Konrad Henlein

Konrad Henlein
Konrad Henlein
Nach dem Anschluss des Sudetenlandes, zwischen Franzensbad und Eger am 3. Oktober 1938 Von rechts: Wilhelm Keitel, Konrad Henlein, Adolf Hitler, Walter von Reichenau, SS-Chef Heinrich Himmler und Heinz Guderian, im Vordergrund Günther von Kluge

Konrad Henlein (* 6. Mai 1898 in Maffersdorf, Österreich-Ungarn; † 10. Mai 1945 in Pilsen, Tschechoslowakei) war ein sudetendeutscher Politiker in der Tschechoslowakei, später Nationalsozialist und SS-Obergruppenführer.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Konrad Henlein wurde als Sohn des Buchhalters Konrad Henlein und dessen Frau Hedwig geboren, die ihrerseits die Tochter eines Tschechen und einer „Deutsch-Böhmin“ war.[1] Als Henlein am 26. Januar 1939 seinen Aufnahme-Antrag in die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei stellte, gab er jedoch zur Volkszugehörigkeit der Mutter an, dass diese „deutscher Volkszugehörigkeit“ sei und dass ihr Geburtsname „Dworatschek“ laute.[2] Doch erst am 18. April 1941 wurde augenscheinlich die bis dahin bestehende tschechische Namensform der Mutter, Hedvika Augusta Dvořáčková, auch offiziell in den Namen „Hedwig Auguste Dworatschek“ germanisiert.[1]

Zeit vor dem Nationalsozialismus

Der gelernte Bankangestellte Henlein trat 1916 in die österreichisch-ungarische Armee ein, nahm am Ersten Weltkrieg teil und geriet 1918 in italienische Kriegsgefangenschaft. Nach seiner Rückkehr im Jahre 1919 war er zunächst ehrenamtlich in der deutschnationalen Turnbewegung tätig, 1925 übernahm er eine Turnlehrerstelle in Asch. Nachdem er 1931 Führer des Sudetendeutschen Turnerbundes geworden war, versuchte er, die Turnbewegung als politische Kraft auszubauen.

Am 1. Oktober 1933 gründete Henlein in Eger die „Sudetendeutsche Heimatfront“ (SHF). DNSAP und Deutsche Nationalpartei hatten sich kurz zuvor aufgelöst, um einem Verbot durch die tschechoslowakische Regierung zuvorzukommen. Es beteiligten sich viele ehemalige Funktionäre und Politiker dieser Parteien an der Gründung der neuen Bewegung. Die SHF fand unter den Deutschen in Böhmen rasch eine breite Basis, obgleich bis Mitte der 1930er Jahre die sozialdemokratische und die kommunistische Partei mehr Anhänger hatten.

Henlein äußerte sich in seinen Reden zunächst im Sinne einer aktivistischen Politik; er betonte seine Loyalität zum tschechoslowakischen Staat, innerhalb dessen er die Mitbestimmungs- und Selbstverwaltungsrechte der deutschen Minderheit stärken wolle. Unter Historikern ist bis heute umstritten, inwieweit es sich hierbei um Überzeugung oder – wie von Henlein später behauptet – um taktisches Verhalten gehandelt hat.[3]

Am 19. April 1935 musste sich die SHF in Sudetendeutsche Partei (SdP) umbenennen. Diese wurde in den Folgejahren mit massiver Unterstützung der NSDAP systematisch ausgebaut. Bei den Wahlen 1935 gewann die SdP 44 der 66 deutschen Sitze im Prager Parlament und wurde so zur stärksten Partei der damaligen Tschechoslowakei. Im November 1937 unterwarf sich Henlein in einem Schreiben an Hitler dessen expansiver Politik - möglicherweise nachdem Agenten aus Berlin eine Revolte in der SdP gegen ihn angezettelt haben.[3] Ziel war ab diesem Zeitpunkt unverhohlen der Anschluss der Sudetengebiete an das nationalsozialistische Deutsche Reich.

