Kreditklemme

Kreditklemme

Kreditklemme (engl. Credit crunch) ist die Bezeichnung für den von anderen Marktteilnehmern wahrgenommenen Attentismus der Kreditinstitute, dem Nichtbankensektor abhängig vom Zinssatz und von der Wirtschaftlichkeit der Investitionsvorhaben Kredit zu gewähren. Der extremste Fall einer Kreditklemme ist die Liquiditätsfalle.

Inhaltsverzeichnis

Entstehungsgeschichte des Begriffs

Der Begriff ist nicht erst in der Finanzkrise 2007 entstanden. Limitierungen des Kreditangebots durch Kreditinstitute sind nicht untypisch für wirtschaftliche Rezessionsphasen, weil damit meist erhöhte Kreditrisiken einhergehen. Auch hohe Kreditzinsen, die meist auf die Zinspolitik der Zentralbanken zurückzuführen sind, resultieren in einer Dämpfung des Kreditvolumens, weil hohe Kreditzinsen in Verbindung mit erhöhten Einkommensrisiken oft die Belastungsgrenze der Kreditnehmer überschreiten. Soweit ersichtlich, titelte die Financial Times Deutschland in ihrer Ausgabe vom 22. August 2002 mit der Überschrift „Wirtschaft in der Kreditklemme" (S. 22) erstmals mit dem Begriff im deutschsprachigen Raum. Am 4. Juni 2003 sah die Bundesbank „keine Anzeichen für eine Kreditklemme in Deutschland“[1] [2].

Definitionsproblematik

Eine allgemein gültige Definition des Begriffs Kreditklemme gibt es nicht. Für das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) liegt eine Kreditklemme dann vor, wenn das Kreditangebot der Banken niedriger ist als auf Grund der Zinsen und der Wirtschaftlichkeit der Investitionsvorhaben zu erwarten wäre[3]. Auch die Bundesbank stellt angebotsorientierte Kriterien in den Vordergrund. Im Monatsbericht für Januar 2009 schreibt sie hierzu, dass „eine angebotsseitige Kreditverknappung in der Breite des Bankensystems sich aus den BLS-Angaben für Deutschland aber derzeit nicht ableiten (lässt)“[4]. Der Bundesbank zufolge haben die im Rahmen des Bank Lending Survey (BLS) befragten 30 deutschen Institute ihre Angebotsbedingungen im Kreditgeschäft mit Unternehmen jedoch aktuell verschärft. Auch wenn die Kreditstatistik 2009 keine Hinweise auf eine Kreditklemme in Deutschland gibt, wird die Gefahr einer Kreditklemme in der Politik diskutiert. Als Gegenmaßnahme hat die Bundesregierung im November 2009 einen Kreditmediator benannt.

BLS-Umfrage

Ziel der BLS-Umfrage ist es, qualitative Informationen insbesondere über das Kreditvergabeverhalten der befragten Banken zu gewinnen. Entsprechend steht die Veränderung der Kreditstandards oder -richtlinien für Ausleihungen an den Nichtbankensektor im Mittelpunkt des Interesses. Wie die Bundesbank schreibt, folgte in Deutschland auf die Verschärfung der Kreditrichtlinien[5] zu Beginn der Umfrage (2003) eine längere Phase der Lockerung, die bis Mitte 2007 anhielt. Vor dem Hintergrund der seitdem angespannten Situation an den Finanzmärkten hätten die befragten deutschen Institute mittlerweile vor allem im Kreditgeschäft mit Unternehmen teilweise merkliche Verschärfungen ihrer Angebotskonditionen vorgenommen.

