Kirchgeld in glaubensverschiedener Ehe

Kirchgeld in glaubensverschiedener Ehe

Das Kirchgeld in glaubensverschiedener Ehe ist eine Form der Kirchensteuer in Deutschland. Es wird nach Maßgabe der kirchensteuerrechtlichen Vorschriften der Bundesländer als Besonderes Kirchgeld von jenen Kirchenmitgliedern erhoben, die sich zur Erlangung des Ehegattensplittings gem. §§ 26, 26 b EStG zur Einkommensteuer zusammen mit ihrem Ehegatten veranlagen lassen und selber über kein oder ein geringeres Einkommen als der Ehegatte verfügen, der als allein- oder besserverdienender Ehepartner indes keiner Kirchensteuer erhebenden Religionsgesellschaft angehört.[1][2][3] Da das Kirchgeld darauf angelegt ist, Kirchensteuer indirekt von Nicht-Kirchenmitgliedern zu erheben, wird sie von ihren Gegnern als Strafsteuer angesehen und als „Heidensteuer“ bezeichnet.[4]

Inhaltsverzeichnis

Gründe für die Einführung

Bis zur grundlegenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Jahr 1965[5] sahen die Kirchensteuergesetze in einer vielfältigen Form auch die Erhebung von Kirchensteuern zu Lasten von nicht ihnen angehörigen Personen, vor allem von glaubensverschiedenen Ehegatten vor. Diese Regelungen wurden von dem BVerfG allesamt für verfassungswidrig erklärt. Es stellte ausdrücklich fest, dass ein nicht der Kirche angehöriger Ehegatte nicht für seinen Partner zur Kirchensteuer herangezogen werden dürfe.[6] Außerhalb der eigentlichen Entscheidungsgründe wies das Gericht aber in einem obiter dictum den Kirchen und Ländern zum Ausgleich für den Steuerverlust den Weg, bei glaubensverschiedenen Ehegatten unter bestimmten Voraussetzungen eine Besteuerung nach dem dem kirchenangehörigen Ehegatten anteilig zuzurechnenden gemeinsamen Lebensaufwand vorzunehmen.[7] Hierauf wurde mit den Vorbereitungen zur Einführung eines Besonderen Kirchgeldes begonnen, von dem das allgemeine Kirchgeld zu unterscheiden ist. Dieses hat die Funktion einer Mindestkirchensteuer und wird in einigen Ländern nach kircheneigenen, gewöhnlich sehr niedrigen Sätzen erhoben.[8] Das dann besonders in den neunziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts weitgehend eingeführte Besondere Kirchgeld wurde auch mit der besonderen Finanznot der Kirchen begründet. Geltend gemacht wurde von den Kirchen zudem eine Gerechtigkeitslücke, die dadurch entstünde, dass bei glaubensverschiedenen Ehepaaren die ganze Familie bei religiösen Anlässen wie Taufe oder Konfirmation kirchliche Leistungen in Anspruch nähmen, ohne sich aber wie andere Gläubige an den Kosten zu beteiligen.[9]

Rechtliche Hintergründe

Nachdem das BVerfG es verboten hatte, bei der Erhebung der Kirchensteuer an in der Person des nicht der Kirche angehörigen Ehegatten liegenden Merkmalen anzuknüpfen, war eine unmittelbare Berücksichtigung dessen Einkommens nicht mehr möglich. Dieses Hindernis umgeht das Besondere Kirchgeld dadurch, dass es von dem gemeinsamen Lebensaufwand der Ehegatten ausgeht und den auf den kirchenangehörigen nicht- oder geringerverdienenden Partner entfallenden Aufwand schematisch zugrundelegt. Die Umstände des konkreten Einzelfalls bleiben dabei außer Betracht.[10] Nachdem einerseits die Erhebung der Kirchensteuer nicht auf bestimmte Besteuerungsgrundlagen, wie etwa Steuern vom Einkommen, beschränkt ist, andererseits viele Autoren und Gerichte auch glaubten, hierin einen Beitrag zur allgemeinen Steuergerechtigkeit zu sehen, wurde diese Anknüpfung überwiegend für zulässig angesehen. Das BVerfG und auch andere Gerichte bestätigten ausdrücklich die entsprechenden Regelungen in einigen Landeskirchensteuergesetzen[11] Mittlerweile sehen die Kirchensteuergesetze aller Bundesländer die Erhebung des Besonderen Kirchgeldes vor. Sie ist aber nur bei zusammenveranlagten Ehegatten zulässig. Landeskirchensteuergesetze, die dies nicht ausdrücklich vorsehen, werden entsprechend ausgelegt. Entscheiden sich glaubensverschiedene Eheleute gegen eine gemeinsame Veranlagung zur Einkommensteuer, muss die Kirche das hinnehmen.[12]

