Kerstin Griese

Kerstin Griese
Kerstin Griese im August 2009 in Velbert

Kerstin Griese (* 6. Dezember 1966 in Münster) ist eine deutsche Politikerin (SPD). Die Ratingerin ist Mitglied des Deutschen Bundestages und war von 2002 bis 2009 Vorsitzende des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.

Inhaltsverzeichnis

Ausbildung und Beruf

Aufgewachsen und zur Schule gegangen ist die Pfarrerstochter Kerstin Griese im fränkischen Gerbrunn und in Düsseldorf. Nach dem Abitur 1985 absolvierte sie ein Studium der Neueren und osteuropäische Geschichte sowie der Politikwissenschaft an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, welches sie 1997 als Magistra Artium beendete. Von 1987 bis 1997 arbeitete sie zunächst als freie und anschließend bis 2000 als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Mahn- und Gedenkstätte für die Opfer des Nationalsozialismus in Düsseldorf.

Partei

Seit 1986 ist Kerstin Griese Mitglied der SPD und engagierte sich zunächst in der Juso-Hochschulgruppe Düsseldorf. 1989/90 war sie AStA-Vorsitzende und von 1990 bis 1992 Präsidentin des Studierendenparlaments der Heinrich-Heine-Universität. Von 1989 bis 1993 war sie Mitglied des Bundeskoordinierungsausschusses der Juso-Hochschulgruppen, die sie auch im Juso-Bundesvorstand vertrat. Von 1994 bis 1997 war sie stellvertretende Vorsitzende der niederrheinischen Jusos. Sie galt als Vertreterin des undogmatisch-reformsozialistischen Flügels der Jusos.

Seit 1995 gehört sie dem Bundesvorstand der SPD an. Von 1996 bis 1999 war sie Vorsitzende der Kommission Jugend des SPD-Vorstandes. Seit 2006 ist sie Mitglied der Leitung des SPD-Forums Kinder und Familie beziehungsweise der Steuerungsgruppe der Zukunftswerkstatt Familie. Seit 2008 ist eine der vier Sprecher des Arbeitskreises „Christinnen und Christen in der SPD“ und Vorsitzende der SPD im Kreis Mettmann.

Abgeordnete

Am 11. Mai 2000 war Kerstin Griese als Nachrückerin für den ausgeschiedenen Abgeordneten Willfried Penner über die Landesliste Nordrhein-Westfalen in den Bundestag eingezogen, dem sie bis zum Ende der 16. Wahlperiode im Jahr 2009 angehörte. Am 23. Juli 2010 rückte sie erneut in den Bundestag nach, nachdem Angelica Schwall-Düren zur Ministerin für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien in die NRW-Landesregierung berufen wurde[1].

Von 2001 bis 2002 war Griese Sprecherin der Gruppe junger Abgeordneter – „Youngsters“ – in der SPD-Bundestagsfraktion. Von 2002 bis 2009 war sie Vorsitzende des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und gehörte dem SPD-Fraktionsvorstand an. Sie war 2006 bis 2009 Beauftragte der SPD-Bundestagsfraktion für Kirchen und Religionsgemeinschaften. Sie ist Mitglied des reformorientierten Netzwerks Berlin.

Kerstin Griese zog bei der Bundestagswahl 2002 als direkt gewählte Abgeordnete mit 45,3 % der Erststimmen für den Bundestagswahlkreis Mettmann II in den Bundestag ein. Bei der Bundestagswahl 2005 wurde sie mit 43,5 % der Erststimmen wiedergewählt. Bei der Bundestagswahl 2009 erreichte sie nur noch 35,6 % der Erststimmen und verfehlte das Direktmandat.

Kirche und Diakonie

Von 1979 bis 1989 war Kerstin Griese in der Jugendarbeit der Evangelischen Kirchengemeinde Düsseldorf-Urdenbach und im Kirchenkreis Düsseldorf aktiv. Von 1987 bis 1989 war sie Jugenddelegierte zur Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und der Evangelischen Kirche im Rheinland.

Seit 2003 ist sie Mitglied der EKD-Synode, der sie zuvor sechs Jahre lang als stellvertretendes Mitglied angehörte und schon seit 2001 stellvertretendes Mitglied der Synode der Evangelischen Kirche im Rheinland.