Durch die Bundesbank werden auch die Bestimmungsfaktoren der Kreditvergabeentscheidung erfragt. Dazu gehören neben der Risikoeinschätzung seitens der befragten Institute auch der Einfluss der – aktuell besonders bedeutsamen – Refinanzierungskosten am Geld- oder Anleihemarkt und möglicher bilanzieller Restriktionen sowie Angaben zur Wettbewerbsintensität. Daneben machen die Umfrageteilnehmer Angaben zu dem von ihnen beobachteten Mittelbedarf privater Haushalte und nichtfinanzieller Unternehmen. Dabei spielt die Entwicklung der Kreditrichtlinien (Kreditstandards) im BLS eine zentrale Rolle für das Verständnis des Kreditangebotsverhaltens der beteiligten Banken. In der Umfrage sollten Änderungen der schriftlich fixierten Kreditpolitik zusammen mit Änderungen in ihrer Anwendung betrachtet werden. Seit Beginn der Turbulenzen an den Finanzmärkten gaben die befragten deutschen Institute jedoch an, im Kreditgeschäft mit Unternehmen teilweise merkliche Verschärfungen ihrer Standards vorgenommen und die Lockerung der Richtlinien für Kredite an private Haushalte nicht weiter fortgesetzt zu haben.

Derzeit liefert der BLS gewisse Hinweise auf angebotsseitige restriktive Effekte auf die Kreditentwicklung. So spielten Refinanzierungskosten und bilanzielle Restriktionen (mark-to-market-Bewertung der Aktiva) eine wichtige Rolle für die Entwicklung der Kreditstandards seit Beginn der Finanzmarktkrise. Hinzu kamen jedoch in der letzten vorliegenden Umfragerunde, in der die Vergabebedingungen besonders kräftig angepasst wurden, der Einfluss der verschlechterten allgemeinen Konjunktursituation sowie die zunehmende Bedeutung branchen- und firmenspezifischer Entwicklungen. Eine Verschärfung der Kreditstandards in konjunkturellen Schwächephasen stelle jedoch keine untypische Reaktion des Angebotsverhaltens dar[6]. Die Ergebnisse des BLS haben insgesamt einen wichtigen Erklärungsbeitrag zum Kreditangebotsverhalten geleistet[7].

Bestimmungsfaktoren

Wenn das angebotene Kreditvolumen sinkt, so kann dies auf mehrere Ursachen (isoliert oder kombiniert) zurückzuführen sein:

  • Die Liquiditätslage der Kreditinstitute verschlechtert sich, sodass ihnen die Refinanzierung für zusätzliche Kreditgewährungen fehlt.
  • Die Risikotragfähigkeit der Kreditinstitute verschlechtert sich stark, sodass sie keine zusätzlichen Risiken tragen können. Dies kann folgende Ursachen haben:
    • Verluste zehren das Eigenkapital der Kreditinstitute auf.
    • Kreditversicherungen (z.B. Credit Default Swaps) erweisen sich als wertlos, sodass die hiermit besicherten Kredite mit Eigenkapital unterlegt werden müssen, das dann zur Unterlegung von zusätzlichen Kreditrisiken nicht mehr zur Verfügung steht.
    • Die Bonitätslage der potenziellen Kreditnehmer verschlechtert sich, sodass dennoch gewährte Kredite mit einem erhöhten Kreditrisiko verbunden wären. Mit gegebenem Eigenkapital können nur noch weniger Kredite gegeben werden.
    • Die Kreditinstitute sind bei verschlechterter Liquiditätslage nicht bereit, Inkongruenzen (also liquiditätsmäßig nicht oder nicht deckungsgleich refinanzierte Kredite) hinzunehmen, da ihr Eigenkapital die Zinsänderungsrisiken nicht tragen kann.
    • Gesetzliche oder sonstige bankaufsichtsrechtliche Restriktionen wirken sich auf die Kreditvergabepolitik der Kreditinstitute aus, wenn diese Restriktionen höhere Anforderungen an die Eigenmittelunterlegung stellen.
  • Kreditinstitute bevorzugen andere Risiken als Risiken aus der Kreditgewährung, wenn erstere lukrativer sind (z.B. Finanzderivate).

