Kiwa hirsuta

Kiwa hirsuta
Yeti-Krabbe
Zeichnung der Yeti-Krabbe (Kiwa hirsuta)

Zeichnung der Yeti-Krabbe (Kiwa hirsuta)

Systematik
Unterordnung: Pleocyemata
Teilordnung: Mittelkrebse (Anomura)
Überfamilie: Galatheoidea
Familie: Kiwaidae
Gattung: Kiwa
Art: Yeti-Krabbe
Wissenschaftlicher Name
Kiwa hirsuta
Macpherson, Jones & Segonzac, 2005

Bei der Yeti-Krabbe (Kiwa hirsuta, englisch yeti crab) handelt es sich um einen Krebs aus der Familie der Kiwaidae, der auf den hydrothermalen Feldern der Tiefsee in etwa 2200 Metern Tiefe lebt. Diese Felder sind durch Schlote, die sogenannten Schwarzen Raucher, charakterisiert. Zu seinem Namen kam er wegen seiner gänzlich weißen Erscheinung und Borsten an den Gliedmaßen. Der Namensgeber war dabei das Fabelwesen Yeti.

Inhaltsverzeichnis

Morphologie

Größe und Farbe

Der Carapax der Yeti-Krabbe war beim Holotypus 5,15 Zentimeter, mitsamt dem Rostrum 5,86 Zentimeter lang. Inklusive Scheren misst das Tier gestreckt ungefähr 15 Zentimeter. Der Carapax ist etwa ein Drittel länger als breit. Die Yeti-Krabbe ist bis auf gelbe Dornen an den Extremitäten der Chelipeden (Scheren) vollständig weiß.

Körperbau

Die dorsale Oberfläche des Carapax ist glatt; Breite und die Länge des Telsons (hinterstes Körpersegment) stimmen in etwa überein. Das Telson ist durch eine Quernaht in einen vorderen und hinteren Teil gegliedert.

Die Vorderlippe ist etwas schräg und durch kleine Zähne in der Nähe des Rostrums gekennzeichnet. Das breite und dreieckige Rostrum ist dorsal (rückenwärts) leicht konkav. Weiters ist es an der Seite rau und mit langen Borsten versehen und die ventrale (untere bzw. bauchwärtige) Seite ist schüsselförmig. Eine schräge, in der Mitte gelegene Sutur (Naht) trennt den vorderen vom hinteren Teil des Körpers der Yeti-Krabbe. Der Ansatz der fünften Pereopoden ist nicht sichtbar, er ist unter dem Plastron (Schild des „Bauches“, ventral gelegen) zu finden.

Mit der Lebensweise in der vollkommen dunklen Tiefsee ging eine Reduktion der Augen einher: Sie sind bei der Yeti-Krabbe nur noch als membranöses Rudiment ohne Pigmente vorhanden, woraus Blindheit resultiert. Daher muss sich die Yeti-Krabbe auf ihre Antennen und anderen Sinne verlassen; eventuell spielen die Borsten eine Rolle in der Wahrnehmung als Sensoren von Wasserwirbeln und anderem. Den Antennen fehlen Schuppen.

Sowohl Laufbeine als auch Chelipeden sind von dicht stehenden Borsten sowie von etlichen Stachelreihen bedeckt. Die Stacheln der Yeti-Krabbe sind durch eine körnige, gelbe Zeichnung und einen „Schopf“ aus langen, federartigen und dicht stehenden Borsten charakterisiert. Zur Mitte hin und bauchwärts sind die Borsten dichter als seitlich und rückenwärts. Den Stacheln auf den vorderen Teilen der Chelipeden fehlt dieses schopfartige Gebilde.

Die Chelipeden sind annähernd symmetrisch, dreieckig und etwas mehr als doppelt so lang wie der Carapax mit Rostrum. Sie sind nicht von Borsten besetzt. Die auf den Scheren befindlichen Stacheln werden kleiner, je weiter sie vom Rumpf entfernt sind, und fehlen schließlich vollständig. Die Finger sind beweglich, und zum Körper hin folgt einem scharfen Rand mit glatten, flachen und speziell zur Mitte stark hornigen Schuppen ein gezahnter Bereich.