Von 2009 bis 2010 war sie als hauptamtliches Bundesvorstandsmitglied des Diakonischen Werks der EKD zuständig für den Arbeitsbereich Sozialpolitik.[2][3]

Weitere Ehrenämter

Kerstin Griese ist Landes-Vizepräsidentin des Arbeiter-Samariter-Bundes NRW (2006–09 und seit 2011), ist Mitglied im Vorstand der Vereinigung Gegen Vergessen – Für Demokratie (seit 2010) und gehört dem Stiftungsrat der Kindernothilfe an (seit 2009).

Positionen

Kerstin Griese fordert die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. „Die Geburtenrate ist in Europa dort am höchsten, wo die Frauenerwerbsquote hoch und die Kinderbetreuung gut geregelt ist.“[4] Deswegen investiere der Bund Milliarden in den Betreuungsausbau und in das Elterngeld.

Kritik übt sie am geltenden Ehegattensplitting, deren Vorteile sie beschränken will. Absurd sei, „dass vom Ehegattensplitting zu vierzig Prozent Paare profitieren, die keine Kinder unterstützen müssen.“[5]

In der Frage des Kinderschutzes hat Griese immer für verbindliche Kindervorsorgeuntersuchungen plädiert. Das sei „ein Baustein für den Schutz der Kinder.“[6]

Bei der Neuregelung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes in der Frage der medizinischen Indikation und der Spätabbrüche legte Kerstin Griese federführend einen eigenen Gesetzentwurf vor, der der Mehrheitsmeinung der SPD-Fraktion widersprach. Gemeinsam mit Katrin Göring-Eckardt (Grüne) und Andrea Nahles sprach sie sich für eine Verpflichtung des Arztes aus, in eine Beratung zu vermitteln und Kontakte zu Behindertenorganisationen herzustellen sowie für eine verbindliche Bedenkzeit. Der von Griese u. a. vorgelegte Entwurf entspricht weitgehend dem letztlich vom Bundestag beschlossenen Gesetz.[7][8]

Griese hatte als Berichterstatterin maßgeblich an der Aufnahme der Computerspiele in das Jugendschutzgesetz und die Altersklassifizierung mitgearbeitet. „Eine reine Prohibitionspolitik nützt nichts“[9], wendete sie sich gegen Forderungen, so genannte Killerspiele zu verbieten. Kritik übt Griese daran, dass die Regierung 300.000 Euro für den Deutschen Computerspielpreis ausgibt, während die Brett- und Kartenspiele mit ihrer Auszeichnung Spiel des Jahres leer ausgehen. „Die Alternative zum digitalen Computerspiel kann auch ein analoges Brett- und Kartenspiel sein. Vielleicht wäre es gut, auch diese Sparte der Kultur angemessen zu würdigen.“[10]

Kerstin Griese setzte sich immer für eine Abschaffung der Wehrpflicht und damit des Zivildienstes ein. Sie wollte erreichen, dass die freiwerdenden finanziellen Mittel in das Freiwillige Soziale Jahr investiert werden und das Entstehen eine neuen Kultur der Freiwilligkeit unter Jugendlichen gefördert wird.[11][12] Die Schaffung des Bundesfreiwilligendienstes hat sie als „unpraktikabel“ kritisiert. „Wer derart in die Struktur der Freiwilligendienste eingreift, wird viel zerstören.“[13]

Einzelnachweise

  1. SPD-Politikerin Griese wieder im Bundestag, in: epd 23. Juli 2010
  2. Die vielen Baustellen der Diakonie, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 13. November 2010
  3. Diakonie verliert weiteres Bundesvorstandsmitglied, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 16. November 2010
  4. „Im Jahr 2015 Schock in Ostdeutschland“, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 17. März 2006
  5. Alleinerziehend – allein gelassen, in: Die Zeit 24/09
  6. Entsetzen nach Kindstod in Schwerin, in: Berliner Zeitung, 23. November 2007
  7. Bundestag regelt Spätabtreibungen neu, in: Die Welt, 14. Mai 2009
  8. Spätabtreibung, in: Tagesspiegel, 11. Mai 2009
  9. Für einen positiven Jugendschutz, in: Berliner Republik 4/07
  10. Malefiz mit Digitalisten, in: Berliner Republik 3/09
  11. Mehr Geld für Freiwilligendienste, in: epd Sozial, 2. Juli 2010
  12. An army of volunteers, in: The Economist, 15. Juli 2010
  13. Der lange Abscheid vom Zivildienst, in: Berliner Republik 4/10