Das nachgefragte Kreditvolumen kann z.B. sinken,

  • wenn Kreditnehmer aufgrund pessimistischer Prognosen keine Investitionen planen und ihre Betriebsmittel zurückführen.
  • wenn die Liquiditätslage der Kreditnehmer ausreichend ist.
  • wenn die vorhandenen Kreditnehmer nicht bereit oder in der Lage sind, die erhöhten Besicherungsanforderungen der Kreditinstitute zu erfüllen. Dazu gehört auch die erhöhte Anforderung an die Werthaltigkeit von banküblichen Sicherheiten.
  • wenn die potenziellen Kreditnehmer nicht bereit oder in der Lage sind, die erhöhten Bonitätsanforderungen der Kreditinstitute zu erfüllen.

Bonitätslage der Kreditnehmer

Wenn sich die Bonität vieler Kreditnehmer verschlechtert – warum auch immer – wirkt sich dies auf die Kreditvergabepolitik der Banken aus. Bei unveränderter Risikobereitschaft sind dann die Kreditinstitute tendenziell nur zu restriktiverer Kreditgewährung bereit und diskriminieren stärker zwischen akzeptabler und nicht akzeptabler Bonität. Ein möglicher Ausweg für Kreditnehmer ist die verstärkte Inanspruchnahme von Lieferantenkrediten.

Besicherungsanforderungen

Bei unveränderter Risikobereitschaft sind die Institute nur dann bereit, Kunden mit verschlechterter Bonität Kredite zu gewähren, wenn diese Sicherheiten stellen oder bestehende Sicherheiten verstärken. Insbesondere in konjunkturellen Schwächephasen steigen auch die Anforderungen der Banken an die Werthaltigkeit vorhandener oder angebotener Kreditsicherheiten.

Liquiditätslage

Kreditgewährungen müssen durch die Kreditinstitute refinanziert werden. Dabei stehen den Instituten grundsätzlich vier Quellen zur Verfügung:

  • Erhöhung der Spar-, Termin- und Sichteinlagen von Nichtbanken
  • Erhöhung der Interbankeinlagen
  • Begebung von Bankschuldverschreibungen
  • Geldaufnahmeformen bei der Bundesbank/EZB.

Die Erhöhung der Einlagen von Nichtbanken und die Begebung von Schuldverschreibungen hängt von der Liquidität der relevanten Märkte ab und kann durch die Institute nur sehr begrenzt beeinflusst werden. Das trifft auch für Interbankeinlagen (also Ausleihungen der Kreditinstitute untereinander) zu. Kommt es bei diesen Refinanzierungsquellen zu Restriktionen, bleibt die Geldaufnahme bei der Zentralbank als einzige Quelle übrig. Es war deutlich erkennbar, dass Interbankeinlagen seit der Insolvenz der Lehman Brothers im September 2008 kaum noch als bedeutende Refinanzierungsquelle in Betracht kommen.

Schuldendeckungsfähigkeit

Jeder Betrieb und damit auch jeder Bankbetrieb muss seine Schulden decken können. Dies ist eine allgemeine Anforderung der Insolvenzordnung. Für Banken ist diese Anforderung durch bankaufsichtsrechtliche Vorgaben konkretisiert.

Da der Bestand an Eigenkapital die Kreditvergabefähigkeit von Banken bestimmt (Engpassfaktor), beeinflusst dieser im Zusammenspiel mit den gesetzlichen Restriktionen und/oder bankaufsichtsrechtliche Vorgaben die Kreditvergabepolitik der Institute. Das ist verstärkt durch die seit Januar 2007 geltende Solvabilitätsverordnung der Fall. Sie zielt unter anderem darauf ab, das individuelle Kreditrisiko intensiver bei der Unterlegung mit Bankeigenkapital zu berücksichtigen und individueller zu gewichten.

Aufsichtsrechtlich von besonderer Bedeutung ist die Kernkapitalquote, deren Höhe nicht nur von der absoluten Höhe des anerkennungsfähigen Eigenkapitals abhängt, sondern vor allem von den risikogewichteten Aktiva, also insbesondere Kreditbeständen. Verschlechtert sich das Rating innerhalb der risikogewichteten Aktiva bei sonst unveränderten Verhältnissen, dann vermindert sich auch die Kernkapitalquote, ohne dass es zu einer Erhöhung des Kreditvolumens gekommen ist.

