Konzentrationslager Gusen II

Konzentrationslager Gusen II

Das Konzentrationslager Gusen II wurde ab dem 9. März 1944 verwaltungsmäßig als "Arbeitslager der Waffen-SS" geführt. Dieses Lager wurde ab Jahresbeginn 1944 wenige hundert Meter westlich des Konzentrationslagers Gusen I im Gemeindegebiet von Langenstein (Oberösterreich) improvisiert errichtet um bis zu 16.000 Häftlinge für den Bau und den Betrieb des unterirdischen Flugzeugwerkes B8 Bergkristall aufzunehmen. Die Lebens- und Arbeitsbedingungen in den Kommandos dieses Lagers zählten zu den schrecklichsten innerhalb des nationalsozialistischen Systems. Ein Teil der Häftlinge wurde direkt aus dem KZ Auschwitz ins KZ Gusen II deportiert. Die durchschnittliche Lebenserwartung der Häftlinge betrug etwa vier Monate. Mehrere tausend Häftlinge des KZ Gusen II wurden im Frühling 1945 auch in das sogenannte Sanitätslager beim KZ Mauthausen gebracht, um dort getötet zu werden.

Inhaltsverzeichnis

Besonderheiten

Opfer der KL Gusen werden nach der Befreiung durch Einheimische zu Massengräbern gebracht.

Lebens- und Arbeitsbedingungen

Das Lager Gusen II galt wegen der Lebens- und Arbeitsbedingungen für die Inhaftierten als das schlimmste des Lagersystems Mauthausen/Gusen. Die zum Großteil ab 1944 aus Auschwitz deportierten und überlebenden Häftlinge bezeichneten es als "Hölle aller Höllen". Die Verhältnisse im Lager waren äußerst primitiv, verschmutzt und es herrschten katastrophale hygienische Verhältnisse. Teilweise standen keine Betten, Kleidung oder sauberes Trinkwasser zur Verfügung, Epidemien kamen vor. Die Wachmannschaft setzte sich zu einem großen Teil aus (ca. 2000) Luftwaffenangehörigen zusammen, die verstärkt ab Sommer 1944 auf höchsten Befehl zwangsweise in die Waffen-SS übernommen wurden.Der Einsatz krimineller Funktionshäftlinge verschärfte die Situation. Die jüdischen Gefangenen wurden in einem separaten „Judenlager“ untergebracht.

Methoden der Massenvernichtung

Neben der Überstellung von Inhaftierten zur Vernichtung in das sogenannte „Sanitätslager“ Mauthausen, starben viele der Häftlinge an Hunger, Durst, Seuchen und Epidemien. Zum Teil wurden die Gefangenen mit Äxten und Knüppeln totgeschlagen, in Wassertonnen ertränkt oder wurden gezielt durch Erfrieren getötet, sowohl in Gefrierwaggons der Eisenbahn, im Winter auch im Freien.

Strategische Bedeutung und Befreiung

Das Lager wurde als Arbeitslager zur Errichtung von B8 Bergkristall und als "Block E" des KZ Gusen I verwaltet. Um Zeugen und Geheimnisträger zu vermeiden, sollten nach Plänen Himmlers alle Häftlinge der KL Gusen II und I und dem KL Mauthausen bei Kriegsende in den umfangreichen Stollenanlagen von B8 Bergkristall und Kellerbau zu Tode gesprengt werden.

