Kreis Heydekrug

Kreis Heydekrug
Der Landkreis Heydekrug. Rot: Kreisgrenzen. Gelb: Heutige Grenze zwischen Litauen (Norden) und Russland (Süden). Das heute zu Russland gehörende Gebiet wurde 1922 vom Kreis abgetrennt, das rot markierte Gebiet im Südosten kam 1920 hinzu.

Der Landkreis Heydekrug war ein Landkreis in Ostpreußen und bestand von 1818 bis 1945. Von 1920 bis 1939 gehörte der Kreis zum von Deutschland abgetrennten und ab 1923 zu Litauen gehörenden Memelland. Das Gebiet gehört heute wieder zu Litauen und liegt dort im Distrikt Klaipėda (früher Memel), der Südteil liegt im Rajon Slawsk (früher Heinrichswalde) der russischen Oblast Kaliningrad.

Inhaltsverzeichnis

Geographie

Blick von Norden auf Russ und die Mündungsarme des gleichnamigen Flusses (links): In der Bildmitte die Skirwieth (heute die Grenze zwischen Litauen und Russland, rechts vorne die Atmath. Im Hintergrund das Kurische Haff.
Evangelische Stadtkirche von Heydekrug

Der Landkreis lag im Norden Ostpreußens am Kurischen Haff, einer Bucht der Ostsee. Er grenzte im Norden an den Landkreis Memel (im Regierungsbezirk Königsberg), im Osten an das Russische Reich (Gouvernement Kowno) ab 1918 an Litauen), im Südosten an den Landkreis Tilsit und im Süden an den Landkreis Niederung.

Die Kreisstadt Heydekrug war sehr klein und außerdem die einzige Stadt des Landkreises. Erst 1941 erhielt sie überhaupt das Stadtrecht, vorher galt sie als „Flecken“. Die nächsten größeren Städte waren Memel (45 km nördlich) und Tilsit (40 km südöstlich). Die Provinzhauptstadt Königsberg lag etwa 100 km südwestlich (jeweils Luftlinie, v.a. im letzten Fall ist der Landweg durch die Umfahrung des Haffs weit länger). Unmittelbar östlich der Grenze zu Russland/Litauen lag Kudirkos Naumiestis (russ. Nowoje Miasto, dt: Neustadt).

Durch den Süden des Kreisgebiets fließt die Russ, ein Mündungsarm der Memel, der durch den gleichnamigen Ort verläuft und sich dort noch einmal teilt. Durch das nördliche Kreisgebiet floss die Minge, die hier ins Kurische Haff mündet. An ihrem Ostufer lag das Sumpfgebiet Augustumaler Bruch. Minge und Atmath (einer der Russ-Arme) münden beim Windenburger Eck in das Kurische Haff.

Verkehr

Kleinbahnhof Heydekrug

Durch das Kreisgebiet führte eine von der Preußischen Staatseisenbahn betriebene Strecke von Tilsit über Pogegen und Heydekrug nach Memel, die am 1. Juni 1875 eröffnet wurde. Die Strecke wurde 1892 bis zur russischen (litauischen) Grenze bei Bajohren (Deutsch Krottingen) verlängert und führte späte bis nach Riga.

Die Reichsstraße 132 führte von Tilsit über Heydekrug und Memel bis in das nördlichste Dorf Deutschlands, nach Nimmersatt. Dort bestand ein Grenzübergang ins litauische Polangen.

Von Russ führte eine Fährverbindung nach Schwarzort auf der Kurischen Nehrung und von dort weiter nach Memel.

Gemeinden

Der Landkreis Heydekrug umfasste am 1. Oktober 1944:

  • die Stadt Heydekrug, heute Šilutė in Litauen
  • 96 weitere Gemeinden
  • und 6 Gutsbezirke (Haffanteil, Wald- und Moorgebiete).

Verwaltungsgeschichte

Gründung

Nach der Neuorganisation der Kreisgliederung im preußischen Staat nach dem Wiener Kongress entstand mit dem 1. September 1818 der Kreis Heydekrug im Regierungsbezirk Gumbinnen in der preußischen Provinz Preußen (nicht: Ostpreußen).

Dieser umfasste die Kirchspiele:

  • Kalninken (auch: Kallningken),
  • Kinten,
  • Ruß,
  • Schakuhnen,
  • Werden.

Das Landratsamt war in Heydekrug.

Änderung der Provinzgrenzen

Seit dem 3. Dezember 1829 gehörte der Kreis – nach dem Zusammenschluss der bisherigen Provinzen Preußen (nicht: Ostpreußen) und Westpreußen – zur neuen Provinz Preußen mit dem Sitz in Königsberg i. Pr.

Seit dem 1. Juli 1867 gehörte der Kreis zum Norddeutschen Bund und ab 1. Januar 1871 zum Deutschen Reich. Nach der Teilung der Provinz Preußen in die neuen Provinzen Ostpreußen und Westpreußen wurde der Kreis Heydekrug am 1. April 1878 Bestandteil Ostpreußens.

