Klaus-Jürgen Rattay

Klaus-Jürgen Rattay
Gedenktafel vor dem Haus Potsdamer Straße 127, in Berlin-Schöneberg

Klaus-Jürgen Rattay (* 6. Dezember 1962[1] in Kleve am Niederrhein; † 22. September 1981 in Berlin) war ein deutscher Hausbesetzer, der bei einer Demonstration starb.

Inhaltsverzeichnis

Jugend

Rattay war in der Hausbesetzerszene der 1980er Jahre aktiv. Dass in Berlin einerseits Wohnungen leer standen und andererseits Wohnungsknappheit herrschte, rief den Widerstand Betroffener hervor. Es entwickelte sich nicht nur in Berlin eine Szene junger Menschen, die leerstehende Häuser besetzten und bewohnten, um der Wohnungsknappheit auf ihre Weise ein Ende zu bereiten. Die damalige Zeit war von politischen Kontroversen charakterisiert, die von der sogenannten „Instandbesetzer“-Szene und der Polizei auf der Straße ausgetragen wurden. Innensenator Heinrich Lummer propagierte damals eine harte Haltung und sofortige Räumung illegal genutzter leerstehender Häuser.

Nachdem er zuvor eine Berufsausbildung abgebrochen hatte und von zu Hause ausgerissen war, schloss sich Klaus-Jürgen Rattay 1980 der Berliner Hausbesetzerszene an. Zuvor war er drei Monate durch ganz Europa getrampt; nur in Berlin habe er, so in einem ARD-Interview, ein Hausbesetzerklima vorgefunden, das ihm zusagte: „Es ist einfach astrein, wie es hier läuft, echt optimal.“ Angesichts der bevorstehenden Räumung des Hauses, vor dem das Interview gedreht wurde, gab er an: „Ich habe gleichzeitig Angst und Mut zu kämpfen.“[2]

Tod eines Demonstranten

Bei einer Demonstration gegen die Räumung von acht besetzten Häusern („Lummerland ist abgebrannt“), geriet der vermummte Klaus-Jürgen Rattay am 22. September 1981 auf die Fahrbahn, wurde von einem Bus der BVG erfasst und tödlich verletzt. Einige Hausbesetzer behaupteten nach dem Unfall, er sei von der Polizei auf die Fahrbahn gedrängt worden. Diese Aussagen wurden im anschließenden Gerichtsverfahren nicht bestätigt. Der Staatsschutz behauptete seinerseits, Rattay sei mit einem fotografierten Demonstranten identisch, der unmittelbar vor der Räumung in der Winterfeldtstraße Barrikaden mit Benzin angezündet habe.[2] Augenzeugen und Betroffene fanden sich zu einem Schweigemarsch zusammen, hielten eine Mahnwache mit Kerzen ab und legten am nächsten Tag eine Gedenkstätte für ihn an. Auch im Ausland, insbesondere in Amsterdam, kam es in Verbindung mit den Berliner Vorfällen zu Ausschreitungen. Die Berliner Polizei räumte wenige Tage später erneut ein besetztes Haus in der Pohlstraße 59 im Bezirk Tiergarten.

Drei Wochen nach dem Tod Rattays bildete sich eine „unabhängige Untersuchungskommission“, der unter anderen Bundesverfassungsrichter a. D. Martin Hirsch, Professorin Uta Ranke-Heinemann und Pfarrer Jörg Zink angehörten.[3] Nachdem die Ermittlungen noch im Dezember desselben Jahres eingestellt worden waren, bemühten sich die Eltern des Neunzehnjährigen vergebens um Wiederaufnahme des Verfahrens, die im August 1982 abgelehnt wurde.[4]

Nachleben

Der 1981 angelegte Gedenkstein[5] für den Verstorbenen existiert noch heute in der Potsdamer Straße /Ecke Bülowstraße vor einer Commerzbank-Filiale zwischen den Gehwegplatten. Der Sänger Heinz Rudolf Kunze widmete Rattay 1982 das Lied „Regen in Berlin“, das die niedergeschlagene Stimmung unter den Hausbesetzern nach dem tödlichen Vorfall einfängt.

Literatur

Film

  • Häuser, Hass und Straßenkampf: Der Film (Erstausstrahlung im RBB am 25. September 2006) berichtet über den Verlauf der „Hausbesetzer-Bewegung“ 25 Jahre später und enthält die wichtigen Passagen des Panorama-Interviews mit K.J. Rattay einen Tag vor seinem Tod. Das Filmteam besuchte auch den Vater von K.J. Rattay und lässt ihn Näheres von seinem Leben und von seinem Sohn erzählen.
  • Der Tod von Klaus-Jürgen Rattay Ausschnitt aus dem Film Häuser, Hass und Straßenkampf

Weblinks

Einzelnachweise

  1. youtube.com: Videobericht über den Tod von Rattay mit Sterbeurkunde
  2. a b Interview in Panorama, ausgestrahlt von der ARD am 30. September 1981. Zit. nach Besetztes Haus geräumt. In: Frankfurter Rundschau, 1. Oktober 1981.
  3. Vgl. Kommission will Tod bei Räumung in Berlin klären. In: Frankfurter Rundschau, 13. Oktober 1981.
  4. Vgl. Rattay-Akten bleiben zu. In: Frankfurter Rundschau, 28. August 1982.
  5. Sie stehen mit Ihren Füßen darauf. In: der Freitag, 22. September 2006

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