Am 2. Mai 1945 erfuhr der IKRK-Delegierte Louis Häfliger im Gespräch mit SS-Obersturmführer Guido Reimer, dem Leiter der Spionage- und Sabotage-Abwehr im Lager, von Himmlers mörderischen Plänen und entschied, alles in seiner Macht stehende zu tun, um die Sprengung der Stollen und die Ermordung der Insassen zu verhindern. Am 4. Mai strich Häfliger mit Unterstützung Reimers ein SS-Fahrzeug weiß an und stattete es mit einer Rotkreuz-Fahne aus. In den frühen Morgenstunden des folgenden Tages fuhren Häfliger und Reimer mit einem Fahrer in die Umgebung, um nach alliierten Truppen zu suchen. Mit der Unterstützung des Vizebürgermeisters von St.Georgen/Gusen trafen sie auf eine Patrouille von 23 Soldaten der 11. Panzerdivision der 3. US-Armee unter dem Kommando von Sergeant Albert J. Kosiek. Häfliger überzeugte den Kommandanten davon, das Lager zu befreien, und veranlasste über Reimer die Deaktivierung der Sprengladungen in St. Georgen und Gusen. Die Angaben zur Zahl der geretteten KZ-Insassen variieren je nach Quelle zwischen 40.000 und 60.000 Menschen.

Funktionselemente

Häftlingslager (1944-1945)

Die Unterbringung der Häftlinge erfolgte in insgesamt 18 Blocks, die nach und nach errichtet wurden und die von einem elektrischen Zaun mit Wachtürmen aus Holz umgeben war. Innerhalb des Häftlingslagers gab es einen Waschblock für die bis zu 16.000 Häftlinge, sowie eine Häftlingsküche. Die beiden Krankenstationen (Reviere) waren ab Ende 1944 in Block 13 und ab Jänner 1945 in Block 16 untergebracht.

SS-Infrastruktur (1944-1945)

Für die Wachmannschaften der Schutzstaffel standen 4 Unterkunftsgebäude zur Verfügung, die Lagerleitung war im Kommandogebäude untergebracht. Für den für täglichen Transfer nach St. Georgen existierte ein Bahnanschluss sowie ein Fußweg, der parallel zur sogenannten „Schleppbahn“ verlief.

Arbeitskommandos der Häftlinge

Für die von der SS gegründete Deutsche Erd- und Steinwerke GmbH (DEST), einer Kooperation zwischen Reichsluftfahrtministerium, Reichsführer-SS und der Messerschmitt GmbH Regensburg wurden verschiedene Häftlingsgruppen, die „Kommandos“ eingesetzt. Im Bau der Anlage Bergkristall waren die Kommandos aufgeteilt in Ausbau, Bahnhof, Beton, Elektriker, Geometer, Lagerplatz, Möglegrube, Pötschgrube, Stollenbau und das Kommando Transportkolonne. Für die Fertigung in der Bergkristall-Anlage wurden die Kommandos Behälter-Aufrüstung, Punktschweisserei, Rumpfbau, Schlosserei und das Kommando Wannenbau eingesetzt.

Schlüsselpersonal

Das Schlüsselpersonal des Lagers umfasste die dem Schutzhaftlagerführer I des KL Gusen I, SS-Hauptsturmführer Fritz Seidler unterstellte Kommandantur, die bis März 1945 von SS-Hauptscharführer Franz Gottfried Schulz und ab April 1945 SS-Hauptsturmführer Max Pausch geleitet wurde. Ihnen unterstellt waren der Rapportführer SS-Obersturmführer Richard Bendel (1944-1945) und die Funktionshäftlinge. Diese wurden durch den Lagerkapo Hans van Loosen angeführt, der Lagerschreiber I (Verwaltung) war Leitzinger, der Lagerschreiber II (Arbeitseinsatz) war bis Jänner 1945 Franz Gruschka und ab Jänner 1945 Antoni Lisiecki. Der Blockwart des Lagers war Karl Albrecht.

Siehe auch

Literatur

  • Bernard Aldebert: Gusen II - Leidensweg in 50 Stationen. Elisabeth Hölzl (Hrsg. und Übers.). Bibliothek der Provinz, Weitra 1997, ISBN 3-85252-145-9
  • Rudolf A. Haunschmied, Jan-Ruth Mills, Siegi Witzany-Durda: St. Georgen-Gusen-Mauthausen - Concentration Camp Mauthausen Reconsidered. BoD, Norderstedt 2008, ISBN 978-3-8334-7440-8

Weblinks

48.25957777777814.4600277777787Koordinaten: 48° 15′ 34″ N, 14° 27′ 36″ O


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