Kriegsvermisst

Kriegsvermisst
Private Plakate zu vermissten Personen in New York City kurz nach den Terroranschlägen am 11. September 2001

Eine vermisste Person ist jemand, dessen Schicksal oder Aufenthaltsort nicht bekannt oder unsicher ist. Dies kann im Rahmen besonderer Ereignisse (wie Krieg, Vertreibung, Katastrophen) oder aufgrund individueller Beweggründe geschehen. Ohne eine dieser besonderen Ursachen spricht man von Verschollenheit. Man unterscheidet Kriegsvermisste und zivile Vermisste, wobei zu den Kriegsvermissten nur die Angehörigen von Streitkräften zählen, bei denen somit unbekannt ist, ob sie gefallen sind, versprengt oder gefangen genommen wurden.

Inhaltsverzeichnis

Beschreibung

Voraussetzung für einen Vermisstenfall im polizeilichen Sinn (Vermissung im polizeilichen Sprachgebrauch) sind bei der deutschen Polizei gem. Polizeidienstvorschrift 389 („Vermisste, unbekannte Tote, unbekannte hilflose Personen“):

  • Hilflose Lage aufgrund einer Krankheit oder Behinderung
  • Minderjährigkeit ohne Begleitung

Eine Meldung eines Vermisstenfalls – die Vermisstenanzeige – erfolgt bei der örtlich zuständigen Schutzpolizei, die umfangreiche Ermittlungen und Fahndungen mit Hilfe kriminalistischer Methoden anstellt. Die Maßnahmen umfassen also unter anderem

  • Durchsuchung aller Wohnungen, in denen die Person gelebt hat
  • Abgleich mit Daten, zum Beispiel Passagierlisten, Kreditkartenumsätze, Telefonverbindungen, Krankenhäuser, unbekannte Tote und eventuell über die Register der Botschaften
  • Befragung der Personen im sozialen Umfeld
  • Auswertung von Tagebüchern, Adressbüchern, Briefen, Computerdaten usw.
  • Ortungen
  • Absuche bestimmter Gebäude und Landstriche
  • Personenfahndungen, z. B. Zielfahndung, Öffentlichkeitsfahndung, Funkrundsprüche
  • Einsatz von Spürhunden

Die zuständige Organisationseinheit wird VUT („Vermisste, unbekannte Tote, unbekannte hilflose Personen“) genannt, vgl. PDV 389.

Diese Maßnahmen können unter Umständen die Rechtsnatur einer doppelfunktionalen Maßnahme aufweisen, das heißt sie zielen aufgrund ihrer Unbestimmtheit sowohl auf die Gefahrenabwehr als auch auf die Strafverfolgung ab.

Eine Vermissung kann unter anderem zum Schluss führen, dass die Person einer Straftat zum Opfer gefallen ist (z. B. Mord, Entführung), in Gefangenschaft ist, eine Straftat begangen hat und flüchtig ist, wohlauf ist (z. B. Aussteiger), eines natürlichen Todes gestorben ist oder verschollen ist. Ein weiterer Grund kann sein, dass die vermisste Person in kriegerischen Auseinandersetzungen gefallen ist.

Seit 6. Juni 1950 sind beim deutschen Bundeskriminalamt etwa 830 offene Vermisstenfälle von Personen unter 14 Jahren registriert. [1] Eine Vermisstenanzeige kann jedermann bei jeder Polizeidienststelle erstatten.

Das größte Ereignis in jüngster Zeit, aufgrund dessen auch mitteleuropäische Personen zu Vermissten wurden, war das Seebeben im Indischen Ozean 2004 mit den dadurch ausgelösten Tsunamis. Im Zusammenhang mit der Katastrophe wurden zeitweise über 1.000 deutsche Staatsangehörige vermisst, hauptsächlich Urlauber an den Küsten Thailands, Indiens und Sri Lankas. Noch ein Jahr später – nach der Identifikation von über 500 Leichen und dem Abgleichen der Vermisstenmeldungen – beläuft sich die Zahl der Vermissten auf 15 Personen (Dezember 2005).

Suche nach Vermissten

Während die Kriegsgefangenen des Zweiten Weltkrieges aus den Lagern der westlichen Alliierten relativ bald entlassen wurden und auch während der Gefangenschaft Kontakt mit ihren Angehörigen hatten, waren es vorwiegend Vermisste, die über viele Jahre in sowjetischer Gefangenschaft waren, von denen man nichts über ihren Verbleib wusste. So kamen viele Österreicher erst bei Abschluss des Staatsvertrages von der Gefangenschaft der UdSSR frei.

Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) und eine Reihe von nationalen Gesellschaften der Rotkreuz- und Rothalbmond-Bewegung betreiben Suchdienste, die auch noch nach Jahrzehnten, speziell nach Öffnung verschiedener Archive, Erfolge bei der Klärung von Vermisstenschicksalen aufweisen können, wenn auch meist nur Todeszeitpunkte oder -orte. Nur selten werden auch nach Jahrzehnten noch Überlebende gefunden.

Beim Internationalen Suchdienst des Deutschen Roten Kreuzes gehen heute täglich bis zu zwanzig Suchanfragen ein, davon immer noch mehrere zu Vermissten aus dem Zweiten Weltkrieg. Aus diesem Krieg gelten noch heute 1,3 Millionen Schicksale ungeklärt, obgleich durch die Öffnung sowjetischer Archive seit 1991 200.000 Fälle geklärt werden konnten und auch heute noch am Tag drei bis vier Angehörige kriegsbedingter Trennung wieder zusammengeführt werden. Es wird mit einer Million endgültig unklärbarer Schicksale des Zweiten Weltkrieges gerechnet.

Die Klärung speziell von Kriegsvermisstenschicksalen des Zweiten Weltkrieges ist eine der Aufgaben der Deutschen Dienststelle (WASt) für die Benachrichtigung der nächsten Angehörigen von Gefallenen der ehemaligen deutschen Wehrmacht.

Aus den Jugoslawienkriegen gibt es heute 21.000 Vermisste.

Der Schriftsteller Peter Jamin (Sachbuch und Ratgeber für Angehörige von Vermissten Vermisst – und manchmal Mord, siehe unten) ruft auf seiner Homepage zur Gründung eines Vermisst-Verbandes auf; er will Interessierte in einem Netzwerk zusammenführen.

Identifizierung von Leichen zur Klärung von Vermissten-Schicksalen

Früher war das sichere Identifizieren von Kriegs- und Katastrophenopfern nicht leicht möglich. Bei Soldaten geschah dies oft nur durch die Kennmarke, die die Soldaten immer tragen mussten und auf der Namen und Personalkennziffer eingestanzt waren. Diese Marken sind auch heute bei vielen Militärs üblich. So konnten Leichen auch viele Jahre nach ihrem Tod durch Vergleich mit den vorhandenen Karteien noch identifiziert werden. Eine weitere Möglichkeit ist ein auch im zivilen Bereich verwendetes System, das auf der Untersuchung von Gebissen (Zahnstatus) beruht. Heute wird weitgehend ein DNA-Abgleich durchgeführt.

Rechtsfolgen

Neben den psychischen Folgen bei den Angehörigen Vermisster treten auch oftmals rechtliche Schwierigkeiten auf, die sich über Jahre hinziehen können und auch existenzgefährdend für die Hinterbliebenen sein können. Bis zu einer Todeserklärung können Pensionszahlungen verweigert werden. Auch Erbschaften können oft nicht abgewickelt werden. In Deutschland regelt dies das Verschollenheitsgesetz.

Aber auch bei Wiederauffinden Vermisster nach einer Todeserklärung kann es zu Rückforderungen von Erbschaften kommen. Speziell nach dem Krieg tauchten Vermisste zu einem Zeitpunkt auf, als die vermeintliche Witwe bereits wieder verheiratet war.

„Missing in Action“

Missing in Action (MIA) ist im angloamerikanischen Sprachgebrauch die Statusbezeichnung für einen Soldaten, der wahrscheinlich im Kampf gefallen ist oder vermisst wird, über dessen Verbleib jedoch keine weiteren Informationen bekannt sind.

Die Abkürzung „MIA“ findet neben den Abkürzungen „WIA“ (Wounded in Action), „POW“ (Prisoner of War; Kriegsgefangener) und „KIA“ (Killed in Action) häufig in Verlustlisten angloamerikanischer Streitkräfte Verwendung.

Literatur

  • Peter Jamin: Vermisst – und manchmal Mord. Über Menschen, die verschwinden und jene, die sie suchen. Verlag Deutsche Polizeiliteratur, Hilden 2007. ISBN 978-3-8011-0538-9 [2]

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Bundeskriminalamt: Die polizeiliche Bearbeitung von Vermißtenfällen, S. 7 Ziff. 5, Wiesbaden, 2003 (PDF)
  2. Buchvorstellung von Peter Jamin (www.jamin.de)
Bitte beachte den Hinweis zu Rechtsthemen!

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