Die Gesetzeslage ist als exogener Faktor von den Instituten hinzunehmen und bei der Kreditvergabe umzusetzen. Sind nun derartige Gesetze prozyklisch wie die Solvabilitätsverordnung, dann verschärfen sie in der Krise die Kreditsituation überproportional. Andererseits können hohe bankaufsichtliche Anforderungen die finanzielle Widerstandsfähigkeit der Kreditinstitute in der Krise fördern.

Solvabilitätsverordnung

Die SolvV schreibt umfangreiche Kreditkontingentierungen vor, die sich aus dem individuellen Rating der Kreditnehmer, der Kreditart und den Kreditsicherheiten ergeben. Sie zielt insbesondere auf flexible und risikosensitive Methoden zur Erfassung und Unterlegung von Kreditrisiken ab. Bei Konjunkturrückgängen werden die Anforderungen an Eigenkapitalunterlegung erhöht, obwohl zur Belebung der Konjunktur die Erhöhung des Kreditangebots erforderlich wäre. In konjunkturell guten Zeiten werden wiederum die Unterlegungspflichten infolge von Heraufstufungen der Schuldner gemindert. Die Eigenkapitalvorschriften wirken also prozyklisch, denn sie verstärken gute wie auch schlechte Phasen.[8] [9] Diese prozyklische Wirkung ist mit der Gefahr verbunden, dass die Banken in der Rezession oder gar ausgeprägten Konjunkturkrisen tendenziell zu wenig Kredite vergeben und in Boomjahren möglicherweise zu leichtfertig Darlehen gewähren.

Die vorgenommenen Rating-Herabstufungen der Kreditnehmer mindern die Kernkapitalquote. Um die Kernkapitalquote wieder zu erhöhen, müssen die Kreditinstitute entweder die Risikoaktiva verringern oder das Kernkapital vergrößern. Vor diesem Hintergrund besteht insbesondere die Gefahr, dass die Kreditinstitute die Anzahl und die Höhe der Unternehmenskredite (Adressrisiken) insgesamt verringern könnten. Dadurch würde sich der Nenner bei der Berechnung der Kernkapitalquote verkleinern und die Eigenmittelquote bzw. insbesondere die Kernkapitalquote des Kreditinstituts würde sich wieder erhöhen.

Geringere Kreditnachfrage

Nachfragebedingte Rückgänge des Kreditvolumens sind kein Kriterium für eine Kreditklemme. Dieser exogene Faktor resultiert ausschließlich aus dem Nachfrageverhalten der Kreditnehmer, das von Nachfragefaktoren wie Bruttoinlandsprodukt und Investitionsquote beherrscht wird. Dahinter steht die Vorstellung, dass Unternehmen im Abschwung aus eigenem Antrieb weniger Kredit nachfragen, weil etwa notwendige Investitionen aufgeschoben werden. Aus den aktuellen Daten kann dann geschlossen werden, ob die Veränderung der Kreditvergabe allein aus der verringerten Kreditnachfrage resultiert oder aus einer Verweigerung der Anbieter.

Zwischenergebnis

Die bisherigen Ergebnisse zeigen, dass eine Kreditklemme nur dann vorliegt, wenn die Kreditinstitute trotz akzeptabler Bonität eines potenziellen Kreditnehmers nicht bereit oder in der Lage sind, Kredite zu gewähren. Keine Kreditklemme liegt mithin vor, wenn eine Kreditvergabe nur an der schlechten Bonität oder an mangelnden Sicherheiten eines Kreditnehmers scheitert. Es wird auch deutlich, dass gesetzliche oder sonstige bankaufsichtsrechtlichen quantitativen oder qualitativen Begrenzungen der Kreditvergabe durch Kreditinstitute hinzunehmen sind und umgesetzt werden müssen. Wenn dies zu einer Einschränkung der Kreditvergabe führt, ist dies nicht von den Kreditinstituten zu verantworten. Eine Kreditklemme setzt mithin auch voraus, dass die Restriktionen bei der Kreditvergabe durch Maßnahmen der Kreditinstitute selbst ausgelöst werden und nicht im exogenen Bereich außerhalb der Banken ihre Ursache haben. Deshalb gehört auch die geringere Kreditnachfrage nicht zum Begriffsinhalt der Kreditklemme.

