Knautschzone

Knautschzone
Wirkungsweise der Knautschzone: die Fahrgastzelle bleibt intakt (hier beim SLK)
Intakte Fahrgastzelle nach seitlich versetztem Frontaufprall

Als Knautschzone bezeichnet man diejenigen Bereiche eines Fahrzeugs, die sich im Falle einer Kollision verformen und so Energie absorbieren. Bekannt geworden ist der Begriff zuerst in der Automobiltechnik, danach hat er auch in anderen Bereichen, wie beispielsweise Schienenfahrzeugen oder beim Flugzeugbau Eingang gefunden. Die Knautschzone geht auf eine 1952 patentierte Idee des Ingenieurs Béla Barényi zurück; das erste Fahrzeugmodell mit Knautschzone war der Mercedes-Benz W 111 („Heckflosse“) von 1959.

In den Anfängen des Automobilbaus wurden die Fahrzeuge möglichst steif konstruiert, so dass bei einer Kollision mit einem Hindernis oder einem anderen Fahrzeug oft nur geringe Verformungen am Auto selbst auftraten (Rahmenbauweise). Daraus folgend wurden die Insassen enormen Verzögerungen ausgesetzt. Die Idee der Knautschzone zielt auf die Verringerung der auf die Insassen einwirkende Beschleunigung ab und lässt sich aus der Gleichung für die Arbeit herleiten.

Im Crashfall wird die im Fahrzeug gespeicherte kinetische Energie in Verformungsenergie umgewandelt. Die dabei verrichtete Arbeit (Energieänderung) ist das Integral der Kraft über dem zurückgelegten Weg:

W  = \int \mathbf F\,\mathrm{d}\mathbf x\,.

Ersetzt man nun die Kraft F durch das Produkt von Masse (m) und Beschleunigung (a), ergibt sich

W  = \int \mathbf m*a\,\mathrm{d}\mathbf x\,.

bzw.


W=\mathbf m*a \cdot \mathbf s\,.

Die zu verrichtende Arbeit (W) sowie die Masse (m) sind abhängig vom Fahrzeug und dessen Aufprallgeschwindigkeit und somit konstant. Wird die Strecke s der Energieumwandlung vergrößert, muss zwangsläufig die Beschleunigung a kleiner werden, um die Gleichheit zu wahren.

Deformationszonen (Knautschzonen)

Knautschzone nach einem Unfall

Die Deformationszonen eines Automobils kann man in die Bereiche Fahrzeugfront, Seite und Heck einteilen.

  • Front: Bei Frontalkollisionen treten üblicherweise die höchsten Relativgeschwindigkeiten zum Hindernis auf, weshalb der Gestaltung des Vorderwagens die größte Bedeutung zukommt. In den meisten Automobilen liegt in diesem Bereich der Motor, der trotz der hohen auftretenden Kräfte praktisch nicht verformbar ist und somit keine Energie aufnimmt. Den Großteil der Energie absorbieren die Längsträger, die üblicherweise als Hohlprofile aus Stahlblech aufgebaut sind. Unter anderem durch Querträger wird bei ungleichmäßiger Krafteinleitung (Offset-Crash, Fahrzeug trifft nur mit einem Teil des Vorderwagens auf ein Hindernis) eine möglichst gleichmäßige Verteilung der Kräfte auch auf Strukturen der stoßabgewandten Seite erreicht.
  • Seite: Bei einem Aufprall von der Seite steht nur ein sehr geringer Deformationsweg zur Verfügung, und gleichzeitig wird die Struktur hauptsächlich auf Biegung beansprucht, was beides unvorteilhaft für die Energieabsorption ist. Der Seitenaufprall ist also die kritischste Aufprallform. In der Tür befinden sich Teile wie Lautsprecher, Fensterhebe- und Türschließmechanismen. Um ein Eindringen dieser Teile in den Fahrgastraum zu verhindern wird eine entsprechende Türinnenverkleidung eingesetzt. Seitenairbags wirken als innere Deformationszone zwischen Passagier und Seitenwand.
  • Heck: Der Heckaufprall ist recht unproblematisch, da die Relativgeschwindigkeiten zum Hindernis üblicherweise eher gering sind und ein großer Deformationsweg frei von störenden Elementen wie z. B. einem Motorblock vorliegt. Einzig der Kraftstofftank liegt normalerweise im Heck. Um die gesetzlich vorgeschriebene Dichtheit der Kraftstoffanlagen zu erreichen, wird der Tank möglichst weit vorn und unten angeordnet, oft unter der Rücksitzbank.
schematische Skizze Crashtube