Veröffentlichungen

  • Kerstin Griese: Düsseldorf-Grafenberg – Psychiatrische Klinik der Akademie und Heil- und Pflegeanstalt. In: Michael G. Esch, Kerstin Griese, Frank Sparing, Wolfgang Woelk (Hrsg.): Die Medizinische Akademie Düsseldorf im Nationalsozialismus. Klartext, Essen 1997, ISBN 3-88474-568-9, S. 228–265.
  • Kerstin Griese: Die Zionistische Bewegung in Düsseldorf – von einer aktiven Minderheit zur wichtigen Auswanderungsinstanz. In: Angela Genger, Kerstin Griese (Redaktion): Aspekte jüdischen Lebens in Düsseldorf und am Niederrhein. Mahn- und Gedenkstätte, Düsseldorf 1997, ISBN 3-9805963-1-1, S. 142–155.
  • Kerstin Griese, Wolfgang Woelk: Jüdische Ärztinnen und Ärzte in Düsseldorf und in der Emigration. In: Kurt Düwell, Angela Genger, Kerstin Griese, Falk Wiesemann (Hrsg.): Vertreibung jüdischer Künstler und Wissenschaftler aus Düsseldorf 1933–1945. Droste, Düsseldorf 1998, ISBN 3-7700-1097-3, S. 177–205.
  • Angela Genger, Kerstin Griese: Entwicklungen und Veränderungen in der pädagogischen Arbeit der Gedenkstätten in Nordrhein-Westfalen. In: Angela Genger, Kerstin Griese (Redaktion): Forschen – Lernen – Gedenken – Bildungsangebote für Jugendliche und Erwachsene in den Gedenkstätten für die Opfer des Nationalsozialismus in NRW. Arbeitskreis NS-Gedenkstätten NW, Düsseldorf 1998, S. 7–17.
  • Kerstin Griese: Arbeit mit Zeitzeuginnen und Zeitzeugen in der Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf. In: Angela Genger, Kerstin Griese (Redaktion): Forschen – Lernen – Gedenken – Bildungsangebote für Jugendliche und Erwachsene in den Gedenkstätten für die Opfer des Nationalsozialismus in NRW. Arbeitskreis NS-Gedenkstätten NW, Düsseldorf 1998, S. 86–93
  • Kerstin Griese: Opfer von Zwangssterilisierungen und NS-„Euthanasie“ in der Rheinprovinz – eine didaktische Arbeitshilfe mit Dokumenten, Bildern und Texten für Schule und Bildungsarbeit. Mahn- und Gedenkstätte, Düsseldorf 2001, ISBN 3-9807674-0-X.
  • Kerstin Griese, Rolf Stöckel: Ein „Mehr“ desselben führt zu nichts – unsere Kritik am Status quo des Sozialstaates. In: Die neue SPD – Menschen stärken – Wege öffnen. J.H.W. Dietz Nachf., Bonn 2004, ISBN 3-8012-0345-X, S. 249–253.
  • Kerstin Griese, Harald Schrapers: Perspektiven für Kinder – auf die Kleinsten kommt es an. In: Hubertus Heil, Juliane Seifert (Hrsg.): Soziales Deutschland – für eine neue Gerechtigkeitspolitik. VS, Wiesbaden 2005, ISBN 3-531-14798-6, S. 103–112.
  • Kerstin Griese: Vorsorge statt Nachsorge – das neue SPD-Grundsatzprogramm, der Sozialstaat und die evangelische Kirche. In: Zeitzeichen – Evangelische Kommentare zu Religion und Gesellschaft. Dezember 2006, S. 43–49
  • Kerstin Griese, Nicolette Kressl: Bessere Chancen durch individuelle Förderung – Für ein kinderfreundliches Land muss ein Rad ins andere greifen. In: Matthias Platzeck, Frank-Walter Steinmeier, Peer Steinbrück (Hrsg.): Auf der Höhe der Zeit. Vorwärts Buch, Berlin 2007, ISBN 3-86602-629-3, S. 89–93.
  • Kerstin Griese, Harald Schrapers: Gute Chancen für alle Kinder – Materielle Umverteilung ist nicht genug. In: Berliner Republik. 1/2008, S. 34–38.
  • Kerstin Griese, Harald Schrapers: Malefiz mit Digitalisten – Computerspiele machen dick, dumm und gewalttätig. In: Berliner Republik. 3/2009, S. 62–65.
  • Kerstin Griese, Harald Schrapers: Der lange Abschied vom Zivildienst – Mit der De-facto-Abschaffung des Wehrdienstes fällt auch der Zivildienst. In: Berliner Republik. 4/2010, S. 80–82.

Weblinks

 Commons: Kerstin Griese – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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