist selten überzeugender dargestellt worden.

Dieter Krusche[1]

Fassbinders Milieudrama ist den Traditionen des sozialkritischen Volkstheaters - Horvath, Fleißer, Kroetz - verpflichtet: eine modellhaft stilisierte, formal außerordentlich konzentrierte Studie über Kommunikationslosigkeit, Gruppenzwang und Außenseiterhass.

Lexikon des internationalen Films

In einem bewußt am Theater orientierten, im Detail aber doch realistischen Stil beschreibt Fassbinder die latente Brutalität, die den Umgangston zwischen den Personen bestimmt und besonders in den Beziehungen der Hauptfiguren zu dem später auftauchenden Gastarbeiter zum Ausdruck kommt, dem "Griech aus Griechenland". Fassbinder macht seine Personen nicht zu Monstern, sondern zeigt die Stagnation in ihrem Bewußtsein; diese vermittelt sich durch eine äußerst rudimentäre Sprache und ein ebenso reduziertes Repertoire an Gesten, Bewegungen und Reaktionen. Dabei gibt Fassbinder seinem Film eine äußerst präzise, artistische Struktur.

Ulrich Gregor[2]

Konsequent stilisierte, auf technische Perfektion verzichtende Verfilmung des Stückes von Fassbinder. Das Kollektiv des antitheaters stellt in seinem zweiten Anti-Kinostück Klischeevorstellungen, typische Verhaltensweisen, Einstellungen und Reaktionen jugendlicher Kleinbürger dar, die auf anerzogene Intoleranz, rücksichtslose Selbstgerechtigkeit, "gesundes Volksempfinden" und permanente Aggressivität verweisen. Ein nicht formal, aber inhaltlich interessanter gesellschaftskritischer Beitrag, der zur Auseinandersetzung herausfordert.“

Evangelischer Filmbeobachter, Kritik Nr. 484/1969

Auszeichnungen

Im Jahr 1970 wurde der Film bei der Verleihung des Deutschen Filmpreises in fünf Kategorien ausgezeichnet. Die Trophäe für den besten Film musste sich Katzelmacher mit Peter Lilienthals Malatesta teilen, während der Preis für die beste Darstellerin an das weibliche Schauspielensemble des Antitheaters verliehen wurde. Ein Jahr zuvor war Fassbinders Werk auf dem Internationalen Filmfestival von Mannheim-Heidelberg prämiert und von der Deutschen Akademie der Darstellenden Künste als bestes Fernsehspiel ausgezeichnet worden.

Kurt Schwertsik schrieb nach diesem Film eine Oper.

Im Jahre 1989 war Katzelmacher zum vierzigjährigen Bestehen der Bundesrepublik Deutschland bei der Verleihung des Deutschen Filmpreises für einen Spezialpreis nominiert. Der Film musste sich jedoch Fassbinders Werk Die Ehe der Maria Braun (1979), sowie Alexander Kluges Abschied von gestern (1966), Margarethe von Trottas Die bleierne Zeit (1981) und Bernhard Wickis Die Brücke (1959) geschlagen geben.

Deutscher Filmpreis 1970

  • Bester Film (prämiert mit 400.000 DM Preisgeld)
  • Bestes Drehbuch
  • Beste Darstellerin (Schauspielensemble des Antitheaters)
  • Beste Kamera
  • Beste Filmgestaltung (prämiert mit 250.000 DM Preisgeld)

Weitere

Quellen

Referenzen

  1. Dieter Krusche: Reclams Filmführer / Mitarb.: Jürgen Labenski und Josef Nagel. - 13., neubearb. Aufl. - Philipp Reclam, Stuttgart 2008, ISBN 978-3-15-010676-1, S. 375
  2. Ulrich Gregor, Geschichte des Films ab 1960. Bertelsmann, München 1978, ISBN 3-570-00816-9, S. 148

Weblinks


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