Zwischen dem 12. und 13. September 1938 startete Henlein den „Ersten Septemberaufstand“, den Versuch eines Staatsstreiches in den Grenzbezirken. Diese Rebellion wurde aber durch die tschechoslowakische Polizei und Armee rasch erstickt. Die SdP, die noch am 11. September in Gesprächen mit der Regierung stand, wurde verboten. Die gesamte SdP-Führung flüchtete nach Deutschland, wo Henlein die Bildung des „Sudetendeutschen Freikorps“ veranlasste, dessen Kommandeur er wurde. Dieses „Sudetendeutsche Freikorps“ wurde organisatorisch den SS-Totenkopfverbänden unter Theodor Eicke zugeordnet und Ende 1938 von diesen eingegliedert.

Am 21. September 1938 kam es zum „Zweiten Septemberaufstand“, der im Bezirk Asch (dem westlichsten Grenzbezirk der Republik) begann. Weil die tschechoslowakische Regierung eine Provokation Hitlers mit dem Ziel, die tschechoslowakische Seite zu Kriegshandlungen hinzureißen, fürchtete, verhielten sich Polizei und Militär passiv. Bis zum 23. September gelang es der SdP-Guerilla, den gesamten Bezirk Asch zu beherrschen. Am 30. September wurde das Münchner Abkommen geschlossen, vor dem die tschechoslowakische Regierung kapitulierte. Am nächsten Tag okkupierte die deutsche Wehrmacht etwa ein Drittel des tschechischen Landesteils. Nach dem Münchner Abkommen war Henlein zunächst Reichskommissar für die sudetendeutschen Gebiete und erhielt am 9. Oktober 1938 die Befugnis, die Uniform eines SS-Gruppenführers zu tragen; er war nun SS-Ehrenführer und politisch dem „Stab RFSS“ unterstellt. Er stellte im Januar 1939 seinen NSDAP-Aufnahmeantrag und erhielt die Mitgliedsnummer 6.600.001. Wenig später trat er auch der SS aktiv bei (Mitgliedsnummer: 310.307) und wurde am 21. Juni 1943 zum SS-Obergruppenführer befördert.

Nationalsozialismus

Henlein (ganz rechts) im Sep. 1939 in Polen, während Hitler und Himmler eine erbeutete Regimentsfahne der polnischen Armee begutachten.

Mit der Errichtung des Reichsgaus Sudetenland am 15. April 1939 wurde er zum Reichsstatthalter und Gauleiter berufen. Während des Zweiten Weltkrieges trat er kaum noch politisch in Erscheinung. Von Heydrich, dem Leiter des Reichssicherheitshauptamtes, soll er für unzuverlässig befunden worden sein. Eine Ablösung scheiterte jedoch am engen Verhältnis Henleins zu Hitler. Offenbar war Henlein jedoch weitgehend entmachtet, arbeitete eine zeitlang als britischer Spion und pflegte konspirative Kontakte mit Wilhelm Canaris.[3][4]

Henlein beging in amerikanischer Gefangenschaft am 10. Mai 1945 Suizid durch Aufschneiden der Pulsadern.

Literatur

Weblinks

 Commons: Konrad Henlein – Album mit Bildern und/oder Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. a b Ralf Gebel: „Heim ins Reich!“: Konrad Henlein und der Reichsgau Sudetenland (1938–1945), München 1999, S. 43. Auszug auf Google Books
  2. NS-apologetisch: Karl Höffkes: Hitlers politische Generale. Die Gauleiter des Dritten Reiches, Gabert Verlag, Tübingen 1997, S. 139-141
  3. a b c Heinz Höhne: „Kohen“ ist nicht zu fassen - Zwei Studien über Konrad Henlein - Spion der Briten und Gauleiter des Sudetenlandes. In: Die Welt-Online vom 21. August 1999
  4. Janus: The Papers of Group Captain Malcolm Christie

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