Borsten

Die Borsten gehören zu den besonderen Merkmalen der Yeti-Krabbe, da sie in sehr großer Zahl vorhanden sind. Die Pereopoden und teilweise auch die Chelipeden sind von solchen Borsten übersät. Die Borsten sind sehr flexibel, etwa 15 Millimeter lang und vor allem im distalen Bereich mit fadenförmigen Bakterien besetzt. Einige Borsten sind im Schnitt nur 13 Millimeter lang und nicht von Bakterien besetzt, jedoch deutlich härter, mit Widerhaken besetzt und enden in einem Dorn. Über eventuelle symbiotische Funktionen der Bakterien ist derzeit nichts bekannt; eventuell sind diese Bakterien ein Bestandteil der Ernährung, was jedoch angesichts der Größendifferenz zwischen Yeti-Krabbe und den Bakterien eher fraglich scheint. Wahrscheinlicher ist, dass sie Schwefel in für die Yeti-Krabbe nutzbare Energie umwandeln(Chemosynthese).

Lebensweise

Über die Lebensweise der Yeti-Krabbe sind wie bei anderen Tiefseebewohnern nur spärliche Erkenntnisse vorhanden. Die Tiere kommen in einer Dichte von ein bis zwei Tieren pro 10 Quadratmeter in der Nähe von aktiven hydrothermalen Schloten oder an der Basis solcher Schlote zwischen Muscheln der Gattung Bathymodiolus vor. Yeti-Krabben sind Allesfresser; sie führen jedoch eine Koexistenz mit Krebsen der Gattungen Munidopsis und Bythograea sowie den bereits erwähnten Muscheln und einigen Schneckenarten.

Verbreitung

Bis jetzt sind Vorkommen der Yeti-Krabbe von drei hydrothermalen Feldern bekannt. Dabei handelt es sich um Sebastian's Steamer (37° 47′48′ S, 110° 54′85′ W, 2204 Meter Tiefe, übersetzt „Sebastians Dampfer“), Pâle Étoile (37° 47′36′ S, 110° 54′85 W, 2215 Meter Tiefe, übersetzt „Bleicher Stern“) und Annie's Anthill (37° 46′49′ S, 110° 54′72′ W, 2228 Meter Tiefe, übersetzt „Annies Ameisenhügel“). Alle drei Felder liegen nah beieinander im südlichen Pazifik, südlich der Osterinsel. Eventuell sind noch Vorkommen an anderen hydrothermalen Feldern vorhanden. Im Moment wird vermutet, dass die Juan Fernandez-Platte, eine kleine Erdplatte, geologisch gesehen die nördliche Verbreitungsgrenze der Yeti-Krabbe markiert.

Systematik

Innerhalb der Crustacea befindet sich die Yeti-Krabbe in der Gruppe der Mittelkrebse (Anomura); anders, als der irreführende Name vermuten lässt, gehört das Tier nicht zur Gruppe der Krabben (Brachyura). Wegen ihrer vielen eigenartigen Merkmale wurde die Yeti-Krabbe in die monotypische neue Familie Kiwaidae eingeordnet; auch molekularbiologische Untersuchungen führten zu deutlichen Unterschieden gegenüber anderen Gruppen von Krebstieren. Dabei wurde DNA aus den Muskeln der Yeti-Krabbe gewonnen. Es wurden deutliche Unterschiede zu anderen Familien der Galatheoidea (Spring- und Porzellankrebse) festgestellt. Offensichtlich ist die Familie Kiwaidae den Familien Chirostylidae, Galatheidae (Springkrebse) und Porcellanidae (Porzellankrebse) näher als der Aeglidae. Die oberflächlichen Ähnlichkeiten zur Chirostylidae bestehen aus gemeinsamen Merkmalen an den Antennen und den dritten Maxillpeden, einer transversen Naht am Telson sowie dem Sternum ohne eine Platte des letzten am Thorax gelegenen Somit. Einige Ähnlichkeiten bestehen auch zur Aeglidae, in Form von Sterniten zwischen den dritten Maxillpeden, allerdings trennen bei der Aeglidae kalzifizierte Gebilde, die optisch Linien gleichen, den Carapax in verschiedene Regionen. Diese Linien sind bei der Kiwaidae nicht vorhanden. Zu den deutlichen Unterschieden zwischen der Chirostylidae und der Kiwaidae gehören unter anderem die fehlenden Antennenschuppen sowie die reduzierten Augen bei der Yeti-Krabbe, der größere Sternit zwischen den dritten Maxillpeden bei der Familie Kiwaidae, dem nicht sichtbaren Ansatz der fünften Pereopoden, sowie mehreren weiteren Merkmalen, unter anderem die Präsenz von Furchen auf der Oberfläche des Carapax von Kiwa.