Kritik

Die gesetzlich vorgesehene Möglichkeit zur Erhebung des Besonderen Kirchgeldes steht unter anhaltender Kritik und beschäftigt immer wieder die Gerichte, auch die Verfassungsgerichte. Gerügt wird, dass es sich im Ergebnis um eine Umgehung des staatskirchenrechtlichen Verbots der Belastung des nicht der Kirche angehörenden Ehegatten mit der Kirchensteuer des anderen handele, da nur dieser eine solche Steuer wirtschaftlich tragen könne. Im Ergebnis werde darüber hinaus nach wie vor die Kirchensteuer von dem Einkommen des nicht der Kirche angehörenden Ehepartners abhängig gemacht. Zudem führe die Erhebung zu einer steuerlichen Ungleichbehandlung, da sie nicht alle Ehepaare gleich treffe, sondern abhängig von nicht staatskirchenrechtlich oder kirchensteuerrechtlich relevanten Unterscheidungen, wie der Frage der Wahl der einkommensteuerrechtlichen Veranlagung, sei.[13] Schließlich wird darauf hingewiesen, dass die Einführung des Besonderen Kirchgeldes als eine Besteuerung nach dem Lebensaufwand unter Gleichheitsgesichtspunkten dazu zwinge, zumindest in glaubensverschiedenen Ehen die Kirchensteuer stets als Aufwandsbesteuerung durchzuführen und somit der allein oder mehr verdienende der Kirche angehörige Ehegatte wiederum nur mit seinem Anteil am allgemeinen Lebensaufwand besteuert werden dürfe,[14] ein Einwand, der selbst von Befürwortern der Regelung gestützt wird.

Erhebung

Trotz gesetzlicher bundesweiter Einführung wird tatsächlich das Besondere Kirchgeld von den christlichen Kirchen (den evangelischen Landeskirchen, den katholischen Diözesen sowie der altkatholischen Kirche) uneinheitlich erhoben: Baden-Württemberg (nur ev.), Bayern (nur ev.), Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Hessen (auch Freireligiöse Gemeinde Mainz und Offenbach); Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen (nur ev.), Rheinland-Pfalz (ev. und Bistum Limburg, Mainz, Speyer, Trier, Freireligiöse Gemeinde Mainz), Saarland (ev. und Bistum Speyer und Trier), Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein, Thüringen. Zudem erheben es die jüdischen Gemeinden in Frankfurt, Bad Nauheim, Darmstadt, Fulda, Gießen, Kassel und Offenbach.[3]

Umsetzung

Theoretischer Anknüpfungspunkt ist der sogenannte „Lebensführungsaufwand“, den der nicht oder weniger verdienende der erhebenden Kirche angehörende Ehepartner mit in Anspruch nimmt. Als Maßstab wird das gemeinsam zu versteuernde Einkommen der Ehepartner zugrunde gelegt. Kinderfreibeträge werden angerechnet. In einem besonderen Tarif, der etwa nur ein Drittel des eigentlichen Kirchensteuertarifs ausmacht, wird hierauf beruhend das Kirchgeld berechnet und liegt im Durchschnitt zwischen 0,3 % und 1,2 % des zu versteuernden Einkommens. Liegt das gemeinsam zu versteuernde Einkommen unter € 30.000, so entfällt das Kirchgeld. Die Höhe des Kirchgeldes beträgt danach zwischen € 96 und € 3.600 im Jahr.[3]

Diese Praxis wurde durch das Bundesverfassungsgericht gebilligt. Es stellt hierzu fest: "Wenn angesichts der Schwierigkeiten der Bestimmung des Lebensführungsaufwandes als Indikator der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des kirchenangehörigen Ehepartners dieser Aufwand nach dem gemeinsamen Einkommen der Ehegatten bemessen wird, ist hiergegen verfassungsrechtlich nichts einzuwenden".[15] Damit ist die Praxis der Kirchen, für die Bemessung der Kirchensteuern bei glaubensverschiedenen Ehegatten (und gemeinsamer steuerlicher Veranlagung) das gemeinsame zu versteuernde Einkommen (also inklusive des Einkommensanteils des Nicht-Kirchenmitgliedes) zugrunde zu legen, höchstrichterlich für zulässig erklärt worden.

Das fällige Kirchgeld wird am Ende des Jahres im Zuge der Einkommensteuererklärung vom Finanzamt bzw. Kirchensteueramt erhoben. Das Kirchgeld unterliegt anders als die Kirchensteuer vom Lohn nicht dem Lohnsteuerabzug. Bei Lohnsteuerpflichtigen (also, wenn keine Einkommensteuererklärung abgegeben wird) erfolgt die Festsetzung im Rahmen eines beantragten Lohnsteuerjahresausgleichs, ansonsten unmittelbar durch das Kirchensteueramt.