In modernen Automobilen ist die Karosserie gezielt auf Crashverhalten ausgelegt. Das Fontent kann man grob in drei Zonen einteilen:

  • Der erste Bereich ist darauf ausgelegt, bei Kollisionen mit geringen Geschwindigkeiten, z. B. bei Parkremplern, bleibende Schäden am Fahrzeug zu verhindern. Dies wird durch elastische Elemente, wie unter anderem der Frontschürze, erreicht. Bei manchen Fahrzeugen wird dazu der Stoßfänger mit Schaum oder ähnlichen elastischen Stoffen gefüllt.
  • Der zweite Bereich soll bei weniger schweren Kollisionen (bis ca. 20 km/h) dafür sorgen, dass die tragende Struktur des Fahrzeug nicht beschädigt wird und eine Reparatur möglichst kostengünstig durchgeführt werden kann. Dazu werden unter anderen sogenannte Crashtubes eingesetzt. Diese bestehen aus einem hohlen Stahlprofil, welches die auftreffende Energie durch Aufrollen des Profils umwandeln. Im Bild ist links die unverformte, rechts die aufgerollte Crashtube zu sehen.
  • Der dritte Bereich ist der sogenannte Überlebensraum, welcher maximal Steif ausgelegt ist, um bei das Überleben der Insassen zu sichern.

Die Zonen 1 und 2 fallen demnach unter die Kategorie Knautschzone.

Kompatibilität

Unter Kompatibilität versteht man den Versuch, auch bei ungleichen Unfallgegnern (z. B. schwere Limousine gegen Kleinwagen, aber auch Auto gegen Fußgänger/Fahrradfahrer usw.) das Verletzungsrisiko für alle Beteiligten niedrig zu halten. Vereinfacht gesprochen funktioniert das nach dem Grundsatz: je größer und schwerer das Fahrzeug, desto weicher die Deformationszonen. Das führt dazu, dass z. B. bei der Kollision eines schweren, größeren Fahrzeuges mit einem Kleinwagen, das schwerere Fahrzeug den größeren Teil der Energie aufnimmt und sich dabei mehr verformt. Das schwerere Fahrzeug absorbiert dabei den größeren Teil der kinetischen Energie beider Fahrzeuge, da ihm in der Regel ein erheblich größerer Deformationsweg zur Verfügung steht. So ist für die Insassen des kleineren Fahrzeuges das Verletzungsrisiko gegenüber den Unfallteilnehmern im schweren Wagen nicht deutlich erhöht. Diese Entwicklung ist jedoch relativ neu.

Größere öffentliche Aufmerksamkeit bezüglich der ungleichen Masseverhältnisse von Fahrzeugen verschiedener Klassen bei einem Unfall erzeugte ein Crashtest Mitte der 1990er Jahre, bei dem eine Limousine der Mercedes-Benz S-Klasse (W 140) mit einem Opel Corsa kollidierte. Nach dem Frontalcrash mit 50/50 Überdeckung der Fahrzeuge zeigten sich an der S-Klasse nur marginale Verformungen, während die Knautschzone des Corsas komplett zusammenbrach und Beschädigungen an der Fahrgastzelle nach sich zog. Als Reaktion auf diese Testergebnisse passte Mercedes seinen Insassenschutz an die Kompatibilität und Anforderungen von Kollisionen mit kleineren Fahrzeugen umfassend an.


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