Statistik und Umfragen

Die Auswertung der Bundesbank-Statistiken[10] zeigt ein eindeutiges Bild. Ende November 2007 belief sich das Kreditvolumen an inländische Nichtbanken auf € 3.057,5 Mrd., während es Ende November 2008 € 3.135,5 Mrd. erreichte, was einem Zuwachs von 2,6 Prozent entspricht. Auch unterjährige Veränderungen lassen danach nicht den Schluss auf ein sinkendes Kreditvolumen[11] zu. Auch die Bundesbank geht davon aus, dass auf Basis der BLS-Angaben keine allgemeine Kreditverknappung zu konstatieren ist[12].

Auch die Kreditanstalt für Wiederaufbau konnte in ihrer Studie vom 4. März 2009 keine Anzeichen einer Kreditklemme erkennen[13].

Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) hat im Februar 2010 das Ergebnis einer bundesweiten Umfrage unter 20.000 Unternehmen veröffentlicht, derzufolge "die oftmals befürchtete flächendeckende Kreditklemme [...] bislang nicht eingetreten" sei. Danach klagten 25 Prozent der Unternehmen über im Vergleich zum Vorjahr schlechtere Finanzierungsbedingungen. Bei weiteren 3 Prozent wurden Kredite abgelehnt. Stellt man dem die 9 Prozent der Unternehmen gegenüber, die verbesserte Konditionen meldeten, ergibt sich daraus ein Saldo von minus 19 Prozentpunkten. Dies entspricht einer Verbesserung um einen Prozentpunkt im Vergleich zur Vorumfrage vom Herbst 2009. Der Saldo lag in der Rezession Anfang 2004 bei minus 21 Punkten und in der Hochphase des Booms Anfang 2008 bei minus 9 Prozentpunkten.

Im „Konjunkturtest April 2009“ des Ifo-Instituts in München beurteilen zwei von fünf befragten Unternehmen die Kreditvergabepraxis als restriktiv. Das sind deutlich mehr als im vergangenen Jahr, wenn auch weniger als zum Höhepunkt der letzten Restriktionsphase 2004, als der entsprechende Anteil 60 Prozent erreichte. Die Kredithürde des Ifo-Instituts wird monatlich veröffentlicht.

Ganz anders fällt die Schlussfolgerung des Gfk-Finanzmarktinstituts aus. „Wenige Unternehmen von der Kreditklemme betroffen" titelt das Institut im April 2009 und belegt dies damit, dass nur 6 Prozent der Firmen beklagten, dass die Finanzinstitute die Geldvergabe gekürzt, laufende Finanzierungen gekündigt und die Kreditvergabe eingeschränkt haben. „Damit macht sich die befürchtete Kreditklemme bislang kaum auf dem Markt bemerkbar"[14].

Auch das DIW Berlin vermochte in seinem Wochenbericht[15] keine Kreditklemme zu erkennen. Zwar habe die Vertrauenskrise innerhalb des Bankensektors immer wieder zu Anspannungen auf den Interbankenmärkten geführt; diese konnten jedoch durch die außerplanmäßige Liquiditätszufuhr der Zentralbanken weitgehend aufgefangen werden. Der Geld- und Kreditschöpfungsmultiplikator sei seit Ausbruch der Krise stabil geblieben. Dies deute darauf hin, dass die monetären Mechanismen in Deutschland auch unter den Krisenbedingungen funktioniert hätten. Insbesondere habe die Kreditvergabe an den nicht-finanziellen Unternehmenssektor unter der bisherigen Krise nicht gelitten – im Gegenteil: Die rückläufige Entwicklung bei Konsumenten- und Wohnbaukrediten dürfte indes eindeutig nachfrageseitig begründet werden. Hier setzten sich die Trends fort, die bereits vor dem Ausbruch der Finanzkrise angelegt waren.

