Kaufsucht

Kaufsucht

Die Kaufsucht (fachspr. Oniomanie, von griech. onios = „zu kaufen“; engl. shopaholism; auch Kaufwahn, Kaufzwang, Noemie, pathologisches Kaufen) ist eine psychische Störung bei Konsumenten, die sich als zwanghaftes, episodisches Kaufen von Waren äußert. Sie wird ähnlich wie die Spielsucht oder die Arbeitssucht nicht als eigenständige Krankheit gesehen, sondern zu den Zwangsstörungen gerechnet (Gruppe F42.x im ICD-10), manchmal auch zu den Impulskontrollstörungen (F63.x). Sie war bereits 1909 in der ersten Auflage des Lehrbuches von Emil Kraepelin enthalten.

Inhaltsverzeichnis

Ausprägung

Für die psychiatrische Diagnose ist wesentlich, dass nicht mehr der Besitz der Güter Handlungsziel ist, sondern die Befreiung von einem imperativen Drang durch die Kaufhandlung selbst. Die Sinnlosigkeit des Handelns ist den Kaufsüchtigen klar, insofern unterscheidet sich die Kaufsucht vom Konsumismus. Willensanstrengungen („Zusammenreißen“) helfen gleichwohl nicht. Wird der/die Betroffene an der Kaufhandlung gehindert, kommt es zu Entzugserscheinungen, etwa in Form vegetativer Erregung. Meist wird eine bestimmte Warengruppe (z. B. Schuhe) bevorzugt. Die weit über den Bedarf hinaus gekauften Gegenstände werden oft unausgepackt in der Wohnung gelagert oder gar weggeworfen.

Die Schätzungen der Erkrankungshäufigkeit in Industrienationen liegen bei etwa 1 Prozent der Bevölkerung. In der Bundesrepublik Deutschland waren einer Studie im Jahr 1991 zufolge 5 Prozent als "stark kaufsuchtgefährdet" einzustufen (bezogen auf die alten Bundesländer), davon 90 Prozent Frauen.[1] Eine spätere Studie im Jahre 2006 der Universität Stanford zeigte mit 48 Prozent Männeranteil eine nahezu ausgewogene Statistik. [2]

Behandlung

Die Behandlung basiert in der Regel auf Verhaltenstherapie und sozialen Hilfen. Vor allem in den Vereinigten Staaten werden regelmäßig Psychopharmaka (Antidepressiva) eingesetzt. In Deutschland ist die am häufigsten gewählte Methode, einer Selbsthilfegruppe beizutreten, wo man von ehemaligen Kaufsüchtigen beraten, betreut und verstanden wird, da in Deutschland Kaufsucht nicht als Krankheit anerkannt wird.

Die Uniklinik Erlangen (Psychosomatische und Psychotherapeutische Abteilung) hat eine spezielle Therapie entwickelt und deren Wirksamkeit wissenschaftlich belegt. Nahezu jeder zweite Kaufsucht-Patient hat durch die Gruppentherapie sein Kaufverhalten in den Griff bekommen. Die Therapie setzt auf Ersatzhandlungen. Sechs bis acht Teilnehmer pro Gruppe lernen in zwölf wöchentlichen Therapiestunden, Ersatzbeschäftigungen zu finden, etwa Sport zu machen oder mit Freunden einen Kaffee trinken zu gehen. Diese sind ein 'Ventil' für sie, ihren Impuls auszuleben - Kaufsucht geht auf eine Störung der Impulskontrolle (wie auch zum Beispiel Pyromanie (krankhafte Brandstiftung) und Kleptomanie (zwanghafter Drang zu stehlen). Dem Kauf geht häufig ein Gefühl starker Erregung oder Spannung voran, gefolgt von tiefer Befriedigung und Glück. Es geht den Betroffenen um den Akt des Kaufens, nicht um das Gekaufte. Gemeinsam mit den Therapeuten arbeiteten die Teilnehmer an praktischen Dingen: Wie kann ich künftig angemessen mit Geld umgehen? Was tue ich, wenn mich die Kauflust doch wieder packt? Dazu gehört auch, bar zu bezahlen (anstatt mit Kreditkarte) - so gibt man Geld bewusster aus.[3]

Ursachen

Der Kaufsucht liegt eine Persönlichkeitsstörung zugrunde, die nach Ansicht der meisten Autoren durch ein vermindertes Selbstwertgefühl gekennzeichnet ist. Negative Gefühle und Frustrationen sollen dabei verdrängt werden.

Folgen

Nach längerem Verlauf treten Ängste, Schuldgefühle und Depressionen hinzu, die durch die unweigerlich eintretenden finanziellen Probleme verschärft werden. Aus einer oft jahre- und jahrzehntelang anhaltenden Kaufsucht entstehen verheerende Folgen: meistens Überschuldung oder die komplette Insolvenz. Manche Betroffenen versuchen diese mit illegalen Taten wie Diebstahl oder Unterschlagung von Geld zu verhindern.

Literatur

  • Hans-Otto Schenk: Psychologie im Handel. 2. Auflage, München/Wien 2007, ISBN 978-3-486-58379-3
  • R. Geml, H. Lauer: Marketing- und Verkaufslexikon, 4. Aufl., Stuttgart 2008, ISBN 978-3-7910-2798-2
  • Müller, de Zwaan, Mitchel: Pathologisches Kaufen: Kognitiv-verhaltenstherapeutisches Manual. Ärzteverlag, 2008, 978-3769105667

Weblinks

Wiktionary Wiktionary: Kaufsucht – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Quellen

  1. http://www.das-parlament.de/2004/01-02/Beilage/003.html, Abschnitt "Verbreitung und Entwicklung"
  2. Konsumieren, bis es weh tut in: Süddeutsche Zeitung vom 21. Juli 2008
  3. Müller, de Zwaan, Mitchel: Pathologisches Kaufen: Kognitiv-verhaltenstherapeutisches Manual. Ärzteverlag, 2008, 978-3769105667

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