Als Kirchensteuer ist auch das Kirchgeld, nicht anders als die auf der Grundlage der Lohn- oder Einkommensteuer erhobene Kirchensteuer, als Sonderausgabe in voller Höhe unbeschränkt vom zu versteuernden Einkommen abzugsfähig.

Ausblick

Verschiedene Verfahren, mit denen die Verfassungsmäßigkeit des "Kirchgeldes" angefochten wurde, darunter auch die Verfahren 2 BvR 591/06 und 2 BvR 291/06, wurden vom Bundesverfassungsgericht am 28. Oktober 2010 nicht zur Entscheidung angenommen.[16]

Literatur

  • Carsten Frerk: Finanzen und Vermögen der Kirchen in Deutschland. Alibri Verlag, Aschaffenburg 2002, ISBN 3-932710-39-8.
  • Felix Hammer: Rechtsfragen der Kirchensteuer. Mohr Siebeck, Tübingen 2002, ISBN 3-16-147537-2.
  • Wolfgang Rüfner: Bundes- und Landeskompetenzen im Bereich der Kirchensteuer. In: Festschrift für Christoph Link zum 70. Geburtstag: Bürgerliche Freiheit und christliche Verantwortung. Mohr Siebeck, Tübingen 2001, ISBN 3-16-148099-6, S. 431 ff.
  • Stephan A. Schoppe: Die Kirchensteuer versus Trennung von Staat und Kirche. Eine Analyse verfassungs- und steuerrechtlicher Aspekte unter spezieller Berücksichtigung des Besonderen Kirchgeldes. Verlag Dr. Kovač, Hamburg 2008, ISBN 978-3-8300-3646-3. Link zum Buch

Einzelnachweise

  1. Wolfgang Rüfner: Bundes- und Landeskompetenzen im Bereich der Kirchensteuer. S. 431 ff., 432 sowie Fußnote 4, in: Festschrift für Christoph Link zum 70. Geburtstag: Bürgerliche Freiheit und christliche Verantwortung, Mohr Siebeck 2001, ISBN 3-16-148099-6;
  2. Felix Hammer: Rechtsfragen der Kirchensteuer. Mohr Siebeck, Tübingen 2002, ISBN 3-16-147537-2, S. 329ff.
  3. a b c Seite der EKD zum Besonderen Kirchgeld in glaubensverschiedenen Ehen
  4. http://www.heise.de/tp/r4/artikel/33/33931/1.html
  5. BVerfGE 19, 242 (Urteil vom 14. Dezember 1965)
  6. BVerfGE 19,268
  7. Johannes Neumann: Religion- Geld und Macht. In: Zeitdiagnosen Bd. 8: Religionsfreiheit und Konformismus, LIT-Verlag 2004, ISBN 3-8258-7654-3, S. 93–223, 203
  8. von Camphausen, in: Mangoldt/Klein/Starck: Kommentar zum Grundgesetz. Bd. 3, ISBN 978-3-8006-3215-2, Art. 137 WRV Rd. 290
  9. Korrespondenzblatt Juli 2000.
  10. Felix Hammer: Rechtsfragen der Kirchensteuer. Mohr Siebeck, Tübingen 2002, ISBN 3-16-147537-2, S. 330f.
  11. BVerfGE 73,288, 398ff. für Hamburg; BVerwG NJW 1989, 1747 und NVwZ 1992,66 für Schleswig-Holstein; FinG Baden-Württemberg EFG 2000,1094 für BW, vgl. die Rechtsprechungsnachweise bei Listl: Das kirchliche Besteuerungsrecht in der neueren Rechtsprechung der Gerichte der Bundesrepublik Deutschland. In: Festschrift für Mikat, Duncker & Humblot, Berlin 1989, ISBN 3-428-06759-2, S. 579, 592ff.
  12. Felix Hammer: Rechtsfragen der Kirchensteuer. Mohr Siebeck, Tübingen 2002, ISBN 3-16-147537-2, S. 331, Fn. 289
  13. Johannes Neumann: Religion- Geld und Macht. In: Zeitdiagnosen Bd. 8: Religionsfreiheit und Konformismus, LIT-Verlag, Münster 2004, ISBN 3-8258-7654-3, S. 93–223; Stephan A. Schoppe: Die Kirchensteuer versus Trennung von Kirche und Staat, Verlag Dr. Krovac, Hamburg 2008,ISBN 978-3-8300-3646-3
  14. Damkowski: Kirchensteuer in glaubensverschiedenen Ehen. DÖV 1987, 705ff.
  15. Beschluss vom 28.10.2010, NJW 2011, 365
  16. vgl. nur BVerfG, 2 BvR 816/10 vom 28. Oktober 2010, http://www.bverfg.de/entscheidungen/rk20101028_2bvr081610.html

Weblinks


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