Ergebnis

Als Kreditklemme sind regelmäßig Verknappungen des Kreditangebots durch die Kreditinstitute zu verstehen, die nicht auf refinanzierungsbedingten Ursachen beruhen. Schränken die Banken ihre Kreditvergabe ein, weil sich die Kreditrisiken erhöht haben, handelt es sich nicht um eine Kreditklemme im engeren Sinne. Dieses Marktverhalten der Kreditinstitute ist durchaus nicht untypisch, weil auch gesetzliche Vorgaben die Banken zu einer Risikominimierung oder gar Risikovermeidung, insbesondere in konjunkturell schwachen Phasen, zwingen. Auch dies ist im engeren Sinne keine Kreditklemme. Als eigentliche Kreditklemme kann nur eine Verknappung des Kreditangebots verstanden werden, die weder auf bonitätsbedingten noch anderen exogenen Faktoren beruht.

Eine Kreditklemme hat makroökonomische Folgen. Einerseits wird dadurch die Geldpolitik einen Teil ihrer Wirksamkeit verlieren, weil etwa die derzeitige Niedrigzinspolitik nicht zum gewünschten Anstieg der Kreditversorgung beitragen würde. Andererseits führt die verringerte Kreditaufnahme dazu, dass Unternehmen ihre Investitionstätigkeit einschränken müssen, was die wirtschaftliche Lage auch langfristig verschlechtert. Von Bedeutung ist dabei, wie lange diese Situation anhält. Eine Entspannung ist bereits durch stabilere Aktienkurse zu erwarten. Auch Initiativen, einen Teil der vergebenen Kredite zu verbriefen und so die Bank-Bilanzen zu entlasten, könnte die Kreditvergabe in Deutschland stärken. Auch die Gründung von Bad Banks zielt darauf ab, das Eigenkapital der Banken zu entlasten und deshalb die Kreditvergabe zu erleichtern. Geschieht dies, könnte sich voraussichtlich auch eine „gefühlte" Kreditklemme lösen.

Einzelnachweise

  1. wiwo: „Bundesbank sieht weiter keine Kreditklemme“
  2. Handelsblatt: Wirtschaft leidet unter Kreditklemme
  3. RWI vom 28. Mai 2003
  4. Deutsche Bundesbank, Monatsbericht Januar 2009, S. 15
  5. Kreditrichtlinien werden von der Bundesbank definiert als interne Richtlinien oder Kriterien, die die Kreditpolitik einer Bank widerspiegeln. Sie umfassen die schriftlich fixierten und die ungeschriebenen Kriterien oder sonstigen Gepflogenheiten im Zusammenhang mit dieser Politik, die festlegen, welche Art von Krediten eine Bank als wünschenswert erachtet und welche nicht, welche geografischen Prioritäten vorgesehen sind, welche Sicherheiten als akzeptabel gelten und welche nicht usw.
  6. Bundesbank, a.a.O. S. 30
  7. Bundesbank, a.a.O. S. 30
  8. Financial Times Deutschland, Paradigmenwechsel: Hand in Hand ins Verderben, 22. April 2009
  9. Christian Rugen, Das Eigenkapital der Banken im Kontext der Finanzmarktkrise
  10. Bundesbank, Monatsbericht Januar 2009, Anlagen, S. 20 ff.
  11. das Kreditvolumen ist als Indikator für eine Kreditklemme allerdings nicht besonders geeignet, weil es angebotsbedingte Restriktionen nur sehr bedingt reflektiert
  12. Bundesbank, a.a.O. S. 30
  13. KfW „Wo ist die Kreditklemme ?“
  14. Gfk-Finanzmarktinstitut, Befragung vom April 2009
  15. DIW Berlin, Wochenbericht 21/2008, S. 616

Quellen

  • John Downes, Jordan Elliot Goodman: Dictionary of Finance and Investment Terms. Fifth Edition. Barron's Educational Series, Hauppauge NY 1998, ISBN 0-7641-0790-9 (Barron's Financial Guides).

Siehe auch

Lieferantenkredit


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