Kleptokratie

Kleptokratie

Als Kleptokratie (Neubildung aus griechisch kléptein, „stehlen“ und krateïn, „herrschen“: „Herrschaft der Plünderer”, „Diebesherrschaft“) wird im engeren Sinn eine Herrschaftsform bezeichnet, bei der die Herrschenden willkürliche Verfügungsgewalt über Besitz und Einkünfte der Beherrschten haben und entweder sich oder ihre Klientel auf Kosten der Beherrschten bereichern. Geprägt wurde der Begriff von Patrick Meney, mit dem er die Zustände in der Sowjetunion am Ende der kommunistischen Ära und in Russland zu Beginn der Jelzin-Ära beschreibt.[1] Kleptokratien sind zumeist auch Diktaturen, häufig in Verbindung mit Nepotismus.

Als Beispiele für Kleptokratien werden u. a. Mobutu Sese Sekos Regierung in Zaire und das Marcos-Regime auf den Philippinen angesehen.

Der Historiker Götz Aly vertritt in seinem Buch Hitlers Volksstaat, das den Begriff „kleptokratisch“ an einer Stelle[2] ausdrücklich verwendet, die These, dass der NS-Staat die Loyalität einer breiten Mittelschicht von 95 % der Deutschen mit Mitteln erkauft hat, die nach seiner Darstellung durch exzessive Besteuerung der Reichen und durch Beraubung der Juden und der Bevölkerung der besetzten Staaten finanziert wurden. Bei Aly betreibt ein Regime Umverteilung zwischen Bevölkerungsschichten. Damit dehnt Aly die Bedeutung des Begriffes über das von Meney gemeinte aus, bei dem Kleptokraten Umverteilung zu sich selbst betreiben. Ein Kennzeichen für Kleptokratien im engeren Sinn ist das Fehlen einer breiten Mittelschicht.

Ein Beispiel für eine extreme Ausweitung des Begriffs sind libertäre und anarchokapitalistische Auslegungen, die jede Art der Steuererhebung als „Kleptokratie“ bezeichnen. Horst Wolfgang Boger meint: „Es versteht sich von selbst, dass solcher Diebstahl und solcher Raub stets legalisiert wird, weshalb man Kleptokratie kurz und einprägsam als politisch motivierten und legalisierten Diebstahl deuten oder definieren kann.“[3] Bei Meney ist Kleptokratie dagegen nicht politisch motiviert, sondern Politik wird zur Bereicherung der Regierenden instrumentalisiert.

Ein Beispiel für die enge und die ausgeweitete Auslegung des Begriffs der Kleptokratie zeigt der Vergleich zwischen den Ölförderländern Nigeria und Norwegen. Hier kann Nigeria als ein Beispiel für eine Kleptokratie im engen Sinn gelten, denn dem größten Teil der Bevölkerung wird die Teilhabe an den Gewinnen des Erdölgeschäftes verwehrt. Nach libertären und anarchokapitalistischen Maßstäben wäre aber auch das ölreiche Norwegen eine Kleptokratie, denn die Regierung legt einen beträchtlichen Anteil der Gewinne aus dem Ölgeschäft in den Aufbau einer gemeinschaftlich genutzten Infrastruktur und in Fonds für zukünftige Verwendungen an, anstatt sie den Bürgern direkt auszuzahlen.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Patrick Meney: La kleptocratie: La delinquance en URSS, 1982
  2. Götz Aly: Hitlers Volksstaat, S. 386 der Taschenbuchausgabe
  3. Horst Wolfgang Boger: „Nomokratie Demokratie Bürokratie KLEPTOKRATIE“, 2004

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