Ein mögliches Kladogramm zur Abstammung der Yeti-Krabbe, basierend auf den molekularbiologischen Untersuchungen:

Bild:Cladogramm-Anomura.jpg

Forschungsgeschichte

Die Yeti-Krabbe wurden von den Wissenschaftlern Enrique Macpherson (Spanien, Centro de Estudios Avanzados de Blanes (CSIC)), William Jones (USA, Monterey Bay Aquarium Research Institute (MBARI)) und Michel Segonzac (Frankreich, Ifremer) im Jahre 2005 als Kiwa hirsuta erstbeschrieben. Der Gattungsname Kiwa ist zugleich die Bezeichnung für die polynesische Göttin der Krebstiere (die Yeti-Krabbe wurde etwa 1500 Kilometer südlich der Osterinsel entdeckt), der artbezeichnende zweite Teil (Epitheton) des wissenschaftlichen Namens, hirsuta, bedeutet „haarig“. Das Forschungsschiff PAR 5 (Pacific-Antarctic Ridge 5) fuhr im Zeitraum März–April in einer vom MBARI organisierten Expedition zu den besagten hydrothermalen Feldern. Der Krebs wurde mit dem Tauchboot Alvin eingesammelt. Bei der Expedition war nur Michel Segonzac von Ifremer zuteil.

Der dort eingefangene Holotypus befindet sich nun konserviert im Ifremer in Brest.

Entdeckt, aber nicht eingesammelt und beschrieben wurde die Art jedoch schon deutlich früher vom deutschen Forschungsschiff Sonne SO-157 im Jahre 2001[1]. Wegen des eigenartigen Aussehens, das aufgrund der Borsten in gewisser Weise an einen Yeti erinnert, wurde der Krebs so populär, dass in den ersten Woche nach der Entdeckung in Japan Nachbildungen der Yeti-Krabbe auf den Markt kamen.[2]

Belege

Einzelnachweise

  1. J. Stecher & M. Türkay: Cah. Biol. Mar. 43: 271–274
  2. S. 219 von: Claire Nouvian: The Deep – Leben in der Tiefsee. Deutsche Übersetzung der französischen Originalausgabe von 2006, die Übersetzung erschien 2006 bei Knesebeck Verlag, ISBN 3-89660-376-0

Literatur

  • Kiwa hirsuta, in: D. Desbruyères, M. Segonzac & M. Bright: Handbook of deep-sea hydrothermal vent fauna. Herausgegeben vom Biologiezentrum der Oberösterreichischen Landesmuseen 2006, überarbeitete Version der ursprünglichen Auflage; S. 450–451, ISBN 3-85474-154-5
  • E. Macpherson, W.J. Jones & M. Segonzac: A new squat lobster family of Galatheoida (Crustacea, Decopoda, Anomura) from the hydrothermal vents of the Pacific-Antarctic-Ridge. Zoosystema 27 (4): 709–723 Die Publikation als PDF-Datei (enthält Bilder)

Weblinks


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