Abtrennung des Memelgebiets

Mit dem Inkrafttreten des Versailler Vertrages am 10. Januar 1920 fiel der Kreis Heydekrug an das neu errichtete Memelgebiet, und zwar mit dem nördlich des Memeler Mündungsarmes Ruß liegenden Hauptteiles. Die beim Deutschen Reich verbliebenen südlichen Restteile des Kreises Heydekrug wurden vorläufig vom Landrat in Heinrichswalde, Kreis Niederung, mitverwaltet und zum 1. Juli 1922 auch förmlich diesem Kreis eingegliedert. Ebenso wurden am 27. Januar 1920 die nördlich der Ruß liegenden Landgemeinden Groß Schilleningken, Heinrichsfelde, Klein Schilleningken und Leitgirren des Kreises Niederung an den Kreis Heydekrug angeschlossen.

Am 10. Januar 1923 wurde das Memelgebiet von litauischen Truppen besetzt und am 7. Mai 1923 unter litauische Oberhoheit gestellt.

Rückgliederung an Deutschland

Am 22. März 1939 trat der Kreis Heydekrug von Litauen (Memelgebiet) wieder zurück zum Deutschen Reich. Er wurde wie vor 1920 wieder in den Regierungsbezirk Gumbinnen in der Provinz Ostpreußen eingegliedert. Entsprechend den reichseinheitlichen Regelungen wurde er jetzt als Landkreis bezeichnet.

Mit der Auflösung des benachbarten Landkreises Pogegen wurde der Landkreis Heydekrug erheblich vergrößert. Er erhielt am 1. Oktober 1939:

  • aus dem früheren Landkreis Pogegen die Landgemeinden Akmonischken, Alt Stremehnen, Altweide, Augskieken, Bersteningken, Coadjuthen, Heydeberg, Kaszemecken, Kawohlen, Matzstubbern, Medischkehmen, Meischlauken, Mädewald, Pageldienen, Pakamonen, Skerswethen, Steppon-Rödszen, Stonischken, Szameitkehmen, Uszpelken und Wersmeningken und der Gutsbezirk Dingken, Forst (teilweise),
  • aus dem Landkreis Elchniederung die Gemeinden Elchwinkel und Skirwiet.

Das Ende

Im Oktober 1944 wurde das Kreisgebiet durch die Rote Armee besetzt. Es wurde danach Teil der Sowjetunion. Dort wurde der Norden der Litauischen und der Süden der Russischen Sowjetrepublik zugeordnet. Seit der Auflösung der Sowjetunion gehören die beiden Kreisteile zu Litauen und zum russischen Gebiet Kaliningrad (Rajon Slawsk/Kreis Heinrichswalde).

Kommunalverfassung

Der Kreis gliederte sich zunächst in Landgemeinden und in selbstständige Gutsbezirke. Diese kommunale Gliederung blieb auch im wesentlichen in der memelländischen Zeit bestehen.

Die Entwicklung, die in der 1920er und 1930er Jahren in Preußen stattgefunden hatte, wurde nach der Rückgliederung am 1. Mai 1939 vorgenommen. Zu diesem Zeitpunkt wurde die im Deutschen Reich bereits längere Zeit gültige Deutsche Gemeindeordnung vom 30. Januar 1935 eingeführt, wonach die bisherigen Landgemeinden nun als Gemeinden bezeichnet wurden. Am gleichen Tage fand eine Gebietsreform statt, bei der nahezu alle bisher selbstständigen Gutsbezirke aufgelöst und benachbarten Gemeinden zugeteilt wurden; ferner wurde die Zahl der Gemeinden durch Zusammenlegungen erheblich verringert. Auch die Zusammenfassung der Gemeinden in Amtsbezirke änderte sich.

Die Landgemeinde Heydekrug, die mittlerweile städtische Züge trug, erhielt am 27. September 1941 die Bezeichnung „Stadt“.

Eine neue Kreisverfassung wurde nicht mehr geschaffen; es galt weiterhin die Preußische Kreisordnung für die Provinzen Ost- und Westpreußen, Brandenburg, Pommern, Schlesien und Sachsen vom 19. März 1881.

Ortsnamen

Die bis 1939 gültigen Ortsnamen wurden im wesentlichen bis 1945 beibehalten. Allerdings war eine radikale Eindeutschung der memelländisch/litauisch/kurischen Ortsnamen vorbereitet, wurde aber bis Kriegsende nicht mehr durchgeführt.

Die letzte offizielle Änderung eines Ortsnamens erfolgte am 9. Juli 1942. Hierbei wurde die Gemeinde Heydeberg in Kugelhof umbenannt.

Literatur

  • Neumanns Orts-Lexikon des Deutschen Reichs. Ein geographisch-statistisches Nachschlagebuch für deutsche Landeskunde. Dritte, neu bearbeitete und vermehrte Auflage von Wilhelm Keil. Leipzig, 1894.

Weblinks


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